Illustration des Esa-Satelliten Cluster-2 (Salsa) beim Wiedereintritt in die Erdumlaufbahn.
Illustration des Esa-Satelliten Cluster-2 (Salsa) beim Wiedereintritt in die Erdumlaufbahn. Bildrechte: ESA/David Ducross

Vermeidung von neuem Weltraumschrott Esa lässt Satelliten in der Umlaufbahn verglühen

08. September 2024, 05:00 Uhr

Am Sonntag, dem 8. September 2024, wird die europäische Raumfahrtbehörde Esa einen ihrer ausrangierten Satelliten gezielt abstürzen lassen. Damit will die Behörde eine neue Satellitenleiche im erdnahen Orbit verhindern.

Seit 24 Jahren untersuchen die Cluster-Satelliten der europäischen Raumfahrtbehörde Esa die Geheimnisse der magnetischen Umgebung der Erde. Doch allmählich nähern sich alle vier Satelliten dem Ende ihrer Lebensdauer. Sie alle werden zwischen 2024 und 2026 wieder in die Erdatmosphäre eintreten – wobei Salsa (Cluster 2) am 8. September 2024 den Anfang macht.

Im Januar 2024 führte das Esa-Missionsbetriebsteam ein Manöver für den gezielten Wiedereintritt über unbewohntem Gebiet im Südpazifik durch. Jedoch wird das Ende von Salsa eine Herausforderung für das Team darstellen. Zum einen läuft der Satellit nur noch mit reduzierter Leistung, zum anderen fehlt ihm ein Aufnahmegerät, wodurch dem Team weniger Telemetriedaten (automatische im Hintergrund laufende Datenübertragung) zur Verfügung stehen.

Aktive Satelliten in der Erdumlaufbahn

Derzeit befinden sich mehr als 7.500 aktive Satelliten (Stand: 1. Mai 2023) in der Erdumlaufbahn. Etwa 5.200 dieser Satelliten gehören privaten Anbietern. Seit dem Beginn der New-Space-Ära, in der private Firmen in der Raumfahrt eine immer wichtigere Rolle einnehmen, ist die Anzahl der Satelliten exponentiell gestiegen. Die meisten dieser Raumfahrzeuge (zwei Drittel) befinden sich im erdnahen Bereich von bis zu 2.000 Kilometern Höhe.

Position aller bekannten Objekte, die es derzeit im Erdorbit gibt. Orange sind aktive Satelliten, hellblau inaktive Satelliten, violett Raketenteile, grau Trümmer/Schrott, magenta unklare Herkunft
Position aller bekannten Objekte, die es derzeit im Erdorbit gibt. Orange sind aktive Satelliten, hellblau inaktive Satelliten, violett Raketenteile, grau Trümmer/Schrott, magenta unklare Herkunft Bildrechte: AstriaGraph / University of Texas

Zum Ende der Apollo-Ära (1972) befanden sich 187 aktive Satelliten im All. Zum Mauerfall (1989) waren es 416 Satelliten; zur Jahrtausendwende waren es 769 Satelliten; als das private Raumfahrtunternehmen SpaceX die erste kommerzielle Frachtmission zur Internationalen Raumstation ISS gestartet hat (2012) waren es 1.091 aktive Satelliten. Im Jahr 2019 startete SpaceX dann seine ersten Starlink-Internetsatelliten. Zum damaligen Zeitpunkt befanden sich 2.287 aktive Satelliten im All.

Auf den Friedhof: Wo kommen ausrangierte Satelliten hin?

Doch irgendwann erreichen die Satelliten ihr Betriebsende und müssen ausrangiert werden. Kleinere Satelliten – etwa solche wie Starlink – verglühen beim Wiedereintritt oftmals komplett in der Erdatmosphäre. Die größeren Satelliten sollen auf dem Raumschifffriedhof im Südpazifik (Point Nemo) zum gezielten Absturz gebracht werden. 

