"Kulturarbeit in politisch unsicheren Zeiten" Handreichung soll Kulturschaffende gegen rechte Angriffe wappnen
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06. Juni 2024, 04:00 Uhr
Eine neue Broschüre zeigt Einschüchterungsversuche, Verunglimpfungen und Bedrohungen von rechter Seite gegen Kunst- und Kulturschaffende in Sachsen. Das Monitoring wurde vom Chemnitzer Verein ASA-FF herausgebracht und bietet Betroffenen Handlungsoptionen an. Da in Sachsen Wahljahr ist, gibt es angesichts aktueller Prognosen Sorgen, dass sich die Mehrheitsverhältnisse in Kommunen und Landtag nach rechts verschieben – und sich das auf die Arbeit von Kulturschaffenden auswirken könnte.
- Mit Bedrohungen unterschiedlicher Art schüren rechte Kräfte Ängste unter Kulturschaffenden.
- Eine Gefahr sind auch Diskurse von konservativen Parteien, zum Beispiel zum Gendern.
- Die Handreichung ist ein Monitoring und soll beraten und unterstützen.
Einschüchterungsversuche, Verunglimpfungen und Bedrohungen gehören für viele Kunst- und Kulturschaffende in Sachsen zum Alltag. Das ist das Fazit der Handreichung "Kulturarbeit in politisch unsicheren Zeiten". Die Publikation wurde vom Verein ASA-FF in Auftrag gegeben und herausgebracht und versammelt viele Beispiele solcher Angriffe von rechts.
So ist der Zwickauer Kunstverein "Freunde aktueller Kunst" in den letzten Jahren immer wieder ins Visier rechter Gruppierungen geraten. 2021 gipfelten die Bedrohungen darin, dass sich Rechtsradikale vor der Galerie versammelten, lautstark Parolen brüllten und Gäste einer Vernissage fotografierten. Einschüchtern lassen hat man sich dort allerdings nicht, aktuell bezieht das Museum wieder Stellung mit der Ausstellung "Demokratie. Wählen! Nicht Schießen!".
Attacken von rechts provozieren vorauseilenden Gehorsam
Der Kulturkampf von rechts äußert sich nicht nur in konkreten Bedrohungen. Allein schon mit der Flut an kleinen und großen Anfragen im Landtag oder auch in den Stadträten wird versucht, Druck auf Kunst- und Kulturschaffende auszuüben, etwa durch Pro Chemnitz, die auf diese Weise immer wieder das Kulturhauptstadt-Projekt attackieren. Petra Schickert vom Kulturbüro Sachsen, die Autorin der Handreichung, beobachtet und dokumentiert gemeinsam mit anderen Kolleginnen seit Jahren, wie der Einfluss rechter Kreise in diversen gesellschaftlichen Bereichen wächst.
Sie berichtet, dass der Beratungsbedarf, wie man damit umgeht, von Kulturschaffenden zugenommen habe. Sie beobachte auch an Stellen vorauseilenden Gehorsam, dass Menschen sich schon selbst beschränkten in dem, was sie nach außen brächten. Mit den anstehenden Wahlen sei vielen bewusst geworden, dass unsere Art zu leben und eine offene Gesellschaft zu sein, zur Debatte stehe – und das sei in der Kunst auch sehr deutlich angekommen.
Kulturbüro Sachsen e.V. Das Kulturbüro Sachsen e.V. setzt sich für eine aktive demokratische Zivilgesellschaft ein und berät seit 2001 u.a. Vereine, Jugendinitiativen, Firmen, Kommunalpolitik und -verwaltung, um Hilfe zur Selbsthilfe zu ermöglichen.
Extrem Rechte befeuern Debatten über das Gendern
Eine Gefahr sieht Petra Schickert u.a. darin, dass konservative Parteien Diskurse reproduzieren, die die extreme Rechte befeuert, wie zum Beispiel die Genderdebatte. Seit der Stadtrat in Zwickau ein Genderverbot eingeführt hat, werde am Theater Zwickau weiterhin gegendert. Dennoch verfängt diese Strategie der Verunsicherung, wie Gabi Reinhardt, freie Theaterpädagogin in Chemnitz und Umgebung, berichtet: Angst ist die Antwort auf solche Drohgebärden. Sie sei nicht konkret, sondern diffus. Obwohl ihre Haltung ungebrochen sei, suche sie sich die Räume für ihre Arbeit lieber genau aus, den digitalen Raum zum Beispiel meide sie.
Die Broschüre als Handreichung und Unterstützung für Kulturarbeit
Entstanden ist dieses Monitoring der Kulturszene im Auftrag des Chemnitzer Vereins ASA-FF, der ebenfalls immer wieder Ziel rechter Angriffe geworden ist. Er berät und unterstützt andere Kulturinstitutionen und -vereine dabei, sich inhaltlich in ihrer Arbeit nicht einschränken zu lassen und weiter Haltung zu zeigen. Das war auch Anlass für die aktuelle Broschüre "Kulturarbeit in politisch unsicheren Zeiten – Situationsanalyse und Handlungsmöglichkeiten", betont Frauke Wetzel von ASA-FF. Sie sei auch als Handreichung, als Handlungsoption gedacht: Was passiert, weswegen müssen wir handeln und an wen wenden wir uns?
Der Fokus bei den Beispielen liegt auf Chemnitz und Umgebung, Zwickau, dem Vogtland und dem Erzgebirge, weil dort die Möglichkeiten von Solidarisierung und Vernetzung geringer sind als in Großstädten. Aber es verbindet sich damit die Hoffnung, dass auch Kulturschaffende in ganz Sachsen und darüber hinaus in ihrem demokratischen Engagement bestärkt werden.
Mehr Informationen:
"Kulturarbeit in politisch unsicheren Zeiten – Situationsanalyse und Handlungsmöglichkeiten"
Broschüre, veröffentlicht am 29. Mai 2024
Autorinnen/Autoren: ASA-FF e.V.
Quelle: MDR KULTUR (Grit Krause)
Redaktionelle Bearbeitung: jb
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 06. Juni 2024 | 06:15 Uhr