Eine Rakete, davor aufgebaute Kameras
Start am 10. Februar 2015: Die zweite Stufe dieser Falcon-9-Rakete wird Anfang März auf dem Mond einschlagen. Bildrechte: NASA/Kim Shiflett

Raumfahrt SpaceX-Absturz Anfang März: Der Mond als Schrottplatz für Raketen

Anfang März werden die Überreste einer "Falcon 9"-Rakete des privaten Raumfahrtunternehmens SpaceX auf dem Mond einschlagen. Wird der Mond zum Schrottplatz? Oder gar zum Recyclinghof?

Am 4. März um 13:25 Uhr (und wahrscheinlich 39 Sekunden) Mitteleuropäischer Zeit wird es so weit sein: Die etwa drei Tonnen schwere zweite Triebwerksstufe einer Falcon-9-Rakete von SpaceX wird auf dem Mond einschlagen und nach Schätzungen einen 20-Meter-Krater erzeugen.

Einige finden, der Mond sei kein Schrottplatz, damit müsse Schluss sein. Andere sehen darin erst den Anfang einer vielleicht nützlichen Entwicklung.

Aber der Reihe nach.

Sieben Jahre unkontrolliert im All

Blick zurück auf die Erde von der Falcon 9-Zweitstufe des DSCOVR auf dem Weg zu L1 (Lagrange-Punkt 1). Kurz vor Sonnenuntergang am Mittwoch, den 11. Februar 2015, hob die Falcon 9 mit dem Satelliten DSCOVR (Deep Space Climate Observatory) an Bord vom SpaceX-Startkomplex 40 auf der Cape Canaveral Air Force Station im US-Bundesstaat Florida ab - die erste Mission von SpaceX im Weltraum.
Blick zurück auf die Erde von der Falcon-9-Zweitstufe im Februar 2015. Bildrechte: SpaceX

Es war die erste Weltraummission von Elon Musks Unternehmen SpaceX. Eine unbemannte "Falcon 9" brachte im Februar 2015 den Klimaforschungssatelliten DSCOVR (Deep Space Climate Observatory) ins All.

Künstlerische Darstellung von DSCOVR auf dem Weg zu L1 (Lagrange-Punkt 1) auf seiner Falcon-9-Zweitstufe im Jahr 2015.
Künstlerische Darstellung des Satelliten DSCOVR auf dem Weg zu L1 (Lagrange-Punkt 1) auf seiner Falcon-9-Zweitstufe im Jahr 2015. Bildrechte: SpaceX

Bei solchen Missionen sind die sogenannten Lagrange-Punkte (benannt nach einem Astronomen des 18. Jahrhunderts) wichtig. Davon gibt es insgesamt fünf im Bezugssystem Sonne-Erde. Es sind diejenigen Punkte, an denen sich die Gravitationskräfte von Sonne und Erde genau ausgleichen, also aufheben. Raumschiffe befinden sich an diesen Punkten in einem stabilen "Schwebe"-Zustand und brauchen kaum Treibstoff, um gegen Gravitationskräfte anzukämpfen.

Auf der Umlaufbahn eines Planeten gibt es Punkte, an denen die Gravitationskräfte und die Bahnbewegung der Sonne und des Planeten so zusammenwirken, dass ein stabiler Ort entsteht, an dem ein Raumfahrzeug mit geringem Aufwand seine Position halten kann. Diese Punkte sind als Lagrange- oder "L"-Punkte bekannt, nach dem Astronomen und Mathematiker Joseph-Louis Lagrange. Von der Sonne aus gesehen, liegen der L4- und der L5-Punkt 60 Grad vor und hinter der Erde, nahe an ihrer Umlaufbahn. Im Gegensatz zu den anderen Lagrange-Punkten sind L4 und L5 unempfindlich gegenüber gravitativen Störungen. Aufgrund dieser Stabilität neigen Objekte wie Staub und Asteroiden dazu, sich in diesen Regionen anzusammeln.
Die Langrange-Punkte L1 bis L5 wandern mit der Erde um die Sonne. Bildrechte: ESA

Die Zweitstufe der Falcon-9-Rakete brachte den Satelliten in die Nähe von Lagrange-Punkt L1. Dort ging ihr aber der Treibstoff aus, weshalb sie es weder schaffte, dem Gravitationssystem Erde-Mond zu entkommen, noch konnte sie zielgerichtet zum Verglühen in der Erdatmosphäre gelenkt werden.

Seitdem trudelte sie unkontrolliert um Erde und Mond herum. Lange war unklar, wessen Anziehungskraft sie irgendwann erliegen würde. Im Januar ergaben dann die Berechnung eines Astronomen, dass es am 4. März auf der erdabgewandten Seite des Mondes zum Einschlag kommen wird. Diese Berechnung wurde mittlerweile bestätigt und sekundengenau konkretisiert (siehe oben).

