Übersicht Metal in der DDR: Die wichtigsten Bands und was aus ihnen wurde
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03. Mai 2024, 17:26 Uhr
Beim Wacken 2024 stehen bereits Headliner wie Amon Amarth, Korn und die Scorpions fest. Zehntausende Fans feiern vom 31. Juli bis 3. August 2024 Heavy Metal in unterschiedlichsten Ausprägungen. Auch zu DDR-Zeiten wurden Heavy-Metal-Gruppen verehrt wie Biest, Blitzz, Formel 1, Macbeth und MCB. Wer die wichtigsten Bands waren, wie sie den Ost-Metal mit ihrer Musik prägten und wie ihre Geschichte nach dem Ende der DDR weiter verlief, erfahren Sie hier.
Inhalt des Artikels:
- Babylon – Heavy Rock aus Berlin
- Berluc – Gestandene Rocker von der Küste
- Biest – Brandenburger Thrash-Legende
- Blackout – Die "Madhouse"-Gang
- Blitzz/Prinzz – Von einer Teenieband zur Metal-Institution
- Formel 1 – New Wave of "Berlinisch" Heavy Metal
- Hardholz – Metal aus Thüringen
- Macbeth – Verbote, Tragödien, Wiederauferstehung
- MCB – Erst Motörhead dann Thrash- und Speedmetal
- Metall – Der Überraschungshit "Easy Rider"
- Prinzip – Die Vorreiter des Heavy Metal der 80er-Jahre
- Regenbogen – Vom Hard Rock zum Heavy Metal
Babylon – Heavy Rock aus Berlin
Babylon war bereits in den 70er-Jahren erfolgreich. Mit dem Hard-Rock-Song "Dshigitenlegende" hatten die seit Jahren in verschiedenen Konstellationen im DDR-Rock aktiven Musiker 1976 einen ersten Erfolg. Nach zahlreichen Umbesetzungen – einzige Konstante war Bandchef Dieter Wiesjahn – entwickelte man sich in den 80er-Jahren zu einer viel beachteten Heavy-Rock-Band, die mit "Dynamit" (1988) sogar ein Album veröffentlichen konnte.
In der Wendezeit kam es zur Trennung. Es gab keine weiteren Aktivitäten unter dem Signum Babylon. Dieter Wiesjahn verstarb 2012.
Berluc – Gestandene Rocker von der Küste
Dass auch Bands, deren Mitglieder teilweise der Elterngeneration der Fans angehörten, anerkannt waren, bewies Berluc. Bereits Anfang der 60er-Jahre ursprünglich als Jazzband gegründet, wendete sich die in Rostock ansässige Gruppe mit Mitgliedern aus BERlin und LUCkenwalde ab 1974 der Rockmusik zu. Nach dem ersten großen Erfolg "Hallo Erde – hier ist Alpha" erschien mit "Reise zu den Sternen" 1979 ein Space-Rock-Album. In den 80er-Jahren war das Ensemble um Dietmar Ränker (Schlagzeug, geboren 1939) in wechselnden Besetzungen ein Aushängeschild des DDR-Hard-Rock.
Nachdem sich BERLUC zur Wende aufgelöst hatte, kam es 1993 zu einem Comeback. Seitdem spielte man regelmäßig live und produzierte vereinzelt neue Titel.
Biest – Brandenburger Thrash-Legende
1985 gegründet, orientierte sich die Jüterboger Band an Slayer, Grave Digger oder Metallica. Schnell erreichte man eine hohe Live-Akzeptanz, was dazu führte, dass man 1986 zur "Besten Amateur-Heavyband der DDR" gewählt wurde. Bis zur Wende gab es einige Rundfunkproduktionen, von denen 1989 eine Quartett-Single beim staatlichen Label "Amiga" erschien.
Nach häufigen Umbesetzungen und stilistischen Korrekturen löste sich die Gruppe im Jahr 2000 auf. Die Ausstellung "Biest – Harte Klänge aus der DDR" über den Werdegang der brandenburger Thrash-Legende wurde am 20. Oktober 2013 im "Stadt- und Technikmuseum" Ludwigsfelde eröffnet.
Blackout – Die "Madhouse"-Gang
Blackout aus Berlin zählten zu den ganz jungen Vertretern der Szene. Stilistisch orientierten sie sich unter anderem an Slayer, Metallica, Anthrax oder Celtic Frost. Man lebte drei Jahre zusammen in einem Berliner Einfamilienhaus, in Fankreisen "Madhouse" genannt, welches ein Szenetreffpunkt wurde. Von den Behörden beobachtet und an verschiedenen Orten mit Spielverboten belegt, konnte man trotzdem 1987 für den "DDR-Rundfunk" zwei Titel produzieren.
