Erziehungsratgeber Ein guter Schulanfang – so mache ich mein Kind stark
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17. Juli 2023, 10:00 Uhr
Rund 800.000 Kinder werden jährlich eingeschult. Für Eltern und ihre Kinder bedeutet das eine ziemlich aufregende Zeit. Viele Eltern haben aber auch Sorgen und Unsicherheiten: Was muss ein Kind zur Einschulung können? Wird mein Kind schnell Freunde oder Freundinnen finden und mit den Lehrern zurechtkommen? Erziehungberaterin Nora Imlau hat Antworten.
Inhalt des Artikels:
- Wie wichtig ist eine gute Vorschule?
- Warum sollte man zum Elternabend gehen?
- Dem Kind vertrauen – wie geht das am besten?
- Wie kann man Ängste gemeinsam abbauen?
- Ab wann sind Sorgen durchaus berechtigt?
- Wie verändert sich das Eltern-Kind-Verhältnis?
- Wie viel Begleitung sollen Eltern ihrem Kind anbieten?
Wie wichtig ist eine gute Vorschule?
Viele Kinder lernen heute viele Dinge schon vor der Schule, oft nebenbei beim Spielen in der Kita oder zu Hause. Dabei geht es weniger um spezielle Fertigkeiten als um eine Grundhaltung: Ich muss noch nicht alles können, aber ich kann alles lernen.
Kinder brauchen für die Schule eine gewisse Frustrationstoleranz. Die kann man im Alltag spielerisch üben, zum Beispiel mit Brett- und Würfelspielen.
Ansonsten ist gerade im ersten Schuljahr noch viel Raum für jedes Kind, im Schulalltag mit seinen Anforderungen anzukommen. Im Zweifelsfall können Lehrkräfte und Eltern auch gemeinsam Unterstützung für das Kind dazuholen, zum Beispiel in Form einer Ergotherapie.
In der Regel bereiten Kitas die Kinder gut auf die Schule vor – mit speziellen Aktivitäten für Vorschulkinder oder sogar in eigenen Vorschulgruppen. Lese- und Schreibecken, Bauteppiche, Morgenkreise, Gruppenprojekte, Sprachbildung, Kinderreime – in der Kita sind Inhalte in Spielen und Aktivitäten verpackt, die den Kindern Spaß machen. In der Vorschule bekommen die Kinder zudem ein Grundverständnis für Zahlen und einige Buchstaben.
Lernen nicht ausbremsen
Da der Unterricht heute viel individueller ist als früher, sollte man wissbegierige Kinder auch nicht ausbremsen, wie man das früher empfohlen hat. Sie dürfen Buchstaben und Zahlen lernen.
Im so genannten binnendifferenzierten Unterricht bekommen sie dann eigene Aufgaben, die ihrem Leistungsniveau entsprechen. Darin sind Grundschullehrkräfte sehr erfahren und geschult. Oft werden stärkere Schülerinnen und Schüler auch eingesetzt, um anderen Kindern zu helfen.
Welchen Einfluss hat die Familie auf die Fähigkeiten des Vorschulkindes?
Heute weiß man, dass die Familie den größten Einfluss darauf hat, ob Kinder gut auf die Schule vorbereitet sind. Gerade was die sprachlichen Fähigkeiten betrifft, starten Kinder aus weniger gebildeten Familien mit einem Rückstand – ganz besonders jene, die zudem eine andere Muttersprache sprechen.
Eltern sind die wichtigsten Unterstützer, damit der Übergang von der Kita in die Schule gut funktioniert. Sie sollten deshalb ihre Kinder schon frühzeitig mit Spaß und Freude ans Lernen heranführen.
Sollte man den "Tag der offenen Tür" nutzen?
Wichtig ist zunächst, dass das zukünftige Schulkind mit den Eltern über die Schule sprechen kann und sich dabei ernst genommen fühlt: Es sollte sagen können, was es sich unter Schule vorstellt, was es erwartet oder auch fürchtet.
Fühlt es sich von seinen Eltern unterstützt, fällt ihm der Start sicher leichter. Besonders hilfreich ist es, wenn ein Kind schon vor dem ersten Schultag die Schule und den Schulhof kennen lernt.
Tipp: Viele Schulen laden die Kindergartengruppen des Einzugsgebiets inzwischen zu Schnupperbesuchen oder einem "Tag der offenen Tür" ein. Dabei können sich die Kindergartenkinder die Schule in Ruhe ansehen und dürfen manchmal auch am Unterricht teilnehmen.
Warum sollte man zum Elternabend gehen?
Viele Schulen laden schon vor dem ersten Schultag zu Elternabenden ein.
Eltern sollten sich die Gelegenheit der Elternabende nicht entgehen lassen: Sie betreten zu diesem Zeitpunkt oft zum ersten Mal die künftige Schule ihres Kindes. Sie können sich das Klassenzimmer anschauen, mit anderen Eltern ins Gespräch kommen, und das pädagogische Personal – Lehrer und gegebenenfalls Erzieher oder Sozialarbeiter – kennenlernen. Das ist wichtig.
