Im Hintergrund: eine Laptoptastatur, dunkler Laptop. Im Vordergrund: 2 Hände. Rechte Hand hält ein Smartphone mit schwarzem Bildschirm, linke Hand hält 4 Fünzig-Euro-Scheine und 4 Zwanzig-Euro-Scheine
Wer keinen Internetzugang hat, kann auch nicht schnell mal an jedem Ort zu jeder Zeit ohne Hilfe von Dritten der Geldinstituthotline seinen Kontostand checken. Bildrechte: Colourbox.de

Bargeld und digitales Bezahlen Verena Bentele vom VdK: "Alle Menschen sollen mit dem Zahlungsmittel zahlen, das für sie passt "

05. November 2024, 17:48 Uhr

Alles wird digitaler, auch Bezahlvorgänge. Eine Studie der Bundesbank ergab in diesem Sommer: Bankkarte und Smartphone ersetzen in Deutschland immer öfter das Bargeld. Verena Bentele vom Sozialverband VdK erklärt im Interview, warum es Bargeld aber immer als Bezahlmethode geben sollte.

Für welche Bevölkerungsgruppen ist es besonders wichtig, dass es auch Bargeld als Zahlungsmittel gibt?

Für Menschen ohne Bankkonto, die es in Deutschland immer noch gibt. Dann für die, die ein Bankkonto haben, aber keine Online-Möglichkeiten, um auf ihr Konto zu schauen, weil sie kein Handy oder keinen Computer benutzen. Für diese Menschen ist es einfach sehr schwer, den Überblick zu behalten über: Wie viel Geld habe ich eigentlich noch im Monat zur Verfügung? Was kann ich mir leisten? Wenn Menschen den Überblick verlieren, kann das auch schnell dazu führen, dass sie sich verschulden. Das betrifft vor allem ältere Menschen ohne digitalen Zugang.

Es betrifft aber auch Menschen, die vielleicht Lernschwierigkeiten haben und denen es leichter fällt, mit physischem Geld im Geldbeutel umzugehen als mit einem Konto, auf das sie entweder digital keinen Zugriff haben, oder auf das sie selten schauen. Daneben gibt es auch Menschen, die keine Möglichkeiten haben, ein Konto zu eröffnen, weil sie keinen Wohnsitz haben. Es sind also ganz unterschiedliche Gruppen, für die Bargeld immer noch eine hohe Bedeutung hat.

Wieso ist die Kontrolle über die Finanzen mit digitalen Zahlungsmethoden für viele schwieriger?

Menschen können mit einer Geldkarte zwar sehr schnell bezahlen. Wenn sie jedoch nicht digital angebunden sind, haben sie nicht zu jedem Zeitpunkt an jedem Ort einen Überblick darüber, wie viel Geld sie noch auf dem Konto zur Verfügung haben. Es macht einen Unterschied, wenn ich weiß, über wie viel Geld ich bis zum Monatsende noch verfüge. Wenn ich genau weiß, was noch übrig ist, kann ich besser planen, was ich wirklich brauche und wofür ich das Geld ausgeben muss. Wenn das Geld im Geldbeutel ist, kann es unter Umständen einfacher sein, das einzuschätzen und auf noch bevorstehende Wocheneinkäufe aufzuteilen.

Verena Bentele, Präsidentin vom VdK, spricht beim 19. Ordentlichen Bundesverbandstag des Sozialverband VdK.
Verena Bentele ist die Präsidentin des Sozialverbandes VdK. Bildrechte: picture alliance/dpa | Christophe Gateau

Wie kann verhindert werden, dass Bevölkerungsgruppen allgemein vom Zahlungsverkehr ausgeschlossen werden?

