Theater Chemnitz: Ein historisches Gebäude in Abendstimmung ist mit Regenbogenfarben beleuchtet.
Das Theater Chemnitz am internationalen Tag gegen Homo-, Inter- und Transphobie Bildrechte: IMAGO / HärtelPRESS

Europa- und Kommunalwahl Wahlerfolg der AfD: Das befürchten Kulturschaffende

11. Juni 2024, 17:37 Uhr

Was bedeutet der Wahlerfolg der AfD für die Kulturpolitik in Mitteldeutschland? Das beschäftigt Kulturschaffende in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. In allen drei Ländern hat die Partei bei der Europawahl die meisten Stimmen erzielt. Und auch bei den Kommunalwahlen in Sachsen und Sachsen-Anhalt wurde die AfD in den meisten Wahlkreisen stärkste Kraft. Vertreter der Kulturschaffenden aller drei Länder sprechen darüber, was sich jetzt verändern könnte.

Kulturschaffende befürchten, dass sich der Wahlerfolg der AfD negativ auf die Kulturpolitik auswirken könnte. Das hatte Olaf Zimmermann vom Deutschen Kulturrat MDR KULTUR schon Anfang des Jahres gesagt: "Ich habe das erste Mal richtig Angst vor demokratischen Wahlen", sagte er damals.

Zimmermann hatte sich wegen der hohen Umfragewerte der AfD für die anstehenden Wahlen in Mitteldeutschland gesorgt. Begründet hatte er dies mit Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern, in denen rechtspopulistische Parteien an die Macht kamen. "Der Kulturbereich ist der erste Bereich, der richtig bedrängt wird und wo gesagt wird: Da müssen wir sofort aufräumen."

AfD bekommt in Mitteldeutschland die meisten Stimmen bei der Europawahl

Nun war es soweit: In Mitteldeutschland hatte die AfD bei den Wahlen am Sonntag Erfolg fast auf ganzer Linie. Knapp ein Drittel der Stimmen sammelte die AfD bei der Europawahl in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ein und war damit in allen drei Bundesländern die Partei mit den meisten Stimmen.

Auch bei den Kommunalwahlen in Sachsen und Sachsen-Anhalt lag die Partei in den meisten Wahlkreisen vorn. MDR KULTUR hat mit Kulturschaffenden über die Stimmung vor Ort gesprochen.

Ein Mann im Anzug mit Brille vor einem grauen Hintergrund 1 min
Philipp Schmidt vom Netzwerk Freie Kultur Magdeburg Bildrechte: Rayk Weber

"Das hohe Wahlergebnis der AfD erschüttert uns in der freien Kulturszene, weil man auch gehofft hat, dass die ganzen Skandale die AfD entzaubern", sagt Philipp Schmidt, Geschäftsführer des Netzwerks freie Kultur Magdeburg. Er betont, dass in der freien Kulturszene in Magdeburg keine Einrichtung ihre Programme anpassen würde, um weniger bei der AfD anzuecken – Sympathien zu "Völkischem und Deutschtümelei" gäbe es in der Szene nicht.

Das hohe Wahlergebnis der AfD erschüttert uns in der freien Kulturszene.

Philipp Schmidt, Netzwerk freie Kultur Magdeburg

Kultur trotzdem voranbringen

Im Magdeburger Stadtrat ist die AfD nach der Kommunalwahl mit 22,8 Prozent zweitstärkste Kraft, zuvor waren es 14,4 Prozent. In Sachsen-Anhalt wird die AfD vom Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft. In Anbetracht dessen ist Schmidt besorgt um die zukünftige Entwicklung der Magdeburger Kulturlandschaft.

