Vater und Sohn zocken.
Spielen und sich in die Fantasie flüchten - das macht der Mensch nicht erst seit der Erfindung von Handys und Computern. Bildrechte: imago images / Westend61

Der Redakteur | 01.02.2023 Wie spielen wir in der Zukunft?

01. Februar 2023, 21:09 Uhr

Werner Richter aus Erfurt fragt, wie die Zukunft des Spielens aussehen wird. Wird dieese durch künstliche Intelligenz und virtuelle Welten bestimmt? Oder bleibt uns das gute alte Brettspiel erhalten?

Meta-Welten, Künstliche Intelligenz, AR-Brillen, VR-Brillen - es wird unübersichtlich in unserem künftigen Parallel-Universum. Wie werden die neuen Technologien die Spiele der Zukunft beeinflussen? Womit spielen wir und gegen wen?   

Zunächst ein paar Definitionen zum besseren Verständnis. Meta-Welten sind digitale Räume, die durch ein Zusammenspiel von virtueller, erweiterter und auch physischer Realität entstehen. Der Fachbegriff "Metaverse" besteht aus meta = jenseits, ergänzt durch vers aus dem Universum. Und die Begriffe erweitert beziehungsweise virtuell stecken auch in den beiden Brillen.

Virtual-Reality-Brille auf dem Schreibtisch mit Laptop in der Nähe.
Virtual-Reality-Brillen simulieren vor dem Auge künstliche Welten. Bildrechte: Colourbox.de

AR-Brillen (augmented reality) erweitern die Realität. Also: Ich gehe mit einer halbwegs normalen Brille durch eine ganz normale Stadt. Und so ähnlich wie Autos die Verkehrsschilder oder den Tacho in die Frontscheibe einblenden, werden mir auf Wunsch Informationen eingeblendet, die mir bestenfalls weiterhelfen.

Also: Ich schaue in Richtung eines Geschäfts und sehe dessen Öffnungszeiten oder Sonderangebote. Oder mir werden an der Haltestelle die Abfahrtzeiten der nächsten Busse eingeblendet. Und nun lassen wir mal unserer Fantasie freien Lauf, was man daraus spieltechnisch machen könnte, selbst wenn alle um einen Tisch herum sitzen.

Von der Couch aus fremde Welten erkunden

Die VR-Brillen (v = virtuell) hingegen ersetzen die reale Fußgängerzone beziehungsweise den realen Raum mit dem Tisch. Während man durch die AR-Brille noch durchschaut, zeigt die VR-Brille virtuelle Welten Ihrer Wahl. Die Brille umschließt die Augen völlig (wie eine Taucherbrille) und tauscht also quasi das reale Bild gegen ein virtuelles aus. Sie sind dann mittendrin im Geschehen, obwohl Sie auf der Couch sitzen.

Es gibt VR-Brillen, die an Spielkonsolen und PCs hängen; welche, in die man das Handy als Bildschirm reinstecken muss und "Standalone"-VR-Brillen, die keinen weiteren Computer brauchen. Sie sind selbst ein Rechner und die angezeigten Welten kann man direkt auf die Brille hochladen. Das kann eine künstlich geschaffene Spielewelt sein, in der man sich bewegt oder eine von einer 3-D-Kamera - und Mikrofonen - aufgenommene Kirche.

Zu Zeiten von Corona haben Menschen mit 3-D-Brillen an Gottesdiensten teilgenommen.

Dominik Griese-Kentschke Metaverse-Experte/strange-new-worlds.com

Auf diese Art könnte man auch gemeinsam wandern gehen, mit dem Flugzeug fliegen oder gar durchs Weltall - und dort gemeinsame Spielerlebnisse haben, Aufgaben erledigen und (leider) auch kämpfen. Für Dominik Griese-Kentschke beginnt die neue Spielewelt gerade erst, sein "Wohnzimmer" sind virtuelle Welten. Diese zu entdecken und zu bespielen ist für ihn eine sehr spannende Angelegenheit.

