Psychische Krankheiten Warum Depressionen bei Männern oft unerkannt bleiben
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07. April 2023, 05:00 Uhr
Depressionen bei Männern werden häufig nicht erkannt und dadurch seltener behandelt. Viele Männer tun sich noch immer sehr schwer damit, über Gefühle zu sprechen. Außerdem äußern sich bei einer Depression bei Männern die Symptome anders als bei Frauen.
- Depression wird bei Männern häufig nicht erkannt.
- Geschlechter-Vorstellungen verhindern oft, dass sich Männer Hilfe suchen. So sprechen sie etwa weniger über Gefühle.
- Männer haben bei einer Depression andere Symptome als Frauen. Auch das macht die Diagnose schwierig.
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Die Telefonseelsorge hilft Ihnen! Sie können jederzeit kostenlos anrufen unter
0800 111 0 111, 0800 111 0 222 oder 116 123.
Auf der Webseite telefonseelsorge.de finden Sie weitere Hilfsangebote, etwa per E-Mail oder im Chat. Weitere Angebote bietet die Deutsche Depressionshilfe, etwa auf der Website maennerberatungsnetz.de.
Torsten Sträter oder Kurt Krömer – zwei berühmte Männer, die mit ihrer Depressionserkrankung an die Öffentlichkeit gegangen sind. Solche Vorbilder sind wichtig. Gerade für Männer. Denn eine Depression wird zwar viel häufiger bei Frauen diagnostiziert, doch das bedeutet nicht, dass Männer nicht davon betroffen sind. Dies lässt ein ganz spezielles Phänomen vermuten: Im Jahr 2021 sind 9.215 Menschen durch Suizid gestorben. Drei Viertel davon waren Männer.
Gleichzeitig nehmen Männer viel seltener Hilfsangebote wahr. Das bedeutet: Irgendwo auf dem Weg von der anfänglichen emotionalen Krise über die ausgewachsene Depression bis zum Suizid scheint es besondere Hürden für Männer zu geben, sich Hilfe zu suchen.
Uni-Projekt "maenner-staerken" bietet Hilfe an
Das bestätigt auch Falk Schuster, der bereits einen Suizidversuch hinter sich hat: "Wenn Männer in eine Krise kommen, dann ist das für mich immer verbunden mit ganz viel Schamgefühl und einem immensen Schuldgefühl." Viele Männer schämten sich dann einfach, weil sie das Gefühl hätten, dass die anderen doch auch alles schafften. Sie würden dann die Schuld bei sich suchen. Von seinen eigenen Erfahrungen erzählt Schuster auf der Webseite maenner-staerken.de. Damit will er anderen Männern die Scheu nehmen, sich Hilfe zu suchen.
Das Projekt maenner-staerken von der Universität Leipzig, der Medical School Berlin und der Universität Bielefeld erforscht, welche geschlechtsspezifischen Faktoren dazu führen, dass Männer in psychischen Krisen weniger Hilfe in Anspruch nehmen und wie man daran etwas ändern kann.
Stereotype Bilder verhindern, dass sich Männer Hilfe suchen
Caroline Spahn ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Projekts. Sie erzählt, dass das, worüber Falk Schuster berichtet, für viele Männer immer noch fest verankert sei, wenn es um das eigene Männlichkeitsbild gehe: "Wir haben Interviews geführt mit Männern nach Suizidversuchen, von denen auch einige an einer Depression erkrankt waren." Man sei erstaunt gewesen, wie viele Männer davon berichtet hätten, wie sehr männliche Stereotype dem Hilfesuchen im Weg gestanden hätten.
Man müsse stark sein, durchhalten, leistungsfähig sein, fasst Spahn zusammen. Hilfe in Anspruch zu nehmen sei auch assoziiert mit Schwäche – und das über alle Generationen hinweg, selbst bei Männern, die "modern" oder "reflektiert" anmuten.
Falk Schuster ergänzt: "Das ist ja assoziiert mit: Heul' nicht rum wie'n Mädchen." Was weiblich konnotiert sei, gelte als schwach – und nicht besonders erstrebenswert.
Männer haben Probleme, über ihre Gefühle zu sprechen
Sabine Köhler ist praktizierende Psychiaterin und stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbandes der deutschen Psychiater und Psychiaterinnen. Ihrer Aussage zufolge kommt hinzu, dass es immer noch geschlechtsspezifische Kommunikationsformen gibt. Frauen seien trainierter darin, in kleinen Grüppchen über ihr Inneres zu sprechen. Unter Männern sei das offene Gespräch über Gefühle immer noch die Ausnahme.
"Männer tun sich oft schwer, über emotionale Bewegungen zu sprechen und das in Worte zu fassen." Wenn man das systematisch erfrage, sehe man identische Symptome bei Männern und Frauen. Niedergeschlagenheit, Antriebs- und Ausweglosigkeit – doch bei Männern äußern sie sich meistens anders.
Depression äußert sich auch in körperlichen Symptomen
Ein häufiges Phänomen ist laut Caroline Spahn, sich zurückzuziehen. Das hätten sehr viele Männer berichtet. Häufig sei auch beschrieben worden, dass sich die Notsituation in einer körperlichen Symptomatik äußert. "Das heißt, sie haben von Schmerzen berichtet, starkem Schwitzen, Schlafstörungen."
Jede nicht geweinte Träne bleibt im Körper stecken.
Auch Falk Schuster hat Herzkreislauf-Probleme und andere körperliche Beschwerden erlebt. Denn mittlerweile weiß er: "Jede nicht geweinte Träne bleibt im Körper stecken." Aber auch Aggressivität, Gereiztheit, eine besonders hohe Aktivität – viel Sport, viel Arbeit – oder auch Alkoholmissbrauch sind bei Männern beliebte Bewältigungsstrategien, wenn sie von Emotionen überfordert sind. Der Tenor scheint zu sein: Gefühle dürfen nicht sein.
Depressionen bei Männern seltener erkannt
Nicht selten führt das dazu, dass Depressionen auch von Hausärzten oder dem Umfeld gar nicht als solche identifiziert werden. Psychiaterin Sabine Köhler: "Es ist das eine, dass es bei Männern so ist, dass sich depressive Beschwerden bei denen genauso äußern, aber wir müssen uns auch überlegen: Nehmen wir das als Gegenüber ganz gender-neutral wahr?"
Das führt dazu, dass bei Männern eventuell eher ein Burnout oder Überarbeitung als eine Depression vermutet wird. Nicht nur die Männer selbst, auch das Umfeld muss also die Gender-Schablone ablegen. Vor allem müssen Männer lernen, sich ihren Gefühlen stellen zu dürfen und diese auch verständlich zu kommunizieren.
Männer lernen nicht, Emotionen auszudrücken
Caroline Spahn vom Forschungsprojekt maenner-staerken glaubt, dass das Problem ist, dass schon mit kleinen Jungs nicht eingeübt wird, über Gefühle zu sprechen. Das bestätigten auch viele Männer in den Gesprächen. Dabei läge darin der Schlüssel: Das eigene Innere wahrzunehmen und Alarmsignale mitzubekommen.
Über Gefühle zu sprechen, gilt offensichtlich immer noch als schwach, als weibisch. Doch wäre dem so, wäre es ja nicht so schwer. Falk Schuster würde seinem früheren Ich gerne sagen: "Mensch, lass das raus!" und fügt hinzu: "So viele Männer schämen sich für die Tränen, dabei ist ja genau das das Befreiende den Schmerz rauszulassen und die Tränen zu weinen."
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 07. April 2023 | 07:00 Uhr
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