Für uns im VdK ist es wichtig, dass alle Menschen in Deutschland die gleichen Möglichkeiten haben. Also einzukaufen, was sie brauchen, wie zum Beispiel Lebensmittel, Kleidung, dass sie ihre Miete bezahlen können – und das in der Form, die für alle gut ist. Es gibt Menschen, für die ist Kartenzahlung viel einfacher als Bargeld. Aber es gibt eben auch Personengruppen, die keine digitalen Möglichkeiten haben, auf ein Konto zuzugreifen. Für die ist der Umgang mit Bargeld viel einfacher. Wir als größter Sozialverband fordern, dass alle Menschen mit dem Zahlungsmittel zahlen, das für sie passt – sei es Bargeld, mit Karte oder mit anderen technischen Zahlungsmitteln.

Was würde geschehen, wenn man vieles im Alltag, wie Tickets für die Straßenbahn oder Gebühren beim Bürgeramt, nur noch bargeldlos bezahlen könnte?

Eine große Herausforderung ist, wenn Personen mit Lernschwierigkeiten, über kein Konto, bzw. über keine Karte zum Bezahlen oder eine App verfügen. Dann wären sie von der Mobilität ausgeschlossen, wenn man ein Ticket nur noch mit Karte bezahlen kann oder mit einer App und nicht mehr bar.

Dafür muss es vielfältige Zahlungsmöglichkeiten geben, damit Eltern ihren Kindern spontan und problemlos Geld für eine Fahrkarte mitgeben können, ohne dass die Eltern zwingend ein Konto zum Bezahlen des Tickets eröffnen müssen. Das gilt auch für ältere Menschen, die den digitalen Möglichkeiten noch nicht so offen gegenüberstehen und damit nicht umgehen können, weil sie keine Digitalkompetenzen haben. Für all jene muss es auch Bezahlmöglichkeiten mit Bargeld geben.

Digitale Zahlungen bieten doch aber auch mehr Transparenz im Zahlungsverkehr?

Uns im VdK ist wichtig, dass Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und Möglichkeiten, Schwarzgeld zu nutzen, vom Staat bekämpft werden. Nicht nur Einkommen soll versteuert werden, sondern beispielsweise auch Gewinne von Immobilienverkäufen. Da braucht es eine staatliche Kontrolle und eine Möglichkeit, auf die Steuereinnahmen zuzugreifen, die wir brauchen, damit die Infrastruktur finanziert wird.

Was aber auch ganz wichtig ist: Bargeld ist für viele Menschen eine wichtige und wesentliche Möglichkeit, ihren Alltag zu bestreiten. Da darf es nicht so weit kommen, dass Menschen keine Möglichkeit mehr haben, an Bargeld heranzukommen und ihr Brot auch mal mit einem Geldschein oder Münzen zu bezahlen. Da muss ein Mittelweg gefunden werden, dass Zahlungsströme auf der einen Seite belegt werden können, aber Bargeld im Alltag nicht verschwindet.

Was wünschen Sie sich von der Politik mit Hinblick auf Finanzkompetenzen im Alltag?

Ich wünsche mir, dass wir in Deutschland digitale Kompetenzen noch mehr in Schulen vermitteln. Dass Kinder und Jugendliche mehr darüber lernen. Wie gehe ich eigentlich mit digitalen Zahlungswegen um? Wie gehe ich aber auch mit Geld generell um? Wie teile ich mir mein Taschengeld ein, wie viel habe ich und wie viel kann ich ausgeben?

Wichtig bleibt: Solange es in Deutschland Menschen gibt, die keine digitale Anbindung haben, die über keinen Internetanschluss verfügen, muss weiterhin für diese Personengruppen Bargeld zur Verfügung stehen. Sonst können sich diese Menschen, keine Lebensmittel mehr kaufen, können nicht öffentliche Verkehrsmittel nutzen und werden noch von vielen weiteren Dingen abgehängt. 

Solange es in Deutschland Menschen gibt, die keine digitale Anbindung haben, die über keinen Internetanschluss verfügen, muss weiterhin für diese Personengruppen Bargeld zur Verfügung stehen.

Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes VdK

MDR (cbr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 05. November 2024 | 20:15 Uhr

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