Die Phantasie der Spieleentwickler wird grenzenlos sein

Schon heute verschmelzen Spiele, bei denen wir  immer noch ganz analog Männchen über Pappen schieben und virtuelle Ereigniskarten auf einer Handy-App haben. Es wird ganz sicher künftig viele Spiele geben, in denen mehrere reale Tische mit spielenden Menschen irgendwie virtuell verschmelzen. Und dazu gesellen sich vielleicht dann noch virtuelle Mitspieler nebst künstlicher Intelligenz.

Deren Spielstärke kann man dann einstellen: Soll ein gewöhnlicher Physiklehrer beim Physikquiz mitmachen oder nehmen wir den Einstein? Schon heute wird über Ländergrenzen hinweg gegeneinander gespielt oder miteinander, zum Beispiel gegen die künstliche Intelligenz. So wie das bei Schachcomputern Alltag ist.

Spielkonsolen-Spaß in Thüringer Seniorenheimen

Und wer glaubt, dass das alles mal wieder etwas ist, bei dem alte Menschen außen vor sein werden, der irrt. In fast 50 Thüringer Seniorenheimen - deutschlandweit sind es mehr als 500 - gibt es bereits die MemoreBox, eine "Spielkonsole", die auf die Gesten der Senioren reagiert, die zum Beispiel mit Hilfe dieser Technik endlich wieder Kegeln können. Vieles geht sogar im Sitzen.

Die Bewegungen, die nötig sind, um die verschiedenen Spiele zu spielen, wurden gemeinsam mit Physiotherapeuten entwickelt, um verschiedene Muskelpartien zu anzusprechen. Von der hüftsteifen Rumpfmuskulatur bis zur Rotatorenmanschette in der Schulter.

Gesundheitstraining klingt immer nach etwas, das man tun muss. Aber wir spielen alle gern. Wir bringen den Leuten wieder Spaß an der Bewegung bei.

Timm Witte MemoreBox/memore.de

Phantasie spielt auch in der Puppenstube eine große Rolle

Und auch Professor Jens Junge, dessen Wissenschaftsgebiet die Ludologie ist, die Spielewissenschaft, erschrickt nicht vor den neuen Möglichkeiten. Der Mensch hat schon immer versucht, spielerisch in neue Welten einzutauchen. Die Puppenstube war zwar etwas zum Anfassen, aber das, was dort passiert, war reine Phantasie, in die Kinder stundenlang eintauchen können.

Nichts anderes geschieht bei einem Buch. Dieses Eintauchen in Ersatzwelten ist ein Grundbedürfnis von uns Menschen und Inhalt vieler Spiele. Die ersten Puppen waren Tonklumpen oder Holzscheite, dann konnten die Puppen sprechen und nun werden sie eben virtuell.

Ob wir den Alltag vergessen können im Phantasiespiel mit Teddybären und Puppenwelten oder mit digitaler Unterstützung, das macht keinen Unterschied. Es bedient das Grundbedürfnis des Menschen, rauszukommen aus der Realität.

Prof. Jens Junge Ludologe (Spieleforscher)

Künstliche Intelligenz als Gegner oder Spielpartner

Virtuelle Realitäten zu verarbeiten, Problemlösungen zu entwickeln und Emotionen nachzuempfinden sind grundlegende Methoden des Menschseins, sagt Professor Junge. Diese werden nun eben in neue Welten übertragen, in denen wir es auch verstärkt mit künstlicher Intelligenz zu tun haben werden, als Spielpartner oder Gegner.

Und vielleicht trägt die Spielewissenschaft sogar dazu bei, alte Spiele in die neue Zeit zu übertragen. Auch in der Lehr- und Forschungssammlung in Altenburg. Professor Junge und sein Team katalogisieren gerade 42.000 Brettspiele, um mehr zu erfahren über die Regeln und Spielmechaniken.

Texterkennungssoftware hilft hier beim Einlesen und künstliche Intelligenz beim Auswerten und Erfassen, immerhin kann eine Handvoll Wissenschaftler kaum Tausende Spiele spielen, um sie zu verstehen. Und wer weiß, welche Schätze davon vielleicht am Ende die Spiele-Autoren zu "neuen" analogen und virtuellen Spielen animieren.

MDR (jn/ask/mm)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 01. Februar 2023 | 16:40 Uhr

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