Teasergrafik Duales Mediensystem: eine goldene Statue wird umschwirrt mit Mediensymbolen und Paragraphen-Zeichen
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Zwischen Freiheit und Regierungsfernsehen Das duale Rundfunksystem in Deutschland

04. Juli 2024, 18:28 Uhr

Das Verfassungsgericht hat sie immer wieder hervorgehoben: die besondere Verantwortung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für die Meinungsbildung und die Demokratie. Aber warum wird diese Rolle in Deutschland so stark betont und wie kam es eigentlich zu einem dualen Rundfunksystem? Antworten lassen sich in der Zeit nach der NS-Diktatur finden.

Diktatur und Gleichschaltung: Nach dem Zweiten Weltkrieg lagen nicht nur Deutschlands Städte, sondern auch Deutschlands Medienlandschaft in Trümmern. Denn unter dem nationalsozialistischen Regime war der Medien- und Kulturbetrieb vom Propagandaministerium in seiner Vielfalt eingeschränkt und vereinheitlicht worden. Das duale Rundfunksystem, wie wir es heute kennen, entwickelte sich erst ab 1945 in verschiedenen Schritten. Grundlage dafür ist das im Grundgesetz festgelegte Recht auf Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2). Dort heißt es:

„Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“

Der Öffentlich-Rechtliche in Westdeutschland

Den Anstoß für die Entstehung der öffentlich-rechtlichen Sender gaben die Briten. Unter ihrer Verantwortung begann im Mai 1945 der Betrieb von Radio Hamburg. Als Nordwestdeutscher Rundfunk (NWDR) wurde der Sender im September 1945 zur Rundfunkanstalt für die gesamte britische Besatzungszone ausgeweitet. Der NWDR unterstand zunächst dem britischen Journalisten Hugh Greene. 1948 wurde er schließlich Deutschland überantwortet und als erste öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt lizensiert. Als erster Generaldirektor trat der SPD-Politiker Adolf Grimme an. Der NWDR sendete nun für Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen.

Stilisierte Grafik zur ARD-Reform mit dem ARD-Logo am Haken eines Krans und einem grafisch dargestellten Baugerüst mit einem Bauarbeiter sowie Geldscheinen im Bildhintergrund. mit Video
Was soll der Öffentlich-Rechtliche leisten? Was soll er kosten? Darüber wird derzeit viel diskutiert. Dass es Reformbedarf gibt, das ist weitgehend Konsens. Nicht nur in der Politik, auch in den Rundfunkanstalten selbst. Bildrechte: MDR | MEDIEN360G

Der Senderverbund ARD wurde schließlich 1950 ins Leben gerufen. Die nach und nach gegründeten Anstalten BR, HR, RB, SDR (Süddeutscher Rundfunk, heute SWR) und SWF (Südwestfunk, heute ebenfalls SWR) schlossen sich mit dem NWDR zusammen und trafen eine „Vereinbarung über die Errichtung einer Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland“. Das Kürzel ARD (Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland) kam allerdings erst 1954 hinzu.

Zensur im Osten

Im Osten Deutschlands verlief die Entwicklung, geprägt von der DDR, etwas anders. Das Radio und später auch das Fernsehen wurden der SED unterstellt. Rechtlich wurde der Rundfunk als Staatsorgan betrachtet. Frequenzen aus dem Westen wurden oft gestört. Die Berichterstattung sollte einerseits zur „Herausbildung des sozialistischen Bewusstseins“ dienen, andererseits aber auch unterhalten, informieren und bilden. (Selbst-)Zensur blieb dabei nicht aus. Nach der Wiedervereinigung wurde das Funkhaus Berlin (FU) gegründet und auf die Basis des Rundfunkstaatsvertrags gestellt. Es bildeten sich einzelne Landeswellen, bis die ARD 1991 schließlich um den Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB) und den MDR erweitert wurde.

Nach einigen Umstrukturierungen besteht die ARD heute aus neun Rundfunkanstalten und einem Auslandssender. Neben der Deutschen Welle (DW) gehören zur ARD-Familie auch der Bayerische Rundfunk (BR), der Hessische Rundfunk (hr), der Mitteldeutsche Rundfunk (mdr), der Norddeutsche Rundfunk (NDR), Radio Bremen (RB), der Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb), der Saarländische Rundfunk (SR), der Südwestrundfunk (SWR) und der Westdeutsche Rundfunk (WDR).

