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Fragen an Stephan Hobe, Direktor des Institus für Weltraumrecht an der Uni Köln

MDR AKTUELL Do 20.02.2025 08:21Uhr 02:52 min

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Luft- und Raumfahrt Raketenstufe über Mitteldeutschland verglüht: Wie gefährlich ist Weltraumschrott?

20. Februar 2025, 09:36 Uhr

Wie hoch ist die Gefahr, dass Weltraumschrott unkontrolliert herunterkommt? Kann auch der Flugverkehr dadurch beeinflusst wird? Kann das auch in Mitteldeutschland passieren? Forschende haben das Risiko untersucht. Dass die Frage nicht theoretisch ist, hat sich in der Nacht zum Mittwoch (19.02.205) sehr deutlich gezeigt, als ein Teil einer Falcon-9-Raketenstufe von SpaceX spektakulär über Mitteldeutschland verglühten.

Für Luftfahrtbehörden ist es eine schwierige Entscheidung: Sollen sie den Luftraum sperren, wenn möglicherweise die Gefahr einer Kollision mit dem Trümmerstück einer Rakete oder eines abstürzenden Satelliten besteht? Im Fall des Starships von SpaceX Mitte Januar fiel die Entscheidung sehr schnell. Dass Raumschiff stürzte aus geringer Höhe ab und die Behörden, wussten, wo das geschieht. Aber wenn alte Batterien der Internationalen Raumstation erst nach Jahren in die Atmosphäre eintreten, dann warnt zwar das Bundesamt für Bevölkerungsschutz vor einem möglichen Überschallknall beim Absturz über Deutschland, aber der geschieht dann doch tausende Kilometer entfernt im Atlantik.

Ein Soldat zeigt auf einen von mehreren Monitoren.
In Uedem beim Weltraumkommando der Bundeswehr wird der Überflug des Batterie-Blocks der ISS überwacht.  Bildrechte: IMAGO / Markus van Offern

Weltraumtreffer oder sechs Richtige?

"Selbst 60 Minuten vor dem Wiedereintritt ist das potenzielle Gebiet, auf das Trümmer herunterfallen könnten, immer noch über 2.000 Kilometer groß", erklärt die US-amerikanische Federal Aviation Administration (FAA). Wo entlang dieser 2.000 Kilometer Strecke die Trümmer auf die Erde stürzen, ist also unklar und damit auch die Gefahr etwa für Bewohner oder den Flugverkehr.

Drei Forscher aus Kanada, Ewan Wright, Aaron Boley und Michael Byers von der University of British Columbia in Vancouver, wollten es genauer wissen. In ihrer Untersuchung haben sie berechnet, wie hoch das Risiko ist, dass ein Flugzeug getroffen wird. Das Ergebnis: "Die jährliche Wahrscheinlichkeit, dass Weltraumraketenschrott mit einem Flugzeug kollidiert, beträgt eins zu 430.000." Mit anderen Worten: In einem von 430.000 Fällen, das sind 0,00000233, geschieht es. Zum Vergleich: Die Chance, in einem Jahr sechs Richtige zu tippen (wenn man jede Woche spielt), liegt bei 1 zu 270.000.

Das Risiko wird sich jedoch in Zukunft deutlich erhöhen, so die Forscher. Die Zahl der täglichen Flüge hat sich laut der Studie seit dem Jahr 2000 fast verdoppelt, und die die Zahl der Passagiere ist sogar um über 250 Prozent gestiegen. Im Jahr 2024 gab es nach ihren Angaben 258 erfolgreiche Raketenstarts und einen Rekord von 120 unkontrollierten Wiedereintritten von Raketentrümmern in die Erdumlaufbahn. Mehr als 2.300 Raketenkörper befinden sich noch immer in der Umlaufbahn. Die Zahl der Raketenstarts wird weiter steigen. Vor allem die Errichtung sogenannter Megakonstellationen für Internet aus dem Weltall, bisher exklusiv bei Starlink, wird dafür verantwortlich sein. Allein das Project Kuiper von Jeff Bezos – Gründer von Amazon und der Raumfahrtfirma Blue Origin – soll 2025 mit fast 50 Missionen starten. Die Anzahl der Luftraumsperrungen wegen herabfallender Trümmer könnte also deutlich zunehmen.

