Artenschutz Handel mit invasiven Arten: Beispiel Muschelblume
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01. September 2024, 15:08 Uhr
Seit 2. August steht die Muschelblume auf der EU-Verbotsliste der invasiven Arten. Dennoch kann man sie bei manchen Händlern noch kaufen. Wir erklären, warum das keine gute Idee ist.
Seit 2. August 2024 gelistet und verboten: Krallenfrosch, Zebra-Killifisch und Muschelblume
Um dem Rückgang der Artenvielfalt in unserer heimischen Flora und Fauna entgegenzuwirken, führt die Europäische Union seit 2016 eine Liste "invasiver gebietsfremder Arten". Bisher wurde sie dreimal aktualisiert und um Tiere und Pflanzen erweitert. 2016 umfasste sie 37 Punkte, nun sind es bereits 88.
"Arten auf dieser Liste dürfen nicht vorsätzlich in das Gebiet der EU eingeführt werden. Sie dürfen weder gehalten, gezüchtet, in, aus oder innerhalb der EU transportiert oder verkauft, aufgezüchtet oder in die Umwelt freigesetzt werden", heißt es dazu in der Erklärung der Europäischen Kommission. Seit dem 2. August gilt das auch für den Zebra-Killifisch, den Krallenfrosch und die Muschelblume. Alle drei waren in der Vergangenheit in der Aquaristik beliebt. Die jetzige EU-Verbotsliste wurde am 13. Juli 2022 veröffentlicht und auch dass die drei invasiven Arten mit einem zeitlichen Aufschub von knapp zwei Jahren dazu zählen werden.
Test zeigt, Muschelblume online noch erhältlich
Die Muschelblume, auch als Wassersalat bekannt, ist bei Aquarien-Freunden und Teichbesitzern sehr beliebt (gewesen). Wer bereits vor dem 2. August 2024 solch eine Wasserpflanze hatte, kann sie natürlich auch behalten. Doch sich neue Exemplare zuzulegen, sollte als Otto-Normal-Verbraucher nun schier unmöglich sein. Der Online-Praxis-Test zeigt ein anderes Bild: Bei mehreren Händlern sind die sich bei warmen Temperaturen schnell vermehrenden Wasserpflanzen mit dem lateinischen Namen Pistia stratiotes immer noch erhältlich und können problemlos in den Warenkorb gelegt werden. Das hat uns gewundert.
Verkauf ja, aber nicht an jeden
Tatsächlich gibt es, wie so oft, auch hier Übergangsfristen. Diese sind aber so ausgelegt, dass sie den "normalen" Handel quasi gänzlich ausschließen. "Es gelten zwar Übergangsbestimmungen, nach denen noch ein Jahr lang nach Listung der betreffenden Art Exemplare aus kommerziellen Beständen an nicht-gewerbliche Nutzer abgegeben oder verkauft werden dürfen. Dies darf allerdings nur unter der Maßgabe einer Haltung und Beförderung unter Verschluss geschehen. Beides ist beim Verkauf im Zoogeschäft, beziehungsweise Gartencenter nicht gewährleistet und wird deshalb bei seriösen Händlern nicht geschehen", erklärt Diplom-Biologin Antje Kautzner. Sie arbeitet im Landesamt für Umweltschutz in Sachsen-Anhalt und ist dort im Bereich Naturschutz zuständig, unter anderem auch für die invasiven gebietsfremden Arten.
Mit "unter Verschluss" ist gemeint, dass verhindert werden muss, dass es zu einer Vermehrung kommen kann oder dass sich die invasive Art in der Natur weiter verbreiten kann. Das Bundesamt für Naturschutz betont auf seiner Homepage, es sei Sorge zu tragen, dass "alle geeigneten Maßnahmen getroffen werden, um eine Fortpflanzung oder ein Entkommen auszuschließen". Das muss auch bei der Beförderung oder Lieferung per Paket beachtet werden. "Insofern wäre das nicht zulässig, so eine Art auch über den Online-Handel zu erwerben", sagt Kautzner.