Das Zweite Deutsche Fernsehen

Als zweiter deutscher TV-Sender wurde 1961 das ZDF gegründet. Das Zweite Deutsche Fernsehen ging 1963 on Air. Ursprünglich hatte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) diesen zweiten TV-Sender als eine Art Regierungsfernsehen gründen wollen, denn die ARD war ihm zu kritisch. Durch das erste Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts wurde das jedoch verhindert. Es betonte die Staatsfreiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und erklärte das Fernsehen zum Teil der Kultur und damit zur Ländersache. Gemeinsam mit der ARD betreibt das ZDF seit 1993 auch das Deutschlandradio (Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Kultur und Deutschlandfunk Nova) sowie seit 1997 den Kinderkanal (KiKA).

Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Rundfunkurteilen die besondere Bedeutung des ÖRR für die Demokratie in Deutschland betont. Im Gegensatz zu privaten Sendern müssen die Öffentlich-Rechtlichen sich an diesen im Grundgesetz, in Rundfunkstaatsverträgen und Landesmedienverträgen festgelegten Auftrag halten. So sollen die ARD-Anstalten, das ZDF und das Deutschlandradio die Bevölkerung so umfassend und vielfältig informieren, dass jeder sich selbst eine Meinung zu politischen und gesellschaftlichen Fragen bilden und so am demokratischen Prozess teilnehmen kann. Dabei sollen auch benachteiligte und marginalisierte Gruppen eine Stimme bekommen.

Der Rundfunkbeitrag

Aus diesen Verpflichtungen ergibt sich auch die Rechtfertigung der Finanzierung über den Rundfunkbeitrag durch die Bevölkerung. Schon in der Weimarer Republik musste für die Nutzung eines Radios eine monatliche Gebühr gezahlt werden. Nach dem Kriegsende wurde diese Regelung weitergeführt und auf das Fernsehen ausgeweitet.

Das duale Rundfunksystem, das wir heute in Deutschland haben, entstand erst Anfang der 80er-Jahre. Wegen der neuen Technologien, Satellit und Kabel, standen weitere Verbreitungswege zur Verfügung. Das Bundesverfassungsgericht erklärt 1981 in einem weiteren Rundfunkurteil private Sender für zulässig. Auch die Zeitungsverlage wollten nun die Öffnung des TV-Marktes nutzen. So schlossen sich der Verband der Zeitungshäuser, einzelne Verlage wie Springer und der FAZ-Verlag mit einer Tochter der Deutschen Genossenschaftsbank (DG, stellvertretend für den verstorbenen Medienunternehmer Leo Kirch) zusammen und starteten 1984 den TV-Sender PKS. Ein Jahr später wurde daraus Sat.1.

Auch die Bertelsmann AG zog es auf den TV-Markt. Sie schloss sich mit der Firma Compagnie Luxembourgeoise de Télédiffusion zusammen und sendete ebenfalls ab 1984 einen deutschsprachigen Fernsehsender, zunächst allerdings aus Luxemburg. Das Programm trug den Namen RTL plus (Radio Television Luxembourg).

Die ProSiebenSat.1 Media SE und die RTL Group gehören heute zu den größten Betreibern von privatem Rundfunk in Europa. Zu ProsiebenSat.1 gehören neben den beiden namensgebenden Sendern in Deutschland u.a. auch Kabel1 und sixx. Zur Mediengruppe RTL zählen u.a. VOX, n-tv, Nitro, RTLII und SuperRTL. Die Programme werden über Werbung finanziert.

Ebenfalls in den 80er-Jahren wurde die Möglichkeit für ein Bürgerfernsehen geschaffen. Auf sogenannten Offenen Kanälen können Zuschauer seitdem eigene Sendungen verbreiten. Heute passiert das u.a. bei TMBZ oder NRWision. Für die Aufsicht des privaten Rundfunks und der Offenen Kanäle sind die jeweiligen Landesmedienanstalten zuständig. Sie sollen etwa dafür sorgen, dass Werbe- und Jugendschutzrichtlinien eingehalten werden.

Für die öffentlich-rechtlichen Angebote liegt diese Kontrollaufgabe bei den Rundfunk- und Verwaltungsräten der einzelnen ARD-Anstalten und beim ZDF-Fernseh- und Verwaltungsrat. Die Gremien sind mit Vertretern unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen besetzt, etwa aus Landesregierungen, Parteien, Kirchen, Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden sowie verschiedenen weiteren gesellschaftlich relevanten Gruppen.

