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Eine Gruppe von Menschen, aus deren Köpfen verschiedenfarbige Rauchwolken aufsteigen. Dazwischen sind gezeichnete Symbole und Icons zu sehen, zum Beispiel eine Uhr, ein Tortendiagramm, Puzzleteile etc. Als Wasserzeichen die Zahl Zehn. 10 min
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Ticken Chinesen, Russen, Amerikaner oder Inder anders als wir, weil sie anders sprechen? Was macht die Art zu sprechen mit unseren Gedanken?

MDR Mi 07.08.2024 12:00Uhr 10:18 min

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Linguistik Bestimmt unsere Sprache, wie wir denken?

09. August 2024, 11:03 Uhr

Auf dieser Welt gibt es etwa 7.000 Sprachen und manche können verschiedener nicht sein. Was macht das mit uns, mit unserem Denken, mit unserer Sicht auf die Welt. Karsten Möbius hat sich für den MDR WISSEN-Podcast "Große Fragen in 10 Minuten" die Frage gestellt: Denken Menschen, die andere Sprachen sprechen, anders?

Denken Spanier anders als Chinesen, Deutsche anders als Finnen und Balinesen anders als Kongolesen? Sprachen hören sich (fast immer) unterschiedlich an, haben Begriffe für Dinge, die es in anderen Sprachen gar nicht gibt. Engländer zum Beispiel platzieren etwas im Schrank und haben dafür ein Wort: put. Wir Deutschen stellen die Schuhe in den Schrank, aber legen das Hemd hinein. Und das ist nur ein Beispiel. Es gibt eine Menge Spekulationen, ob Sprachen die Art zu denken beeinflussen. Aber noch nicht allzu lange.

Bis vor kurzem gab es für diese Vermutung überhaupt keine Belege, sagt Martin Haspelmath. Er ist Honorarprofessor an der Uni Leipzig und Sprachwissenschaftler am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Erst seit etwa 30 Jahren gibt es Studien, die etwas handfester sind, sagt Haspelmath: "Die Vorstellung, dass das Denken anders und auch auf interessante Art und Weise anders sein könnte, gibt es etwa seit den 1930er-Jahren von Benjamin Lee Whorf. Der meinte, dass etwa die Hopi und andere Indianergruppen auf Grund ihrer Sprache ein anderes Denken hatten."

Mir tut das nördliche Bein weh

Ganz offensichtlich ist das bei Sprachen, die keine Zahlen kennen (wie bei den Piraha im Amazonasgebiet Nordwest-Brasiliens) oder wie bei den Thaayorre in Australien, deren Sprache (Kuuk Thaayorre) keine Worte für rechts, links, vorn oder hinten kennt. Hier kann das nördliche Bein weh tun und das Essen auf dem südlichen Tisch stehen. Ein grandioses Beispiel, wie Sprache Unterschiede deutlich macht, sagt Sarah Schimke, Professorin für Germanistische Linguistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Vermutlich war die Orientierung nach den Himmelsrichtungen einfacher und überall möglich, so Schimke. Und so ist "kein Zufall, welche Sprache, welches System entwickelt hat und es ist ein Beispiel dafür wie wir etwas unterschiedlich wahrnehmen."

Aber wie finden wir anhand von Sprache heraus, ob Franzosen oder Chinesen anders ticken als wir? Sprachwissenschaftler schauen dabei nicht in unsere Hirne, sondern auf die Grammatik und den Wortschatz. Und sie betrachten, wie wir Sprache gebrauchen. Und das können auch Fachsprachen sein, wie etwa bei Juristen, sagt Schimke, "alle möglichen Begriffe für juristische Konzepte, alle möglichen Wörter, die andere nicht haben, die aber trotzdem einen sehr großen Einfluss haben, wie man die Welt wahrnimmt oder wie man in dem Fall ein juristisches Problem wahrnimmt."

Bei Hofe wurde es höflich

Je wichtiger etwas für mich ist, je besser ich mich damit auskenne, je mehr Begriffe und Wörter ich dafür habe, desto variantenreicher kann ich es auch beschreiben, desto genauer sehe ich Unterschiede und bewerte sie anders als andere. Falls Ihnen jetzt die Inuit einfallen, die angeblich hunderte unterschiedliche Wörter für Schnee haben, muss ich Sie enttäuschen. Das ist ein Fake. Aber es gibt genug andere Beispiele. Russen etwa haben zwei verschiedene Wörter für Blau. Das eine ist ein helleres (голубой – meist als Farbe des Himmels benutzt), das andere ein dunkleres Blau (синий).

Martin Haspelmath hat noch eins: "Wenn es beispielsweise um Höflichkeitsausdrücke geht. Also Unterschiede zwischen Du und Sie, im Französischen tu und vous. Solche Unterscheidungen würden nur in Sprachen gemacht, die von hochdifferenzierten Gemeinschaften gesprochen werden. Also wo es große Klassenunterschiede gibt zwischen wohlhabenden, hochstehenden Personen und normalem Volk." Unterscheidungen also, die man bei Hofe macht, so der Sprachwissenschaftler. "Deshalb sprechen wir von Höflichkeit."

Fazit: Wir verstehen uns – vielleicht besser, als wir glauben

Unsere etwa 7.000 unterschiedlichen Sprachen beeinflussen wie wir denken. Jede Sprache hat unterschiedliche Eigenschaften und Möglichkeiten, sie ist eine Art Struktur, die Dinge zu sehen. Aber diese Struktur, dieses Gerüst ist nicht absolut.

Sprache hat sicherlich einen Einfluss auf das Denken, sagt Haspelmath, das würden auch die bisherigen Studien zeigen. "Aber es ist nicht der einzige Faktor." Und es geschieht auch nicht immer, sonst könnte man es immer nachweisen. Sprache und Denken, sicher gibt es da einen Einfluss, bestätigt auch Schimke, um dann einzuschränken, "manchmal. Aber nur ein bisschen."

km/gp

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MDR Wissen So 01.11.2020 22:20Uhr 44:39 min

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Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | Sachsenspiegel | 17. Juli 2025 | 19:07 Uhr

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