Gezeichnete Illustration: Ein Parlament mit vielen Abgeordneten über deren Köpfen farbige Sprechblasen schweben.
Bildrechte: Sophie Mildner/MDR

Superwahljahr 2024 Zweifel am politischen System? Antworten aus der Wissenschaft!

19. August 2024, 09:44 Uhr

Menschen halten Schilder in die Luft, unter anderem mit dem Logo der Partei "Alternative für Deutschland". Im Hintergrund ist das Hammer und Sichel Wappen der DDR zu erkennen.
Bildrechte: Sophie Mildner/MDR

Warum wählen derzeit so viele Menschen rechtsextreme Parteien?

Welchen Einfluss hat die Erfahrung der DDR auf das politische Bewusstsein in Ostdeutschland? Damit beschäftigt sich der Görlitzer Sozialwissenschaftler Raj Kollmorgen. Er sagt, die heutige Politik verstehe die kulturellen Prägungen durch das autoritäre System der SED nicht, und könne daher oftmals nicht verstehen, wie die Menschen in dieser Region denken.

Der Elitenforscher Lars Vogel sieht ein Problem darin, dass Menschen aus Ostdeutschland kaum in den Eliten von Wirtschaft und Justiz vertreten sind. "Ostdeutsche sind lediglich zu 11,2 Prozent in Elitenpositionen vertreten. Bei einem Bevölkerungsanteil von 19 Prozent ist das deutlich unterrepräsentiert", sagt er im Interview mit MDR WISSEN.

Psychotherapeuten sehen in der Zunahme rechtsextremer Strömungen einen Mechanismus, der in Menschen häufig abläuft, wenn sie negative Gefühle und Eigenschaften von sich abspalten. Rechtsextreme Akteure machten sich diese Mechanismen zu Nutze.

Indem etablierte Parteien bestimmte Fehler regelmäßig wiederholen, verhelfen auch die den Rechtspopulisten zum Erfolg. So zeigen politikwissenschaftliche Studien klar: Wer die Themen und Parolen rechtsextremer Parteien übernimmt, macht sie dadurch salonfähig. Und am Ende entscheiden sich die Wähler dann in den allermeisten Fällen für das rechtsextreme Original.

Und natürlich spielt auch die AfD selbst eine Rolle, die eine einfache, klare Position erzählt, die zu allen Themen in allen Regionen Deutschlands passt: anti-klimapolitische Untergangsnarrative, die den Eindruck einer "deutschlandfeindlichen Politik der Deindustrialisierung" verbreiten sollen.

Gezeichnete Grafik: Zu sehen sind zwei Stehtische mit Sonnenschirmen darüber. An einem Tisch stehen vier Frauen, an dem anderen drei Männer. Ganz rechts im Bild unterhalten sich ein Mann und eine Frau.
Bildrechte: Sophie Mildner/MDR

Welche Gruppen sind kritisch gegenüber Rechtspopulisten?

Nachdem das Recherchenetzwerk Correctiv Anfang Januar enthüllte, dass sich Vertreter der AfD mit Vertretern der rechtsextremen identitären Bewegung getroffen und die Deportation deutscher Staatsbürger geplant hatten, kam es deutschlandweit zu Protesten gegen die Partei. Haben diese Demonstrationen etwas bewirkt? Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, Demonstrationen haben durchaus Einfluss auf Wahlergebnisse.

Junge Männer und junge Frauen sind tendenziell auch unterschiedlicher Meinung, was die Attraktivität der AfD angeht. Die Frauen neigen demnach häufiger linken Parteien zu. Allerdings: Wenn sich rechtspopulistische oder rechtsextreme Parteien einmal etabliert und normalisiert haben, kann sich das wieder verändern, sagt der Soziologe Ansgar Hude.

Jugendliche wiederum sind von ihren Werten zwar mehrheitlich klar gegen Diskriminierung und für die Inklusion von Minderheiten in die Gesellschaft, zeigt die aktuelle SINUS-Jugendstudie. Doch ihr Wahlverhalten schwankt noch und gar nicht so wenige haben während der Europawahl ihr Kreuz bei der AfD gemacht. Warum ist das so?

