Mobbing Wo fängt Mobbing an und was kann ich dagegen tun?
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16. Februar 2023, 10:06 Uhr
Morgens vor dem Kaffeeautomaten oder in der Mittagspause, ob auf Arbeit, in der Schule oder im Internet: Oft wird hinter dem Rücken anderer schlecht geredet. Für Betroffene kann das schnell zum Martyrium werden. Wo hört Lästern auf – wo fängt Mobbing an? Und wie kann man dagegen vorgehen? Was genau ist strafbar? Und wie können zum Beispiel Führungskräfte regulierend eingreifen? Diese und weitere Fragen beantwortet Gilbert Häfner, ehemaliger Präsident des Oberlandesgerichtes Dresden.
Was ist Mobbing?
Eine gesetzliche Definition von "Mobbing" gibt es bislang nicht. Allgemein versteht man darunter ein Verhalten, das darauf gerichtet ist, ein Mitglied einer Gruppe durch dauerhaftes Schikanieren auszugrenzen. Dabei können die Schikanen aus Tätlichkeiten, Ehrverletzungen, Belästigungen oder Demütigungen bestehen. Bekannt geworden ist das Phänomen durch entsprechende Fälle in der Arbeitswelt. Später ist auch die Schule als regelmäßiger "Tatort" festgestellt geworden. Zwischenzeitlich hat Mobbing als sogenanntes "Cyber-Mobbing" insbesondere auch im Internet eine Plattform gefunden.
Ist Mobbing strafbar?
Eine gesonderte strafrechtliche Vorschrift über "Mobbing" gibt es nicht. Je nach den Umständen des Falles können einzelne Schikanen, denen das Mobbing-Opfer ausgesetzt ist, jedoch einen allgemeinen Straftatbestand erfüllen, so etwa Körperverletzung, Nötigung, Beleidigung oder sexuelle Belästigung.
Was sollte man tun, wenn man sich am Arbeitsplatz gemobbt fühlt?
Unabhängig von der Art der Schikanen, welcher ein Arbeitnehmer ausgesetzt ist, hat er das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs zu beschweren, wenn er sich vom Arbeitgeber oder von Arbeitnehmern des Betriebs benachteiligt oder ungerecht behandelt oder in sonstiger Weise beeinträchtigt fühlt. Er kann ein Mitglied des Betriebsrats zur Unterstützung oder Vermittlung hinzuziehen. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über die Behandlung der Beschwerde zu bescheiden und, soweit er die Beschwerde für berechtigt erachtet, ihr abzuhelfen. Berechtigt ist die Beschwerde jedenfalls dann, wenn die vom Arbeitnehmer erlittene Schikane eine Straftat darstellt.
Aber auch unterhalb der Schwelle zur Strafbarkeit darf der Arbeitgeber, der von Mobbing im Betrieb erfährt, nicht tatenlos zusehen. Dies gilt insbesondere, wenn die festgestellten Schikanen – wie häufig – eine Benachteiligung beinhalten. Einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von Mobbing am Arbeitsplatz leistet insoweit das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Sein Ziel ist es, Benachteiligungen wegen folgender Kriterien zu verhindern oder zu beseitigen:
- Rasse
- Ethnische Herkunft
- Geschlecht
- Religion
- Weltanschauung
- Behinderung
- Alter
- Sexuelle Identität.
Das AGG verpflichtet den Arbeitgeber nicht nur, jegliche Benachteiligung wegen dieser Merkmale selbst zu unterlassen, sondern auch aktiv einzuschreiten, wenn er von der Diskriminierung eines Mitarbeiters durch Vorgesetzte oder Kollegen Kenntnis erlangt, und einer solchen Benachteiligung vorzubeugen. Bei Vorliegen einer sexuellen oder sonstigen Belästigung kann der Betroffene, falls der Arbeitgeber keine geeigneten Maßnahmen zur Unterbindung derselben ergreift, seine Tätigkeit einstellen, soweit das zu seinem Schutz erforderlich ist. Seinen Entgeltanspruch verliert er hierdurch nicht.
Welche arbeitsrechtlichen Sanktionen drohen einem Arbeitnehmer, der als Vorgesetzter oder Kollege andere Arbeitnehmer diskriminiert?
