Heavy Metal in der DDR Feuerstein – die Metaller mit den Wurzeln im Punk der Ramones und Sex Pistols
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24. November 2022, 17:45 Uhr
Feuerstein aus Halle war eine der angesagten Heavy-Metal-Bands der DDR. Dass Schlagzeuger Tommy Silbersack und Gitarrist Christian Sorge damals zum Heavy-Metal-Sound kamen, war nicht selbstverständlich – denn eigentlich waren beide schwer vom Punk beeindruckt. Doch ihr Freundeskreis bestand aus Heavy-Metal-Fans. Was will man tun? Welche Vorbilder sie hatten, welche unerwarteten Probleme es zu DDR-Zeiten mit den Texten gab und wie sie heute zu Heavy Metal stehen, haben sie im Gespräch mit MDR KULTUR berichtet.
MDR KULTUR: Wie habt ihr die Heavy-Szene im Osten erlebt?
Christian Sorge: Wie jede Musikerszene: man wichst übereinander [lästert, d. Red], man säuft zusammen, man respektiert sich und man verachtet sich. Es gab alles, die ganze Bandbreite. Wenn wir beispielsweise in der Langhansstraße in Berlin gespielt haben – das war unser Heavy-Club – da kamen dann auch die Musiker, die gerade keine Mugge hatten. Und hinterher haben wir im Büro gefeiert.
Wir haben ja manchmal auf Minifestivals zusammen gespielt, mit Pharao oder mit Cobra oder MCB. Und mit Babylon – die haben wir aber nicht respektiert. Die waren älter und das waren so brave Hardrocker.
Tommy Silbersack: Formel 1 haben mir auch nie gefallen, der Schlagersänger mit Ketten, alles unerträglich.
CS: Ich hab den Klampfer mal kennengelernt, der war nett.
TS: Na klar sind das nette Typen. Aber damals waren das für uns Opas.
CS: Die waren Opas, die waren schon über 30! [beide lachen]
Gab es einen Ostmetal-Sound?!
CS: Nein! Der war eigentlich international angepasst, der war so wie überall. Und mit unterschiedlicher Qualität natürlich.
Welche Metal-Bands haben euch damals inspiriert? Waren das westdeutsche Bands? Bands aus dem Osten? US-Bands?
TS: Ausschließlich aus dem Westen, also USA.
CS: Und Gruppe Keks!
TS: Ja, na gut, von hier waren natürlich auch ein paar cool. Keks – so wie Sebastian Bauer, heute Knorkator.
CS: Bis heute mein DDR-Idol!
TS: Na selbstverständlich! Das ist wieder das Typische, egal, welche Musikrichtung, wenn dahinter ein cooler Typ ist – ich sage immer "'ne Hackfresse" – dann funktioniert das. Da ist vollkommen egal, was die machen.
CS: Egal, ob das Basti Bauer oder Lemmy von Motörhead ist!
TS: Ja, das ist immer das Wichtigste, dass es nicht so glatt ist. Und dass die Leute was damit bezwecken und versuchen anzuecken und Verhältnisse in Frage zu stellen.
Hattet ihr eine musikalische Erweckungsmusik?
TS: Meine musikalische Erweckung war ganz eindeutig "Nevermind the Bollocks" von den Sex Pistols. Für ein Lehrlingsmonatsgehalt – schwarz natürlich – gekauft. Das hab ich heute noch. Ich habe zu dieser Zeit alles Mögliche gehört: Deep Purple, Led Zeppelin, das war alles nett. Und auf einmal hatte ich diese Pistols-Platte gekauft, legte die drauf und dachte, ich sterbe. Da fing ich an, mich für Musik zu interessieren. Das war der Hammer!
CS: Bei mir waren es zum Beispiel nicht die Pistols als erstes, sondern die Ramones. Das war bei mir wie eine Explosion im Kopf. Ramones, Motörhead – Musik, die aggressiv und schnell war. Das war mir wichtig. Nicht die politische Haltung. Ich mochte Politik noch nie.
Und warum seid ihr nicht Punks geworden?
TS: Weil meine Umgebung kein Punk war. Meine Umgebung war Lemmy [Spitzname des Sängers von Feuerstein] und wir haben eben früher die typischen Sachen gehört: Lindenberg, Deep Purple, Led Zeppelin. Und richtig los mit Metal ging es dann mit Accept "Fast as a Shark".
