Altersforschung Werden wir alle 100? Lebenserwartung steigt langsamer
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08. Oktober 2024, 15:12 Uhr
Hat sich die Menschheit ihrer biologischen Altersgrenze bereits angenähert? 100 Jahr oder älter werden auch in diesem Jahrhundert nur wenige Menschen, so eine aktuelle Studie. Nun solle sich die Wissenschaft mehr auf die Verlangsamung des Alterungsprozesses und die Erhaltung der Gesundheit konzentrieren.
Gesündere Ernährung, medizinische Fortschritte und viele andere Verbesserungen der Lebensqualität haben im 19. und 20. Jahrhundert zur dramatischen Steigerung der Lebenserwartung geführt. 1871 lag sie bei Männern bei 35,6 Jahren, 2021 bei 78,5 Jahren. Bei Frauen stieg sie in der gleichen Zeitspanne von 38,5 auf 83,4 Jahre. Wird das ewig so weitergehen? Eine Studie der Universitäten von Illinois Chicago (UIC), Hawaii, Harvard und Los Angeles (UCLA) zeigt jetzt: Die Steigerungsrate hat sich in den letzten drei Jahrzehnten erheblich verlangsamt hat.
Trotz zahlreicher Durchbrüche in der Medizin und im öffentlichen Gesundheitswesen ist die Lebenserwartung bei der Geburt in den am längsten lebenden Bevölkerungen der Welt seit 1990 nur um durchschnittlich sechseinhalb Jahre gestiegen, so die Analyse. Das ist laut den Forschern ein neuer Beleg dafür, dass die Menschheit sich ihrer biologisch bedingten Lebensgrenze nähert. Es widerspricht bisherigen Annahmen, wonach die Lebenserwartung heute jedes Jahrzehnt um drei Jahre steigt. Nach den Berechnungen der Forscher liegt der Anstieg in den kommenden 30 Jahren aber nicht bei rund neun, sondern nur bei 2,5 Jahren.
Altersranking: Hongkong liegt vorn
Kinder, die in den letzten Jahren geboren wurden, haben eine relativ geringe Chance, 100 Jahre alt zu werden (5,3 Prozent für weibliche und 1,8 Prozent für männliche). Die höchste länderspezifische Wahrscheinlichkeit, dass 2019 geborene Kinder 100 Jahre alt werden, gab es in Hongkong, wo 12,8 Prozent der weiblichen und 4,4 Prozent der männlichen Personen im Laufe ihres Lebens voraussichtlich 100 Jahre alt werden. Analysiert wurden die Daten für Hongkong, Japan, Südkorea, Australien, Frankreich, Italien, die Schweiz, Schweden und Spanien, um sie zwischen 1990 und 2019 mit den Vereinigten Staaten zu vergleichen. Daten aus Deutschland wurden nicht erhoben.
"Die meisten Menschen, die heute im höheren Alter leben, leben in einer Zeit, die von der Medizin geschaffen wurde", erklärt der Hauptautor der Studie, S. Jay Olshansky (UIC School of Public Health), in einer Mitteilung. "Aber diese medizinischen Pflaster führen zu weniger Lebensjahren, auch wenn sie in einem beschleunigten Tempo auftreten, was bedeutet, dass die Phase des raschen Anstiegs der Lebenserwartung nun nachweislich vorbei ist." Auch zum Ende des Jahrhunderts wird die Chance, älter als 100 Jahre zu werden, nicht wesentlich gestiegen sein, sofern sich der biologische Alterungsprozess nicht deutlich verlangsamen lässt, heißt es in der Studie. "Unsere Analyse lässt darauf schließen, dass die Überlebensrate bis zum Alter von 100 Jahren bei Frauen wahrscheinlich nicht über 15 Prozent und bei Männern über 5 Prozent liegen wird."
Neues Ziel: Länger gesund bleiben
Der jetzige Fokus sollte laut dem Forscher auf der Verlängerung der Gesundheitsspanne und einem verlangsamten Alterungsprozess liegen. Die Gesundheitsspanne ist eine relativ neue Messgröße, die die Anzahl der Jahre misst, die eine Person gesund ist – und nicht nur misst, wie lange sie lebt. Aus dem Forschungsergebnis geht hervor, dass nur wenige Menschen das Alter von 100 Jahren oder darüber hinaus erreichen werden. Dies bleibt trotz Fortschritte in der Medizin weiterhin eine Ausnahme.
Ist das das letzte Wort zum Themas Alter?
Die Forscher sind sich im Klaren, dass auch ihre Studie Einschränkungen unterliegt. So exakt die Daten aus den vergangenen Jahren sein mögen, so unklar ist die Zukunft. Insbesondere der medizinische Fortschritt sei nicht berechenbar. Frühere Studien hätten gezeigt, dass ein Lebensalter von 120 bis 150 Jahren möglich ist, bevor die biologische Resilienz gegenüber Krankheiten, Stress oder Verletzungen so stark abnimmt, dass der Körper sich nicht regenerieren kann. 100 Jahre alt zu werden, sei also mit der richtigen Medizin prinzipiell für viele Menschen möglich.
Links/Studien
Die Studie wurde am 7. Oktober 2024 in der Fachzeitschrift Nature Aging veröffentlicht: Implausibility of Radical Life Extension in Humans in the 21st Century (Unwahrscheinlichkeit einer radikalen Lebensverlängerung beim Menschen im 21. Jahrhundert).
Beitrag vom Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns: Was passiert im Alter in unserem Körper?
pk
Dieses Thema im Programm: ARD Audio | Hirschhausen & Adick: Medizin von Morgen | 22. März 2024 | 15:02 Uhr
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