Nicht nur der Arbeitgeber, sondern auch der Arbeitnehmer, der einen (anderen) Arbeitnehmer aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt, verstößt gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag. Deshalb muss ein Arbeitnehmer, der als Vorgesetzter oder Kollege andere Arbeitnehmer diskriminiert, damit rechnen, dass er je nach den Umständen abgemahnt, umgesetzt, versetzt oder gar gekündigt wird. Dies gilt umso mehr, als der Arbeitgeber zum Schutz des diskriminierten Arbeitnehmers verpflichtet ist, alle im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung zu ergreifen.
Ist es schon eine sexuelle Belästigung, wenn ein Vorgesetzter seiner Mitarbeiterin am Arbeitsplatz auf den Ausschnitt starrt?
Als sexuelle Belästigung strafbar ist es, eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich zu berühren und dadurch belästigen. Der zivilrechtliche Schutz am Arbeitsplatz geht darüber hinaus. Danach ist bereits eine unzulässige Benachteiligung gegeben, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten – hierzu gehören unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen – bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Das gilt insbesondere, wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Insoweit kann das auffällige Starren auf den Ausschnitt einer Kollegin ebenso ausreichen wie eine Bemerkung über deren Figur oder Brüste.
Welche Sanktionen drohen dem Arbeitgeber bei einer Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz?
Verstößt der Arbeitgeber schuldhaft gegen das Benachteiligungsverbot, so hat er den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Wegen eines nicht vermögensrechtlichen Schadens hat er eine angemessene Geldentschädigung zu leisten. Bei einer unterbliebenen Beförderung etwa kann der benachteiligte Arbeitnehmer, wenn er bei benachteiligungsfreier Auswahl hätte befördert werden müssen, die Differenz zwischen bisheriger und angestrebter Gehaltsgruppe verlangen. Ist eine Benachteiligung beim Entgelt gegeben, erfolgt eine Anpassung "nach oben", der Arbeitnehmer kann also das Entgelt verlangen, was vergleichbaren, nicht diskriminierten Mitarbeitern gezahlt wird. Zu beachten ist, dass der Anspruch innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden muss. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
Kann ein Arbeitnehmer auch unmittelbar gegen den Kollegen vorgehen, der ihn mobbt?
Wer von einem anderen Arbeitnehmer schikaniert wird, kann von diesem Unterlassung verlangen. Gegen denjenigen, der unwahre ehrenrührige Tatsachen über einen Kollegen verbreitet, besteht ein Anspruch auf Widerruf der falschen Behauptung. Nach den Umständen des Einzelfalls kann sich ein Arbeitnehmer, der Kollegen mobbt, auch schadensersatzpflichtig machen. Diese Ersatzpflicht kann ein Schmerzensgeld einschließen. Alle vorgenannten Rechte des Geschädigten sind klagbar.
Darf der Arbeitgeber wegen Krankheit des Arbeitnehmers, die auf Mobbing durch Kollegen zurückzuführen ist, kündigen?
Eine Kündigung wegen Krankheit wird von der Rechtsprechung grundsätzlich nur dann als sozial gerechtfertigt angesehen, wenn es sich um eine lang andauernde Arbeitsunfähigkeit, um häufige Kurzerkrankungen oder um eine dauerhafte krankheitsbedingte Minderung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers handelt, wobei diese zu einer unzumutbaren betrieblichen und wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen muss. Auf entsprechende Gründe kann sich der Arbeitgeber freilich dann nicht berufen, wenn die Erkrankung auf einer Diskriminierung durch Kollegen beruht und er selbst es versäumt hat, den Arbeitnehmer hiervor zu schützen.
Bei wem kann ein Arbeitnehmer juristischen Rat einholen, wenn er am Arbeitsplatz diskriminiert wird?
Fundierte Beratung zu einem Diskriminierungsfall bietet grundsätzlich jeder Rechtsanwalt, insbesondere aber ein Fachanwalt für Arbeitsrecht. Wer die damit verbundenen Kosten scheut, kann sich auch an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden. Diese wartet in ihrem Internetauftritt mit einem Kontaktformular, aber auch mit Musterschreiben, Checklisten und Informationsmaterial auf. Telefonisch kann man dort unter der Nr. 0800-5465465 montags bis donnerstags zwischen 09:00 und 15:00 Uhr Rat einholen.