Point Nemo ist der abgelegenste Ort der Welt. Das nächste Land ist etwa 2.000 Kilometer entfernt. Dieser Punkt liegt etwa 4.000 Kilometer östlich von Neuseeland. Zwischen den Jahren 1971 und 2016 wurden dort mehr als 263 Raumflugkörper nach ihrem Wiedereintritt versenkt. Zu den bekanntesten von ihnen gehört auch die russische Raumstation Mir. Ihre Überreste verteilen sich auf ungefähr 3.000 Kilometer Länge und 100 Kilometer Breite. 

Doch Point Nemo ist vor allem eine Grabstätte für Satelliten aus der niedrigen Erdumlaufbahn (Leo, low earth orbit). Erdsynchrone Satelliten aus der geostationären Umlaufbahn (Geo), in einer Höhe von etwa 35.800 Kilometern, finden ihre letzte Ruhestätte jedoch im Friedhofsorbit.

In einer kreisförmigen Scheibe umrunden Geo-Satelliten (meistens Kommunikations-, Wetter- und Fernsehsatelliten) die Erde. Am Ende ihrer Betriebszeit werden sie um etwa 300 Kilometer angehoben (Supersynchroner Orbit), wobei der restliche Treibstoff auf dem Weg abgelassen wird. Falls die Satelliten mit anderen ausrangierten Objekten kollidieren, soll es zumindest zu keiner Explosion kommen, die eine Kettenreaktion auslösen kann.

Auf Kollisionskurs: Ausweichmanöver im All

Kollisionen im Orbit sind jedoch keine Seltenheit. Entsprechend viele Schrottteile gibt es im All, die das Überbleibsel von auseinandergebrochenen Satelliten sind. Ein Teil davon kann verfolgt werden. Dies geschieht unter anderem in Darmstadt, im Satellitenkontrollzentrum Esoc der Esa. Neben Schrotteilen werden auch Satellitenumlaufbahnen beobachtet. 

Darstellung von Weltraumschrott im orbit der Erde. Die Darstellung ist nicht maßstabsgetreu.
Darstellung von Weltraumschrott im orbit der Erde. Die Darstellung ist nicht maßstabsgetreu. Bildrechte: ESA

Falls eine Kollision zwischen zwei Satelliten oder einem detektierten Schrottteil droht, kann das Esoc die Betreiber der Satelliten kontaktieren. Diese können dann ein Ausweichmanöver durchführen – was jedoch einen negativen Einfluss auf die Lebensdauer des künstlichen Objekts hat. Immerhin muss kostbarer Treibstoff für eine Triebwerkszündung verbraucht werden. 

Auch die ISS führt jährlich bis zu einem Dutzend solcher Ausweichmanöver durch. Dennoch wurde die Station, die in einer Höhe von 400 Kilometern über dem Meeresspiegel fliegt, bereits öfter von winzigen Schrotteilen getroffen. Dabei sind auch winzige Löcher in der Außenhaut der Station entstanden, die von der Besatzung wieder geflickt wurden.

Weltraumschrott: Können wir irgendwann nicht mehr ins All fliegen?

Die Esa aktualisiert regelmäßig den detektierten Weltraumschrott. Derzeit umkreisen die Erde etwa 29.000 Objekte mit einer Größe von über zehn Zentimetern. Hinzu kommen 670.000 Schrottteile von mehr als einem Zentimeter Größe – plus weitere schätzungsweise über 170 Millionen Objekte zwischen einem Millimeter und einem Zentimeter.

Diese Objekte sind wie Projektile und fliegen mit einer unglaublichen Geschwindigkeit von über 25.000 Kilometern pro Stunde. Zu den derzeit schnellsten Flugzeugen gehört die Lockheed SR-71 Blackbird – doch die erreicht im Vergleich lediglich 3.529 Kilometer pro Stunde.

