Die Großen Fragen in 10 Minuten Warum ist Sprache entstanden? Und warum gerade beim Menschen?
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04. September 2024, 16:18 Uhr
So etwas Komplexes wie die Sprache gibt es scheinbar nur beim Menschen. Aber warum war gerade der Mensch dazu in der Lage, Sprache zu entwickeln? Der MDR WISSEN Podcast "Die Großen Fragen in 10 Minuten" geht dieser Frage nach.
Sprache ist ein einzigartiges Tool der Kommunikation und des sozialen Austauschs – und nur der Mensch scheint ein solch komplexes Verhalten erlernt zu haben. Kein Zwitschern, kein Grunzen, kein Bellen und kein Gebrüll kommt an diese Art des komplexen Informationsaustausches heran.
Warum haben nicht andere Lebewesen die Sprache erfunden? Warum ist es gerade der Mensch, der Sprache beherrscht? Ist es, weil er besonders klug ist und einen ausgeklügelten Sprachapparat besitzt?
Ganz so ist es tatsächlich nicht, erklärt Christian Bentz vom Lehrstuhlassistenz für Mulitlinguale Computerlinguistik der Universität Passau: "Es gibt die Gibbon-Affen, die auch Gesänge haben, die sie etwa morgens anstimmen." Und genau diese haben auch etwas mit sozialer Kommunikation zu tun. "Deshalb geht man davon aus, dass vielleicht auch schon unsere letzten gemeinsamen Vorfahren mit den Schimpansen entsprechende Gesänge hatten."
Laute von Gibbons warnen vor Feinden
Bei den Gibbons gibt es unter anderem Laute für Schlangen, Leoparden und Greifvögel. Wenn der Laut für Schlangen ertönt, stellen sich die Affen auf und schauen sich um; beim Laut von Leoparden klettern sie auf die Bäume; beim Greifvogel-Laut schauen die anderen Gibbons nach oben. "Das ist ein System, bei dem man sich vorstellen kann, dass es beim Überleben hilft" und sich deshalb durchgesetzt hat, sagt Bentz.
Mit der Sprache haben diese Laute jedoch nichts zu tun. Die Informationsdichte von unterschiedlichen Sprachen auf der Welt ist im Verhältnis zu Tierkommunikationssystemen laut dem Wissenschaftler sehr viel höher.
Diese Informationsdichte kommt zustande, weil wir Laute, Verben, Adjektive, Wortgruppen miteinander mixen und kombinieren können, sagt Martin Haspelmath vom Department für Linguistik und kulturelle Evolution am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig.
Das Besondere an der Sprache ist, dass wir Tausende von verschiedenen Wörtern haben und komplexe syntaktische Strukturen. Das ist etwas, was wir in den anderen Tierarten praktisch überhaupt nicht haben.
Warum hat die menschliche Sprache so eine komplexe Struktur?
Wenn Lebensräume sich verändern oder gar verschwinden, dann verschwinden Lebewesen oder sie passen sich an. Instinkte, die bisher hilfreich waren, nützen nichts mehr. Und vielleicht war das der Auslöser für neue Überlebensstrategien und Tricks – und die Entwicklung von Sprache.
"Die Menschen haben bereits vor sehr langer Zeit gelernt, Feuer zu machen. Das war wohl vor 500.000 Jahren so. Feuer selbst herzustellen ist schon eine erstaunliche Fähigkeit", so Haspelmath.
Dabei haben diese Menschen das Feuer "nicht immer wieder zufällig entdeckt, sondern sie haben es von anderen Menschen erlernt – und haben dieses Wissen weitergegeben". Für diese Wissensweitergabe brauchte es komplexere Strukturen als einfache Laute.
Das menschliche Interesse an anderen Lebewesen ist bedeutend
Wir Menschen sind extrem abhängig vom Wissen unserer Vorfahren. Andere Spezies können sich auf ihre Instinkte verlassen. Und vielleicht würde es den Menschen schon lange nicht mehr geben, wenn er sein Wissen nicht übermittelt. Und das ist nicht erst seit der Moderne so, zeigen die letzten 15 bis 20 Jahre an Forschung.
"Die Wölfe folgen ihrer Natur und ihrem Instinkt und die geben nicht unbedingt ihre Jagdtricks an die nachfolgende Generation weiter. Sie wissen einfach instinktiv, wie sie ihre Beute finden", erörtert Haspelmath und erklärt: "Das Besondere am Menschen im Vergleich zu den anderen Tieren ist eigentlich nicht seine besondere Intelligenz, sondern das kulturelle Wissen, mit dem wir aufwachsen."
Ohne dieses kulturelle Wissen müssten wir immer wieder von vorn anfangen. Wir wüssten nicht, welche Nahrung wir kochen müssen, wie wir Giftstoffe aus Pflanzen extrahieren, wie man gute Faustkeile, Bögen oder Speere herstellt. Dieses Wissen kann nicht wie ein Instinkt vererbt werden – es muss vermittelt werden.
Ein weiterer entscheidender Grund für die Entwicklung von Sprache ist auch das menschliche Interesse an anderen Artgenossen. Dieses Interesse sei bei Tieren laut dem bisherigen Kenntnisstand nicht so ausgeprägt.
Doch wann ist die menschliche Sprache entstanden? Die ältesten Höhlenzeichnungen sind 50.000 Jahre alt. Vor 100.000 Jahren gab es noch keine Zeichen. Das heißt aber nicht, dass es dann oder noch viel früher keine Sprache gab, so Sprachwissenschaftler Haspelmath. Für die Frage nach dem Wann ist noch weitere Forschung nötig. Aber vielleicht kann sie auch nie beantwortet werden.
Protagonisten/Studien
Dr. Christian Bentz (Universität Passau, Lehrstuhlassistenz für Mulitlinguale Computerlinguistik)
Prof. Dr. Martin Haspelmath (Bereich Linguistik und kulturelle Evolution am MPI für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig):
- Studie zur Herkunft der Sprachen (1994)
- Studie zur Evolution der menschlichen Sprache (2017)
- Einfluss der Geograhie auf die menschliche Sprache (2013)
- Einfluss der Seßhaftwerdung auf den Sprechapparat (2019)
- Einfluss von Klima und Geographie auf den Sprachklang (2015)
- Zusammenhang Sprache und menschlicher Evolution (2017)
- Die Entwicklung der Diversität der Sprachen (2022)
km/pk
Dieses Thema im Programm: MDR+ | Podcast - Die Großen Fragen in 10 Minuten | 04. September 2024 | 12:00 Uhr
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