Nach Ausreiseanträgen von einigen Musikern löste sich Blackout Anfang 1989 auf. 1990 gründeten einige Mitglieder die im Underground hoch angesehene Band Depressive Age.
Blitzz/Prinzz – Von einer Teenieband zur Metal-Institution
… wenn auch nur für kurze Zeit. Die Erfurter Band Prinzz wurde 1982 gegründet und war ein Vertreter der DDR-Variante der "Neuen Deutschen Welle". Vor allem ihr Song "Ich steh auf DT64" wurde ein Erfolg. Nachdem es 1986 einige Besetzungswechsel gab, orientierte man sich nun erfolgreich in Richtung Hardrock/Heavy Metal. 1989 kam es zur Umbenennung in Blitzz.
Auch nach der Wende sah es so aus, als ob Blitzz eine erfolgreiche gesamtdeutsche Karriere bevorstehen könnte. Anfang 1990 unterschrieb die Band beim Metal-Label "Steamhammer" einen Vertrag. Es erschien das Mini-Album "Do The Blitzz". Nach Streitigkeiten mit der Plattenfirma, erfolglosen Verhandlungen mit anderen Labels und internen Meinungsverschiedenheiten löste sich die Band 1993 auf. Frontfrau Kerstin Radtke sang in der Folgezeit in verschiedenen Konstellationen. Bassist Jens Hellmann machte ab Mitte der 90er-Jahre als Vicki Vomit Karriere. Gitarrist Thomas Feiler spielte zunächst in der Band von Vicki Vomit mit und war dann Produzent und Musiker für verschiedene Musiker.
Formel 1 – New Wave of "Berlinisch" Heavy Metal
Mundart-Rock war in der DDR eher eine Seltenheit. In Thüringen interpretierten Bromm Oss zum Beispiel ihre eigenen Titel in Lauschaer Mundart und hatten einige regionale Aufmerksamkeit. DDR-weit für Aufsehen sorgten allerdings Formel 1, die den Großteil ihrer Produktionen im Berliner Dialekt vortrugen – und das im Stil der "New Wave of British Heavy Metal". Die Mitglieder dieser 1981 gegründeten Band hatten schon vielfältige Erfahrungen in den 70er-Jahren gesammelt. Formel 1 wurde zur Speerspitze des DDR-Heavy-Metal. Die 1986 erschienene und im "Stahl- und Walzwerk Wilhelm Florin" Hennigsdorf aufgenommene LP "Live im Stahlwerk" war auch Jahrzehnte nach dessen Erscheinen ein beliebtes Sammlerstück.
Nach Ausreiseanträgen einiger Musiker löste sich Formel 1 im Jahr 1987 auf. 1999 kam es zu einem kleinen Comeback, das aber nicht weitergeführt wurde. Auf dem Boizenburger Label "Immortal Vinyl Records" erschien 2008 die Fünf-LP-Box "Edelrocker" mit den im "DDR-Rundfunk" produzierten Songs der Band.
Hardholz – Metal aus Thüringen
Thüringen verband man in der DDR-Musikszene vor allem mit Bluesbands, die seit den 70er-Jahren vielfach hochgelobt wurden. Dass Heavy Metal auch dort seine Daseinsberechtigung hatte, bewies die Band Hardholz aus Tambach-Dietharz, die 1983 gegründet wurde. Man orientierte sich an Iron Maiden, Motörhead, Accept, Judas Priest, Scorpions, später auch an Metallica und Testament und hatte einige Rundfunkproduktionen, Fernsehauftritte und auch zwei Tourneen durch Polen.
Nach der Wende existierte die Gruppe mit verschiedenen personellen Wechseln bis 1997 weiter. 2013 entschlossen sich die Gründungsmitglieder mit zwei neuen Musikern zu einer Reunion.
Macbeth – Verbote, Tragödien, Wiederauferstehung
Viele Metalbands waren in den 80er-Jahren staatlichen Repressalien ausgesetzt. Besonders hart traf es Macbeth aus Erfurt. Die 1985 gegründete Band hatte in der DDR nie die Möglichkeit, Produktionen in den staatlichen Medien zu veröffentlichen, obwohl sie im Livesektor zu den wichtigsten Heavy-Metal-Bands der DDR zählten. Permanente Probleme mit den staatlichen Stellen begannen bereits während eines Konzertes 1986 im Erfurter "Stadtgarten", als die Polizei der Band eine Zugabe verweigerte. Nachdem es aus diesem Grund zu Ausschreitungen des Publikums kam, erhielt Macbeth Spielverbot auf unbestimmte Zeit, benannte sich in Caiman um und spielte in veränderter Besetzung weiter.