Zum Anschieben größerer Kulturprojekte brauche es eine Mehrheit im Stadtrat – "und das wird jetzt schwieriger, aber nicht unmöglich", vermutet der Geschäftsführer. "Mit guten Argumenten, guten Kostenfinanzierungsplänen und guten Visionen kann man auch konservative und linksliberale Parteien zusammenbringen und gegen die AfD etwas durchsetzen. Daran glaube ich", so Philipp Schmidt weiter.

ein Mann mit Glatze und Brille lächelt vor weißem Hintergrund in die Kamera 1 min
Torsten Tannenbaum ist Sprecher der IG Landeskulturverbände Sachsen. Bildrechte: Torsten Tannenberg
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Wenig überrascht vom Europawahlergebnis war Torsten Tannenberg, Sprecher der Interessengemeinschaft Landeskulturverbände Sachsen. "Dass es aber bei den Kommunalwahlen so durchgeschlagen hat, dass Stadträte jetzt teilweise so viele AfD-Abgeordnete haben, das trifft uns schon", erklärt Tannenberg.

"Gerade wenn ich nach Dresden oder Leipzig gucke, mit einer reichen Kulturszene, mit einer super Stadtpolitik. Da haben doch ganz viele Dinge funktioniert und ich verstehe gar nicht, was die Leute da jetzt zu einer Protestwahl geführt hat."

Wahlergebnis bringt kulturpolitische Ungewissheit

Bei der sächsischen Kommunalwahl hat die AfD in fast allen Wahlkreisen die meisten Stimmen erzielt. Auch in Sachsen gilt die Partei als "gesichert rechtsextremistisch". Dabei fürchte Tannenberg aber nicht die kulturpolitischen Inhalte des AfD-Parteiprogramms, sondern vielmehr die Ungewissheit, die mit der AfD in die Gemeinde- und Stadträte einziehe.

Mir nützt kein Stadtrat, der immer zu allem 'nein' sagt, aber nichts Inhaltliches zur Diskussion beiträgt.

Torsten Tannenberg, IG Landeskulturverbände Sachsen

"Ich habe die Kollegen aus der AfD-Fraktion hier in Dresden zum Beispiel nie wahrgenommen, auch nicht kulturpolitisch", erinnert sich Tannenberg an seine Zeit als Kulturbeirat im Dresdner Stadtrat. "Die sitzen dann immer da und sagen gar nichts zu irgendwas. Und das beunruhigt mich schon, weil wir natürlich inhaltlich arbeiten wollen und mir kein Stadtrat nützt, der immer zu allem 'nein' sagt, aber nichts Inhaltliches zur Diskussion beiträgt", so Tannenberg weiter.

Jürg Kasper im Porträt 1 min
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Was bedeutet der Wahlerfolg der AfD für die Kulturpolitik in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen? Jürg Kasper vom Kulturrat Thüringen spricht darüber, was sich jetzt verändern könnte.

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Auch in Thüringen stuft der Verfassungsschutz die AfD als "gesichert rechtsextremistisch" ein. Und auch dort erzielte die AfD am Sonntag die meisten Europawahlstimmen. Für Jürg Kasper, Präsident des Kulturrat Thüringen, ist damit genau das eingetreten "was die Umfragen seit Monaten sagen und wie eine Wand vor uns steht."

Kultur für mehr Weltoffenheit

Bis zur anstehenden Landtagswahl wolle der Kulturrat aber nicht Ergebnisse besprechen und beklagen, sondern "eher für etwas eintreten", erklärt Kasper. "Wir wollen für Weltoffenheit eintreten, für unsere Künstlerinnen und Künstler, für unsere Akteure, anstatt immer die Gegenposition einzunehmen", so der Thüringer Kulturrats-Präsident. Dafür seien verschiedene Aktionen der Mitgliedsverbände geplant – Details sind jedoch noch nicht bekannt.

Wir wollen für Weltoffenheit eintreten, für unsere Künstlerinnen und Künstler, für unsere Akteure, anstatt immer die Gegenposition einzunehmen.

Jürg Kasper, Kulturrat Thüringen

Neben Thüringen steht auch in Sachsen im September die Landtagswahl an. Für beide Länder sehen Umfragen die AfD auch hier auf Platz eins.

Quellen: Philipp Schmidt, Torsten Tannenberg, Jürg Kasper

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Kultur Kompakt | 11. Juni 2024 | 10:30 Uhr

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