Denn unabhängig von pädagogischen Konzepten sind es diese Personen, die maßgeblich entscheiden, wie ein Kind den Schulstart und das erste Schuljahr erlebt. Die Eltern haben zumeist keinen Einfluss darauf, welcher Lehrer ihr Kind unterrichtet. Beim ersten Elternabend können sie aber zumindest den Kontakt zum Lehrer suchen und mit ihm sprechen.
Dem Kind vertrauen – wie geht das am besten?
Wichtig ist, dass Eltern versuchen, ihrem Kind zu vertrauen. Kinder sind kompetent und können Veränderungen und Übergänge meistern.
Schule ist heute auch anders als vor 30 Jahren. Heute gibt es mehr Raum für individuelles Kennenlernen und Ankommen.
Heute wird auch pädagogisch anders damit umgegangen, wenn Kinder sich damit schwertun. Wichtig ist, Kindern keine Angst vor dem "Ernst des Lebens" zu machen, sondern sie zu bestärken, dass sie sich auf die Schule freuen dürfen. Anerkennung und Unterstützung helfen den Kindern zudem weiter.
Wie kann man Ängste gemeinsam abbauen?
Oft übertragen wir eigene alte Ängste und Schulerfahrungen auf unsere Kinder. Die sind aber eigene Personen mit einem Recht auf ihre eigene Geschichte.
Kinder machen einen Identitätswechsel durch, sie sind von heute auf morgen ein Schulkind. Das hat mit den großen Gefühlen zu tun – mit positiven, wie negativen. Dazu gehören Stolz, Freude, Neugier, aber auch Unsicherheit, ein bisschen Trauer und Abschiedsschmerz.
In der Kita gehören sie zu den Ältesten, in der Schule fangen sie wieder bei den Jüngsten an. Kinder müssen sich dahingehend neu orientieren. Da sind Freundschaften unter den Kindern wahnsinnig wichtig. Es macht ihnen den Start leichter, wenn sie schon andere Kinder zum Beispiel aus dem Kindergarten kennen.
Tipp: Eltern können ihrem Kind dabei helfen, seine neue Identität als Schulkind zu finden und zu entwickeln. Die Übergangsphase beginnt in der Regel, während der Kindergartenzeit und endet während des ersten oder zweiten Schuljahres. Dann ist es gut, wenn Eltern ihrem Kind vermitteln, dass jetzt ein aufregender, manchmal anstrengender, aber grundsätzlich spannender Lebensabschnitt beginnt.
Ab wann sind Sorgen durchaus berechtigt?
Sorgen sind angebracht, wenn ein Kind nicht mehr in die Schule gehen will, keine Freunde findet, mit dem Lernfortschritt der Klasse überhaupt nicht mithalten kann oder wenn auffällige Wesensveränderungen stattfinden.
Auch wenn sich das Kind zurückzieht, viel weint oder Alpträume hat, sind das Anzeichen, die Eltern sehr ernst nehmen sollten: Ihr Kind ist in Not und braucht Hilfe.
Wie verändert sich das Eltern-Kind-Verhältnis?
Was vielen Eltern nicht bewusst ist, dass sich durch die Schule nicht nur der Alltag, sondern auch die Beziehung zu ihrem Kind verändert.
Das hat mehrere Gründe:
- mit Lehrern rücken weitere Autoritäten in den Vordergrund
- das Schulkind muss in der Schule ohne die Eltern zurechtkommen
- es muss seinen eigenen Platz finden
- es muss neue Freunde finden
- es erlebt eigene Erfolge und Misserfolge
Dadurch wandelt sich die Identität des Kindes. Es fühlt sich älter und größer als ein Kindergartenkind, auch wenn es in der Schule zuerst wieder zu den Kleinen gehört. Umso schneller will es in der Regel unabhängiger und selbstständiger werden.
Die Eltern müssen lernen, ihr Kind loszulassen. Doch genau das fällt vielen Eltern schwer.
Wie viel Begleitung sollen Eltern ihrem Kind anbieten?
Ganz wesentlich ist die Beziehung zum eigenen Kind. Möchte das Kind, dass die Mutter oder der Vater es bis in das Klassenzimmer begleitet – oder nicht? Es kann ja auch sein, dass das dem Kind furchtbar peinlich ist. Dann würde ich mich immer mit anderen Eltern und der Lehrerin oder dem Lehrer beraten.
Es gibt in manchen Schulen diese Bilder mit der Hand, wo es heißt: "Ab hier schaffe ich es allein." Eine Botschaft für die Eltern also, um hier eine Grenze zu ziehen. Ich glaube nicht, dass das grundsätzlich die beste Lösung ist.
An manchen Schulen, gerade an Brennpunkten, kann die Beteiligung der Eltern sogar immens dazu beitragen, dass erstmals so ein Gefühl entsteht von: Diese Schule ist ein guter Ort.
Wenn Eltern Einsicht haben in das, was in der Schule passiert, fällt es ihnen leichter, Vertrauen zu entwickeln. Auch hier sind wieder die Kommunikation und Partizipation der Eltern wichtig.
MDR (jba)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 17. Juli 2023 | 17:00 Uhr