Nachdem sich der neue Sänger nach einem Gefängnisaufenthalt erhängte, trennte sich die Gruppe Ende 1989. Es kam 1993 zu einem kurzen Comeback, das mit dem Selbstmord des Schlagzeugers schnell endete. Erst ab 2004 arbeitete man konstant weiter und veröffentlichte mehrere von der Fachpresse gelobte Alben.
MCB – Erst Motörhead dann Thrash- und Speedmetal
Viele DDR-Bands hatten Ersatzfunktionen für die westlichen Originale. So galt die 1983 in Magdeburg gegründete Band MCB in frühen Jahren als Motörhead des Ostens. Nachdem Sebastian Baur Gitarre und Gesang übernahm, orientierte man sich an Thrash- und Speedmetal und war im Livesektor sehr gefragt.
Nach der Wende existierte MCB mit einigen Umbesetzungen unter der Federführung von Gründungsmitglied Mike Demnitz kurze Zeit weiter. Im Jahr 2000 kam es zu einem kleinen Comeback. Offiziell wurde die Band nie aufgelöst, und in größeren Abständen ist MCB live zu sehen. Sebastian Baur ist seit 1996 als Buzz Dee Gitarrist von Knorkator. Mike Demnitz agierte viele Jahre live als Bassbomber.
Metall – Der Überraschungshit "Easy Rider"
1982 in Berlin gegründet, gelang Metall 1987 mit "Easy Rider" ein großer Hit. In der Wertungssendung "Beatkiste" standen sie 15 Wochen mit dem etwas plakativen Song auf Platz 1.
1990 benannte man sich in Headless um und löste sich bereits 1991 auf. Bandchef Sven Rappoldt ist heute Eigentümer vom Berliner "Rockcafe Halford", benannt nach seinem großen Vorbild Rob Halford, dem Frontmann von Judas Priest. Im Dezember 2013 kam es im Berliner Metalclub "Blackland" zu einem Comeback von Metall. Als einziges altes Bandmitglied stand Rappoldt auf der Bühne. Inzwischen arbeitet die Band an ihrem dritten Album seit der Neugründung.
Prinzip – Die Vorreiter des Heavy Metal der 80er-Jahre
Jürgen Matkowitz war eine Institution der frühen DDR-Rockmusik. Der Gitarrist spielte in bekannten Bands, ehe er 1974 das Trio Prinzip gründete. Eindeutig auf Hard Rock ausgelegt, entstanden in den ersten Jahren Songs, die die Gruppe als Vorreiter des Heavy Metal der 80er-Jahre erscheinen lassen. Im Laufe der Zeit gestaltete Matkowitz Prinzip personell häufig um. Man entwickelte sich zu einer Formation, die wenig von ihren rockigen Anfängen beibehielt.
1990 löste sich Prinzip auf. Matkowitz arbeitete seit den 90er-Jahren auf dem Multimedia- und Pyrotechnikgebiet. Außerdem betreute er in seinem Moskauer Tonstudio in dieser Zeit die Elite der russischen Heavy-Metal-Szene.
Regenbogen – Vom Hard Rock zum Heavy Metal
1977 gegründet, hatte die Amateurband Regenbogen vor allem mit Hard-Rock-Klassikern live eine große Fangemeinde. Es folgten erste Rundfunkproduktionen, von denen die Ballade "Du machst mich verliebt" 1978 der größte Erfolg war. Frontmann Ralf Bursy wurde Profi. Dies hatte letztlich zur Folge, dass sich ein fast komplett neues Line-up herausbildete. Stilistisch orientierte man sich nun an der "New Wave of British Heavy Metal" und galt als bedeutende Talentschmiede der ostdeutschen Metal-Szene.
Nach der Auflösung 1985 entstand aus ehemaligen Mitgliedern von Regenbogen und Countdown die Band Pharao. Nach der Wende verdingte sich der erste Frontmann Ralf Bursy als Produzent und veröffentlichte erfolglose Singles, ehe er sich komplett aus dem Musikgeschäft zurückzog. Er starb Anfang 2022.
Autor Götz Hintze im Kurzporträt
Der 1961 geborene Götz Hintze arbeitete seit 1983 im "DDR-Rundfunk" als Musikdokumentar. Er war dort bis 1991 verantwortlich für die Erschließung von DDR-Unterhaltungsmusik. Nach der Fusion von "Deutschlandsender Kultur" und "RIAS" ist er seit 1994 beim "Deutschlandradio" tätig. Hintze ist Autor des "Rocklexikon der DDR" sowie Autor und Herausgeber des "Munzinger Pop Archiv".
Redaktionelle Bearbeitung: op
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 19. November 2022 | 18:05 Uhr