Weitreichendere Übergangsregelung für die Forschung Forschungseinrichtungen können eine Haltung invasiver Arten "unter Verschluss" gewährleisten, also eine Vermehrung oder ein Ausbreiten in der freien Natur unterbinden. Unter genau diesen Voraussetzungen können Händler etwa die Muschelblume noch für eine Übergangsfrist von zwei Jahren an Forschungseinrichtungen abgeben.
Bußgelder von bis zu 50.000 Euro drohen
Im gut beheizten Aquarium ist die aus den Tropen stammende Muschelblume sehr vermehrungsfreudig. Sie bringt viele kleine Ableger hervor, die mit wenig Zutun zu neuen Mutterpflanzen heranwachsen.
Im oft draußen angelegten Teich ist die Wasserpflanze meist einjährig, da sie nicht winterhart ist. Aber das schützt nicht vor einer Vermehrung an anderen Orten. "Wenn Sie sich vorstellen, dass ein Vogel im Gartenteich landet und dann Pflanzenteile von der Muschelblume an sich trägt und ins nächste Gewässer mitnimmt, haben wir eine Verschleppung in die freie Natur", erklärt die Diplom-Biologin Antje Kautzner.
Wer jetzt also die Pflanzen noch verkauft oder kauft und nicht garantieren kann, dass die Haltung dann "unter Verschluss" gewährleistet werden kann, begeht laut Bundesnaturschutzgesetz eine Ordnungswidrigkeit. Dies kann Bußgelder von bis zu 50.000 Euro nach sich ziehen. Das gilt bundesweit, die Kontrolle und Ahndung ist aber Ländersache.
Kontrolle ist Ländersache
"In Deutschland ist es durch das föderale System so geregelt, dass Naturschutz Sache der Länder ist", so Kautzner vom Landesamt für Umweltschutz in Sachsen-Anhalt. Jedoch gibt es, wie sie erklärt, eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, in der die Fachbehörden der Bundesländer vertreten sind, die hier gemeinsam tätig wird. Das bestätigt auch ein Sprecher des Bundesamts für Naturschutz.
"Wir prüfen regelmäßig stichprobenhaft zum Beispiel Online-Plattformen, wo potenziell solche Arten gehandelt werden. Wenn uns dabei irgendetwas auffällt, leiten wir diese Informationen, dass da etwas gehandelt wird, was nicht gehandelt werden dürfte, jeweils an das betreffende Bundesland weiter und dort läuft die entsprechende Kette dann an", erklärt die Diplom-Biologin auf MDR-Nachfrage. Und die Arbeitsgruppe hat jetzt noch einiges zu tun. "Der nicht legale Verkauf, beziehungsweise eine Weitergabe über Online-Plattformen, findet teilweise noch immer statt", bilanziert das Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt auf MDR-Nachfrage. Diese müssen nun darauf hingewiesen werden, das zu unterlassen.
Wie entsorge ich Pflanzenbestände jetzt richtig?
Einzelpflanzen können laut Behörden in den Restmüll gegeben werden. "Keinesfalls dürfen sie im Kompost oder im Biomüll entsorgt werden, da hier die Gefahr der weiteren Verbreitung besteht", so das Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt. Größere Mengen müssen durch Verbrennungsanlagen oder spezielle Abfallentsorgungsanlagen vernichtet werden. Dort herrschen über längere Zeiträume sehr hohe Temperaturen, die dafür sorgen sollen.
Übrigens: Auch unter Verbrauchern weitergegeben werden dürfen die Pflanzen seit dem Stichtag, dem 2. August 2024, nicht mehr. Das gilt auch, wenn ein Auquarium aufgelöst wird, weil der Halter gestorben ist. "Die Weitergabe von Tieren und Pflanzen ist auch in einem solchen Fall untersagt", erklärt ein Sprecher des Bundesamts für Naturschutz auf Nachfrage.
MDR (cbr)