Eine Kollision solcher Schrottteile mit Satelliten kann zum Kessler-Effekt führen. Der betroffene Satellit kann dabei auseinanderbrechen und neue Schrottteile produzieren, die mit anderen Objekten zusammenstoßen und weiteren Weltraummüll verursachen, der wiederum … ein unaufhörlicher Kreislauf, der dafür sorgt, die Umlaufbahn der Erde weiter zu vermüllen. Es könnte laut Experten sogar dazu kommen, dass irgendwann keine Missionen mehr ins All geschickt werden können, weil es kein Durchdringen durch diesen Schrottteppich mehr geben wird.

Verpflichtung für einen sauberen Erdorbit

Um die Gefahr durch Weltraumschrott zu vermindern, hat sich die Esa verpflichtet, ab 2030 keinen unnötigen Weltraumschrott mehr zu produzieren. Die Entstehung neuer Schrottteile kann nicht komplett ausgeschlossen werden, immerhin kann es zu Fehlfunktionen von Satelliten oder Oberstufen von Raketen kommen.

Jedoch möchte die Esa auch mit der Cluster-Mission die internationalen Standards für eine nachhaltige Weltraumforschung laut eigenen Angaben übertreffen. Damit möchte die Esa eine Führungsrolle unter den Raumfahrtbehörden einnehmen. Die Raumfahrtbehörden von China (CNSA), Russland (Roskosmos) und Indien (Isro) stehen dagegen in der Kritik. Denn diese haben bereits Flugkörper zum Abschuss von Satelliten benutzt und damit neuen Weltraumschrott generiert. Doch auch die USA haben während des Kalten Kriegs sogenannte Anti-Satelliten-Waffen bereits getestet.

Diese künstlerische Darstellung zeigt ClearSpace-1 beim Einfangen eines Trümmerteils.
Diese künstlerische Darstellung zeigt ClearSpace-1 beim Einfangen eines Trümmerteils. Bildrechte: ClearSpace SA

Zukünftig könnte die Entsorgung von Satelliten durch eine Weltraum-Müllabfuhr erfolgen. Die Esa unterstützt etwa die Clearspace-1-Raumsonde, um einen Weltraumschlepper mit vier Greifarmen zu entwickeln. Neben dem Schweizer Unternehmen Clearspace ist auch das Bremer-Raumfahrtunternehmen OHB an diesem Projekt beteiligt, das voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte von 2026 das erste Schrotteil einfangen soll.

Was gibt es über die Cluster-Konstellation zu wissen?

Die Cluster-Satelliten der Esa befinden sich seit 24 Jahren im Weltraum. Salsa und Samba (Cluster 2 und 3) wurden am 16. Juli 2000 ins All geschickt. Kurz darauf, am 9. August 2000, brachen auch die Satelliten Rumba und Tango (Cluster 1 und Cluster 4) in den erdnahen Orbit auf. Während ihrer Betriebszeit wurde die Mission neunmal verlängert.

Dabei hat diese Mission, laut einer Pressemitteilung der Esa, die "bisher detaillierteste Untersuchung der Wechselwirkung von Sonne und Erde erzielt". Die Instrumente an Bord jedes Satelliten können unterschiedlichste magnetische Effekte aus vielen Regionen des Erdmagnetfelds erfassen, wie die Messungen geladener Teilchen, elektrischer und magnetischer Felder sowie die Wechselwirkungen zwischen den solaren Wolken hochenergetischer Partikel, der Erdatmosphäre und dem Magnetfeld.

In einem Abstand von 200 Kilometern umrundet die Konstellation die Erde in einer stark elliptischen Umlaufbahn. Am erdnächsten Punkt umrunden sie den Planeten in einer Höhe von 19.000 Kilometern. Bei ihrem erdfernsten Punkt nimmt die Cluster-Konstellation mit 119.000 Kilometern ungefähr ein Drittel des Erd-Mond-Abstandes ein. Nach dem 8. September sind es noch drei Satelliten, die allmählich ihren Wiedereintritt antreten werden.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 08. September 2024 | 21:00 Uhr

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