Einer von vielen Einschlägen

Aber ist das nun gut oder schlecht oder egal, dass es zum Einschlag kommt? Von allem ein bisschen, könnte man argumentieren. Vorauszuschicken ist, dass die Falcon-9-Zweitstufe bei weitem nicht das erste Objekt ist, das auf dem Mond einschlägt. Der Mond hat keine Atmosphäre, die Dinge abbremsen oder verglühen lassen könnte. Entsprechend anfällig ist er für Einschläge. Das Projekt NELIOTA überwacht die dunkle Seite des Mondes auf Lichtblitze, die von solchen Einschlägen erzeugt werden. Die folgende Bildsequenz zeigt einen Einschlag am 1. März 2017.

Aber nicht nur Gesteinsbrocken, auch menschgemachte Objekte sind zur Genüge auf dem Mond eingeschlagen, schon seit den 1950er-Jahren. Apollo-Zweitstufen wurden absichtlich zum Absturz gebracht, um kleine "Mondbeben" zu erzeugen, die dann von Seismometern gemessen werden konnten. Andere Missionen mit ähnlichen Zwecken folgten.
Auch eine wichtige Entdeckung ist einem gezielten Absturz zu verdanken. 2009 ließ die NASA ihre LCROSS-Mission auf den Mond stürzen. In der entstandenen Staub-und-Trümmer-Wolke wurde dann erstmals auf dem Mond gefrorenes Wasser gefunden.

Im Jahr 2009 setzte die NASA-Mission LCROSS eine Centaur-Oberstufe ein, die absichtlich auf dem Mond einschlug. Die dabei entstehenden Trümmerfahnen wurden von der Erde aus beobachtet und enthielten gefrorenes Wasser und andere flüchtige Stoffe.
Im Jahr 2009 setzte die NASA-Mission LCROSS eine Centaur-Zweitstufe ein, die gezielt auf dem Mond einschlug. Die dabei entstandenen Trümmer- und Staubwolken wurden untersucht. Sie enthielten gefrorenes Wasser und andere flüchtige Stoffe. Bildrechte: NASA

Für die internationalen Raumfahrtunternehmen gibt es derzeit keine klaren Richtlinien zur Entsorgung von Raumfahrzeugen oder verbrauchten Zweitstufen am Ende ihrer Lebensdauer. Ein möglicher Absturz auf den Mond oder die Rückkehr und das Verglühen in der Erdatmosphäre waren bisher die einfachsten Standardoptionen.

Für die Europäische Weltraumorganisation ESA ist nun der Punkt erreicht, dass darüber nachgedacht werden muss. "Der bevorstehende Mondaufprall der Falcon 9 veranschaulicht sehr gut die Notwendigkeit eines umfassenden Regelwerks im Weltraum, nicht nur für die wirtschaftlich entscheidenden Umlaufbahnen um die Erde, sondern auch für den Mond", sagt Holger Krag, Leiter des ESA-Programms für Weltraumsicherheit.

Vom Schrottplatz zum Recyclinghof?

Wenn man den Mond irgendwann besiedeln oder als Startrampe für Flüge ins All nutzen will, wird man allerdings Roh- und Baustoffe brauchen. Deshalb gibt es seit längerer Zeit Forschungen, wie Mondstaub genutzt werden könnte. Der deutsche Astronaut Matthias Maurer ist großer Verfechter dieser Idee und macht dazu gerade Experimente auf der ISS.

Aber zum anderen wird man auch Metalle brauchen. Es gibt deshalb Wissenschaftler, die im Schrott, der auf den Mond stürzt, mehr Segen als Fluch sehen. Prof. Dr. Carsten Drebenstedt von der TU Bergakademie Freiberg, denkt dabei nicht nur an schon vorhandene Teile, sondern generell an den gesamten Weltraumschrott, vor allem ausgediente Satelliten. Die sollte man aus seiner Sicht nicht in irgendwelchen Umlaufbahnen lassen oder in der Erdatmosphäre zum Verglühen bringen, sondern "auf dem Mond abstürzen lassen und dann eben ausschlachten". "Und das, was noch brauchbar ist," so Drebenstedt, "gleich verwenden für den Bau vor Ort und damit auch die Materialbeschaffung auf dem Mond organisieren."

Prof. Dr. Carsten Drebenstedt 1 min
Bildrechte: TU Bergakademie Freiberg
1 min

Weltraumschrott ist ein gutes Baumaterial auf dem Mond, sagt Prof. Carsten Drebenstedt von der TU Freiberg

MDR KULTUR - Das Radio Do 03.02.2022 12:19Uhr 01:06 min

https://www.mdr.de/wissen/Satellitenschrott100.html

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(rr)

Satellit Eucropis des DLR 4 min
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