Gefahr aus der Umlaufbahn

  • Die Forscher haben einige der größten Abstürze der letzten Jahre zusammengetragen.
  • Im Mai 2020 trat eine 18 t schwere Kernstufe einer Rakete vom Typ Langer Marsch 5B unkontrolliert aus der Umlaufbahn wieder in die Atmosphäre ein. Sie hatte eine unbemanntes experimentelles Raumschiff transportiert. Trümmer des Raketenkörpers, darunter ein 12 m langes Rohr, trafen zwei Dörfer an der Elfenbeinküste und beschädigten mehrere Gebäude.
  • Ein Jahr später trat eine weitere 18 t schwere Kernstufe einer Rakete vom Typ Langer Marsch 5B unkontrolliert wieder in die Erdatmosphäre ein, nachdem sie zum Start eines Teils der neuen chinesischen Raumstation Tiangong in eine niedrige Erdumlaufbahn verwendet worden war. Diesmal stürzten die Trümmer in den Indischen Ozean. Diese beiden Raketenstufen waren die bis dahin schwersten Objekte, die seit der sowjetischen Raumstation Saljut-7 im Jahr 1991 unkontrolliert wieder eintraten.
  • 2016 wurde die zweite Stufe einer SpaceX-Rakete im Orbit aufgegeben; sie trat einen Monat später über Indonesien wieder ein, wobei zwei kühlschrankgroße Treibstofftanks den Boden unbeschädigt erreichten.
  • Das Starship von SpaceX, das am 16. Januar 2025 aus einer Höhe von rund 150 Kilometern abstürzte, hatte ein Gewicht von fast 300 Tonnen. Die Trümmer fielen nahe Puerto Rico in die Karibik. In der Berechnung der Forscher findet es jedoch keonen Niederschlag, da dort nur Abstürze als unkontrollieret gezäht wurden, "wenn die Zeitspanne zwischen dem Startdatum der Rakete und dem Wiedereintrittsdatum 7 Tage oder mehr beträgt".

Prof. Dr. Carsten Drebenstedt 1 min
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Weltraumschrott ist ein gutes Baumaterial auf dem Mond, sagt Prof. Carsten Drebenstedt von der TU Freiberg

MDR KULTUR - Das Radio Do 03.02.2022 12:19Uhr 01:06 min

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Mexiko oder Mitteldeutschland was ist wahrscheinlicher?

Betroffen davon sind jedoch voraussichtlich weniger die Gebiete mit hohem Flugverkehr wie Nordamerika, China oder Mitteleuropa, damit zum Beispiel das Luftdrehkreuz Leipzig/Halle. Das liegt daran, so die Forscher, dass die Verteilung der Starts und Wiedereintritte von Raketenkörpern dazu führt, dass die zu erwartenden Unfälle (d. h. das Risiko für Menschenleben) überproportional von der Bevölkerung in den Entwicklungsländern getragen werden. In der Studie heißt es: "Einer Schätzung zufolge ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Raketenkörper über den Breitengraden von Jakarta, Dhaka, Mexiko-Stadt, Bogotá und Lagos wiedereintritt, mindestens dreimal so hoch wie über Washington, D.C., New York, Peking und Moskau."

Weltraumschrott könnte dennoch auch in bevölkerungsreichen Gebieten in der Nähe großer Flughäfen in Mittel- und Nordeuropa, und damit auch Mitteldeutschland, zum Problem werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass es hier zu einem unkontrollierten Wiedereintritt einer alten Raketenstufe oder eines Satelliten kommt, liegt immer noch bei 26 Prozent pro Jahr.

Raketentechnik kann das Problem lösen

Das Problem ließe sich jedoch ganz einfach lösen, so die Erkenntnis der Forscher. Denn "unkontrollierte Wiedereintritte von Raketenkörpern sind eine Designentscheidung, keine Notwendigkeit", sagt Co-Autor Aaron Boley, der Physiker und Astronom im Team. Der Vorschlag: Triebwerke, die wiederzündbar sind, sodass der Raketenkörper von besiedelten Gebieten weg, normalerweise in ein abgelegenes Meeresgebiet, gelenkt werden kann. Das Problem dabei: Neue Triebwerke und mehr Treibstoff kosten mehr Geld und senken die Nutzlast. "Länder und Unternehmen, die Satelliten starten, werden kein Geld ausgeben, um ihre Raketendesigns zu verbessern, wenn sie nicht alle dazu verpflichtet sind", sagte Mitautor Michael Byers. Der Politikwissenschaftler fordert deshalb, dass "die Regierungen zusammenkommen und hier einige neue Standards verabschieden". 

Eine Forderung, die die Forscher nicht zum ersten Mal stellen. Bereits in ihrer Studie 2022 über "Unnötige Risiken, die durch unkontrollierten Wiedereintritt von Raketen entstehen", mahnten sie Konsequenzen an.

gp/pm

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 16. Januar 2025 | 09:00 Uhr

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