Beim MDR sitzen im Rundfunkrat beispielsweise auch Vertreterinnen und Vertreter der Vereinigung der Opfer des Stalinismus, jüdischer Kultusgemeinden und aus Jugend- sowie Frauenverbänden. Sie sollen im Interesse der Allgemeinheit auf die Einhaltung des im Medienstaatsvertrag festgelegten Programmauftrag achten, Intendantinnen und Intendanten wählen und beraten.

Stilisierte Grafik: Mann mit Lupe. Im Hintergrund Personen an Konferenztischen.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird durch seine Gremien kontrolliert. So hat jede Rundfunkanstalt der ARD einen Rundfunkrat und einen Verwaltungsrat. Bildrechte: MDR | MEDIEN360G

Die Verwaltungsräte überwachen die Geschäftsführung und achten auf die sorgfältige Verwendung der Rundfunkbeiträge. Die zuständigen Landesrechnungshöfe, externe Wirtschaftsprüfer und die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) sind zudem für eine zusätzliche Kontrolle des wirtschaftlichen Bereichs zuständig.

Trotz dieser Kontrollmechanismen gibt es immer wieder Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Vor allem der Rundfunkbeitrag, der von Gegnern gern als „Zwangsgebühr“ bezeichnet wird, steht regelmäßig in den Schlagzeilen und in der Kritik. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Abgabe 2018 allerdings in weiten Teilen für rechtmäßig.

Aktuell muss jeder Haushalt in Deutschland pro Monat 18,36 Euro an den Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio (bis Ende 2012 die Gebühreneinzugszentrale, kurz GEZ) zahlen. Aus verschiedenen Gründen können Bürgerinnen und Bürger sich allerdings von dem Beitrag befreien lassen, etwa bei gesundheitlichen Einschränkungen oder wenn sie Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld II oder BAföG beziehen.

Kritiker sind außerdem der Ansicht, der Verwaltungsapparat sei zu umfangreich und zu teurer. Es gäbe außerdem eine starke Nähe zur Politik, zu wenig Transparenz bei der Kommunikation nach außen, eine zu hohe Konzentration auf Quoten bei der Programmplanung oder zu hohe Ausgaben für Sportrechte und Unterhaltungssendungen.

Rundfunk, Presse und Politik

Medien im Fokus

Ein Mann ist in drei Situationen abgebildet: in nachdenkender Pose, mit einem Tablet in der Hand, mit einer Kamera in der Hand. Im Hintergrund ist eine Fernsehregie zu sehen.
Reporter wie Olaf Nenninger arbeiten oft unter Zeitdruck, damit ein Nachrichtenbeitrag noch am selben Tag gesendet werden kann. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | Foto: Daniela Dufft
Eine Person hat ein Smartphone in den Händen. An den Handgelenken ist die Person mit einer Kette gefesselt.
Ob Bahnticket oder Arzt- und Behördentermin – ohne Smartphone und Internet geht fast nichts mehr. Wer sich dem verweigert, läuft Gefahr, abgehängt zu werden. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | Panthermedia
Ein Mann im Rollstuhl spricht in eine Kamera auf einem Stativ.
Aus dem digitalen Austausch mit Menschen, die ähnliche Erfahrungen mit einer Krankheit machen, können Betroffene Hoffnung und Mut schöpfen. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | Panthermedia

Sicher in der digitalen Welt

Ein Politiker steht vor Mikrofonen, lächelt in die Kamera und reckt beide Daumen nach oben. Das Foto hat mehrere digitale Bildfehler.
Eine überwältigende Mehrheit der Deutschen meint, Desinformation gefährde die Demokratie. Manche Experten halten die Angst vor Fake News für übertrieben. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | Panthermedia
Kinder arbeiten im Unterricht auf ihren Tablets.
Ab dem nächsten Schuljahr werden Schulkinder in Thüringen im neuen Fach Medienbildung und Informatik unterrichtet. Bildrechte: IMAGO / Funke Foto Services
Ein Mann und eine Frau posieren mit ihrem Säugling für ein Selfie.
Bevor Kinder fünf Jahre alt sind, sind bereits durchschnittlich 1500 Bilder von ihnen im Netz, so eine Studie. Und einmal online, haben die Eltern keine Kontrolle mehr darüber, wie die Bilder verwendet werden. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | Panthermedia
Zwei Kleinkinder sitzen nebeneinander und haben ein Smartphone und ein Tablet in der Hand.
Der Medienkonsum von Kindern kann mittels verschiedener Apps besser von den Eltern kontrolliert werden. Bildrechte: Panthermedia | MDR MEDIEN360G