Was können Eltern tun, wenn ihr übergewichtiges Kind in der Schule von Klassenkameraden ständig gehänselt wird?
Erster Ansprechpartner der Eltern sollte, wie auch sonst bei schulischen Problemen des Kindes, der Klassenlehrer sein. Dieser ist ausgebildeter Pädagoge und hat – anders als die Eltern des gemobbten Kindes - im Rahmen des täglichen Schulbetriebs die Möglichkeit, zeitnah Kontakt mit allen beteiligten Kindern aufzunehmen. Bleibt der Lehrer untätig oder fruchten seine Erziehungsmaßnahmen nicht, sollte als nächster Schritt erwogen werden, die Schulleitung zu verständigen. Sie ist befugt, weitergehende Ordnungsmaßnahmen wie etwa die Überweisung in eine andere Klasse gleicher Klassenstufe oder den zeitweiligen Ausschluss vom Unterricht, in gravierenden Fällen gar den Ausschluss von der Schule, zu ergreifen.
Schwieriger und aufwändiger als der Weg über Klassenlehrer und Schulleitung ist es für Eltern, das gegen ihr Kind gerichtete Mobbing dadurch abzustellen, dass sie sich an die Eltern der "Täter“ wenden. Zum einen müssen sie sich insoweit in der Regel mit mehreren Personen auseinandersetzen. Zum anderen können sie von den Eltern des Mitschülers nicht die unbedingt gleiche Objektivität im Umgang mit den Vorwürfen erwarten wie vom Lehrer. Eher abzuraten ist den Eltern eines Mobbing-Opfers davon, dessen Mitschüler unmittelbar zur Rede zu stellen. Diesen gegenüber haben sie – anders als Lehrer und Schulleitung – keine Erziehungsbefugnisse.
Wie kann man sich gegen Ehrverletzungen wehren, die über das Internet verbreitet werden (Cyber-Mobbing)?
Grundsätzlich gelten für Äußerungen im Internet die gleichen gesetzlichen Grundlagen wie im "realen Leben“: Beleidigungen oder Bedrohungen sind strafbar, Persönlichkeitsrechte anderer dürfen nicht verletzt werden. Als Betroffener sollte man schnell reagieren und den Vorfall zunächst dokumentieren, etwa durch Screenshots oder Speicherung des ehrverletzenden Eintrags. Anschließend sollte man sich mit einer Beschwerde an den Betreiber der Plattform wenden; dieser ist dazu verpflichtet, strafbare Inhalte zeitnah zu löschen oder zu sperren. Auch eine Strafanzeige bei Polizei oder Staatsanwaltschaft kann in Erwägung gezogen werden. Richten sich die ehrverletzenden oder bedrohlichen Äußerungen gegen einen Minderjährigen und gehen sie von einem Mitschüler aus, ist es ratsam, sich an dessen Eltern und die Schule zu wenden, damit die Vorfälle dort thematisiert werden.
Wie kann man Cyber-Mobbing vorbeugen?
Wer in sozialen Netzwerken "unterwegs“ ist, sollte sorgsam darauf achten, welche Informationen sowie Foto- und Filmaufnahmen er dort von sich preisgibt und wem gegenüber dies geschieht. Streit, den man mit anderen Personen hat, sollte man auf keinen Fall über eine Kommunikationsplattform austragen. Erst recht sollte man sich nicht daran beteiligen, wenn eine andere Person gemobbt wird. Eine Nutzergruppe, in der Mobbing stattfindet, sollte man besser verlassen.
Weiterführende Informationen zum Thema Mobbing enthalten die Broschüren:
- Handbuch "Rechtlicher Diskriminierungsschutz", hier
- Leitfaden für Beschäftigte, Arbeitgeber und Betriebsräte, herausgegeben von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes: "Was tun bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz?", hier
- "Wenn aus Kollegen Feinde werden – Der Ratgeber zum Umgang mit Mobbing", herausgegeben von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, hier
- "Konflikte lösen – Mobbing verhindern, Eine Handlungshilfe", herausgegeben von der Berufsgenossenschaft, Stand 02/2021, hier
- "Sonst bist Du dran – Mobbing an der Schule – Informationen für Eltern", herausgegeben von der Aktion Kinder- und Jugendschutz Schleswig-Holstein, hier
MDR (fd, jba)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 16. Februar 2023 | 17:00 Uhr