CS: Ich war auch ein ganz großer Motörhead-Fan, immer schon, vom ersten Moment an. Und die haben auch die beiden Szenen zusammen gehabt. Als die 76/77 herum angefangen haben, war ein Teil ihres Publikums Punks. Und Punks waren ja auch 76/77 herum andere, als zehn Jahre später. Das hatte ja einen anderen Hintergrund. Ich sag mal so: Punk hatte nachher, moralisch gesehen, einen asozialen Ansatz. Das war das, was mir beim Punk immer ein bisschen ambitionsfrei war. Ich kannte doch auch die, die auf dem Markt gesessen haben und Bier getrunken haben. Das war mir zu ambitionslos. Ich mochte am Punk einfach nur das Neue, das Energetische und nicht das Streberhafte.
Welche Erfahrungen habt ihr in der DDR mit euren Texten gehabt?
CS: Schweinische Sachen bekam man immer durch. Saufen und ficken war okay. Bei der "Teufelsbraut ging es beispielsweise darum, dass man in der Gaststätte eine Person kennenlernt, mit der auch gleich relativ intim wird – und am nächsten Morgen ist sie weg und hat dich auch noch beklaut.
TS: Und so was ging problemlos durch.
Und mit welchen Texten gab es Probleme?
CS: Probleme gab es, wenn es in irgendeiner Weise gesellschaftskritisch war. Ich hatte mal eine Zeile, wo eine Stelle drin war "Leben kannst du nur einmal, es gibt kein Zurück. Denn jeder Tag kann schon der letzte sein." Und dann ungefähr so weiter wie "Lass es uns machen!"
"Das klinge aber negativ", sagte Luise Mirsch [Feuersteins damalige Musikproduzentin]. Ich sage "Na überhaupt nicht! Das ist eine Aufforderung, es jetzt zu tun. Man kann ja morgen aus Versehen unter den Bus kommen – und mehr habe ich mir doch dabei gar nicht gedacht." Sie fing dann an, das wäre "pessimistisch" und "lebensverneinend". Über so eine Scheiße musste man sich damals …
TS: Genau, die ostdeutsche Jugend, die war ja grundsätzlich optimistisch.
CS: Ja, die war optimistisch und "Kampfreserve der Partei" … (beide lachen)
TS: … und da kann man nicht denken, dass morgen vielleicht der letzte Tag ist!
Welchen Bezug habt ihr heute zu Heavy Metal?
CS: Wenn ich ehrlich bin, mich interessiert das eigentlich kaum. Diese neue Musik, gerade die Skandinavier legen da eine ganz hohe Latte. Das ist musikalisch ziemlich stark, ziemlich vielschichtig, mit klassischen Einflüssen, mit Gothic-Einflüssen und mit Folk-Einflüssen. Mit Opernsängerinnen vorneweg und was auch immer alles. Das ist nicht meine Musik. Ich bewundere es zum Teil.
Wenn ich harten Heavy Metal höre, dann lege ich mir Slayer auf. Wenn ich Spaß haben will, höre ich Kiss oder sowas.
TS: Sprich, da sind wir eigentlich wieder bei unseren Jugendheroes. Und bei aktuellen Produktionen, da habe ich auch überhaupt keinen Zugang. Sprich: Wir sind Oldschool!
CS: Ja, wir sind wirklich von vorgestern! Und das sind wir auch gerne!
Das Gespräch hat Olaf Parusel für MDR KULTUR geführt.
Die Band Feuerstein
1984 in Halle gegründet, machte sich die Band gleich erfolgreich einen Namen in der Hard'n'Heavy-Szene der DDR. Sie nahmen mehrere Songs für den DDR-Rundfunk auf und erhielte so auch mediale Präsenz. Vor allem ihr Titel "Teufelsbraut" sorgte für Aufmerksamkeit. Sänger Sven Büttner hatte unter anderem durch seinen markanten Bart eine auffällige optische Ähnlichkeit mit der Heavy-Ikone Lemmy Kilmister von Motörhead und auch stimmlich überzeugte er die Fans mit seiner rauen Stimme. 1989 löste sich die Band auf.
Der ehemalige Gitarrist, Christian Sorge, ist auch heute noch als Musiker aktiv, aktuell u.a. in der Rolling-Stones-Coverband Starfucker mit Mike Kilian (Ex-Rockhaus). Schlagzeuger Tommy Silbersack betreibt in Halle ein Geschäft für Musikinstrumente.