"Mehr als Nische" Ausstellung: Wie erstmals "Heavy Metal in der DDR" gefeiert wird
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19. März 2024, 13:35 Uhr
In der DDR war Heavy Metal die größte Subkultur. Näher beleuchtet wird die energiegeladene Szene 35 Jahre nach dem Mauerfall nun erstmals in einer Ausstellung, die von Kulturstaatsministerin Claudia Roth am Dienstagabend in der Kulturbrauerei Berlin eröffnet wurde. Zu sehen sind Instrumente, Konzertplakate ebenso wie das nachempfundene Jugendzimmer eines Metal-Fans. Protagonisten der Szene geben Auskunft in Interviews. Die Ausstellung richtet sich auch an Nicht-Metaller, weil sie spannend von DDR-Alltagsgeschichte erzählt. MDR KULTUR hat mit Musikredakteur Jan Kubon darüber gesprochen.
- Die Heavy Metal-Szene in der DDR wird erstmal in einer Ausstellung in Berlin beleuchtet.
- Interessant ist die Schau nicht nur für Metal-Fans, erzählen die Exponate doch auch ein Stück DDR-Alltagsgeschichte.
- Die Ausstellung gibt auch einen Ausblick auf die Ost-Metal-Geschichte nach 1990.
Julia Hemmerling, MDR KULTUR: Wie ist die Ausstellung eigentlich zustande gekommen – und was sehen wir darin?
Jan Kubon, MDR KULTUR-Musikredakteur: Es ist die erste Ausstellung, die den Ost-Heavy Metal ins Museum bringt. Und das ist toll. Das Haus der Geschichte ist ja immer auf der Suche nach Ideen, auch DDR-Geschichte erlebbar zu machen. Und da ist es natürlich ganz clever, sich so eine Subkultur zu schnappen, um jüngeren Generationen zu vermitteln, was da los war. Und sie ist natürlich auch eine späte Würdigung der beteiligten Musikerinnen und Musiker.
Zu sehen ist die ganze Welt des Ost-Heavy Metals: Instrumente, Verstärker, eine selbst genähte Lederhose – von der Kulturstaatsministerin Claudia Roth zur Eröffnung sagte, die hätte sie auch gern gehabt –, genauso wie Konzertankündigungen zum Beispiel für das legendäre Konzert von Mayhem, der norwegischen Black Metal-Legende im Leipziger Eiskeller. Toll fand ich auch das nachempfundene Jugendzimmer mit dem klassischen Kassettenrekorder-Rondell oder Plattenspieler, aber auch Zeitzeugen-Interviews in Audio und Video etwa mit Jens Molle, dem Moderator der Kultsendung "Tendenz Hard bis Heavy" auf DT64 oder Frank Lawrenz von Biest.
Welches Exponat hat Dich denn am meisten beeindruckt?
Das waren die, die von der Geschichte der DDR-Mangelwirtschaft erzählt haben. Beispielsweise ein Nietenarmband oder eine Eisenbahnermütze aus Leder, die umfunktioniert wurde zur Rob Halford-Gedächtniskappe. Mir hat Sven Rappoldt von Metall mal erzählt, wie er zu seiner Mütze gekommen ist: Er ist nämlich in die Bude gegangen, in der sie Currywurst gegessen haben und bot an, "Ich kauf' dir fünf Curry-Würste, wenn du mir deine Mütze gibst." Die Dinger waren wirklich begehrt. Das ist schon sehr eindrücklich, wie die Ausstellung es schafft, DDR-Staatsgeschichte mit der Metal-Geschichte zu verknüpfen.
Waren denn Protagonisten der Szene da? Wie haben die die Ausstellung aufgenommen?
Es war picke packe voll. Zum Beispiel war da Formel 1 – die einzige Band, die damals eine Langspielplatte machen durfte. Oder Depressive Age – auch eine sehr interessante Band, Black Out, die weggegangen und wiedergekommen sind und 2022 ein sehr erfolgreiches Comeback gestartet haben und in Wacken spielen. Und alle waren so ein bisschen gerührt, dass sie es jetzt in die Kulturbrauerei, ins Museum geschafft haben.
Ist das jetzt eine Nischen-Austellung oder ist sie auch für Nicht-Metaller geeignet?
Sie ist auch für Nicht-Metaller geeignet, weil sie ein Stück DDR-Alltagsgeschichte erzählt. Das macht das vermeintliche Nischen-Thema "Heavy Metal in der DDR" auch so wichtig. Erzählt werden Lebensgeschichten.
Die Ausstellung endet 1990. Ist die ostdeutsche Metal-Geschichte damit auserzählt?
Nein, es bleibt irre spannend. Denn 1990 wird die Szene ja Teil der globalen Metal-Welt. Das wollte man vorher sein und konnte es aber nicht. Dann war man es auf einmal und musste erst einmal seine eigene Identität in dieser Welt finden. Darin beschäftigen wir uns bei MDR KULTUR übrigens auch in der zweiten Staffel unseres Podcasts "Iron East".
Die Jahre 1983 bis 1989 waren geprägt von einer gewissen Widerständigkeit, einer Jugend-Rebellion. Das hat auch komische Züge. Ab 1990 ist es dann nicht mehr ganz so fluffig. Da geht es um große Hoffnungen, aber auch Enttäuschungen und gesellschaftliche Verwerfungen. Da geht es um neue Farben in der Metal-Szene, aber auch um politische Landnahme der Szene von Rechts. Es gibt natürlich aber auch tolle Geschichte, etwa über kleine Festivals, die auf einmal riesengroß werden wie das With Full Force, oder Bands aus dem Osten, die mittlerweile weltweit gefeiert werden wie Heaven Shall Burn, oder Metal-Spielarten, die im Osten erfunden wurden wie Mittelalter-Rock durch Bands wie Subway To Sally. Auch das wird in der Ausstellung kurz angerissen.
Weitere Informationen
Heavy Metal in der DDR
19. März bis 9. Februar 2025
Museum in der Kulturbrauerei - Haus der Geschichte
Knaackstraße 97
10435 Berlin
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag: 9 –18 Uhr
Samstag/Sonntag und feiertags: 10 bis 18 Uhr
Eintritt:
frei
Quelle: MDR KULTUR (Julia Hemmerling, Jan Kubon)
Redaktionelle Bearbeitung: ks
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 19. März 2024 | 08:40 Uhr