Illustration: Menschen tragen ein übergroßes, gelbes Paragraphen-Symbol.
Bildrechte: Sophie Mildner/MDR

Wo ist die Demokratie noch stark und was schätzen die Menschen an ihr?

81 Prozent der Deutschen schätzen das Grundgesetz und vertrauen ihrer Verfassung. Das ist das Ergebnis einer Studie des MIDEM-Instituts an der TU Dresden. Nur eine kleine Minderheit von sechs Prozent glaubt, das Grundgesetz habe sich nicht bewährt. Zwar ist die Zustimmung zum Grundgesetz im Osten geringer als im Westen. Andererseits wächst diese Zustimmung, je länger Menschen unter dem Gesetz leben, sagt der Studienleiter Hans Vorländer.

Politiker brechen regelmäßig die Versprechen, die sie im Wahlkampf gegeben haben – das glaubt jedenfalls eine Mehrheit der Wähler. Doch wenn Forscher genau hinsehen, dann halten die allermeisten Regierungen, was sie im Wahlkampf versprochen und in den Koalitionsverträgen vereinbart haben. Dass das dennoch bei vielen Menschen nicht ankommt, schreiben Wissenschaftler einem Missverständnis zu.

Drei Personen mit Sprechblasen. Die Sprechblase der linken Person ist rot, hat einen gezackten Rand und enthält einen Pfeil nach rechts, der dem AfD Logo ähnelt. Diese Sprechblase kollidiert scheinbar mit der Sprechblase der mittleren Position. Die Person  ganz rechts blickt in die andere Richtung.
Bildrechte: Sophie Mildner/MDR

Was passiert, wenn rechtsextreme Parteien jetzt an die Macht kommen?

Was die AfD in einer Landesregierung in Sachsen und Thüringen in ihrem Sinn verändern kann, haben die Kollegen von Exactly recherchiert.

Weltweit zeigt sich: Autokratische Systeme beschränken zum Beispiel die Meinungsfreiheit und verhindern, dass Menschen sich frei und öffentlich über Politik austauschen können. Oft werden politische Gegner auch verfolgt und inhaftiert.

Ist das Bündnis Sahra Wagenknecht eine ernstzunehmende Alternative zur AfD? Potsdamer Forscher haben das Programm der neuen Partei untersucht und kommen zum Ergebnis: Auch das BSW setzt die Themen so, dass sie vor allem Wähler mobilisieren. Ob die Politik in einer Regierung dann auch umsetzbar ist, ist eine ganz andere Frage.

Illustration: Eine Lupe die einen Umriss der Landkarte des Bundeslandes Sachsen zeigt. Das Land erscheint in verschiedenen Rottönen gefleckt.
Bildrechte: Sophie Mildner/MDR

Wie kann sich die Demokratie schützen?

Neue KI-Algorithmen schaffen derzeit noch schnellere Produktionsmöglichkeiten, etwa für Videos. Expertinnen und Experten erwarten, dass sich das auch rechte Propagandisten zu Nutze machen und das Internet mit Falschnachrichten und Hetze fluten werden. Sie fordern, solche KI-Angebote streng zu regulieren.

Politische Bildung, gerade auf dem Land, ist ebenfalls eine wichtige Vorbeugung gegen die Versuchung durch den Extremismus. Wie diese Bildung auf dem sächsischen Land gelingen kann, hat diese Studie der TU Dresden untersucht.

Die Demokratie kann Bürgern mehr Teilhabe an Entscheidungen ermöglichen. Mehr Mitbestimmung und mehr Einbeziehung verbessern die Zustimmung zu demokratischen Verfahren. Dafür brauchen die Menschen aber das Gefühl, politisch wirksam sein zu können.

Hassrede braucht viele Gegenstimmen und Solidarität ist auch online ein wichtiges Mittel, um sich gegen Täter zu schützen, die den freien Austausch zwischen Menschen angreifen wollen.

404 Not Found

Not Found

The requested URL /api/v1/talk/includes/html/4db5a74c-c314-45cc-b9d1-7c18169d653f was not found on this server.

Die bisherigen Wahlen