Corona-Pandemie Impfen in Russland: "Spritz"-Tour durchs Hinterland
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06. Mai 2021, 13:03 Uhr
Wie kommen in Russland die Corona-Impfungen auch in die entlegensten Regionen? Schon alleine durch seine Größe hat Russland in dieser Hinsicht ein logistisches Problem. Doch Moskau hat dafür eine brauchbare Lösung gefunden: Impfzüge. "Fjodor Uglow" ist einer von ihnen und für die sibirische Region Irkutsk zuständig. Er soll die Spritze in die entlegensten Orte bringen und so zum Erfolg der russischen Impfkampagne beitragen – denn bislang lässt der noch auf sich warten.
Russland hat ein weitverzweigtes Eisenbahnnetz, das tief in die unermesslichen Weiten des Landes reicht. Nun soll es helfen, die flächendeckende Impfung der Bevölkerung voran zu treiben. Dafür wurden "Züge der Gesundheit" mit zusätzlichen Impfwaggons ausgestattet. Sie fahren jene Dörfer und Städte an, die zwar an den Bahnverkehr angeschlossen sind, aber fern der regionalen Zentren liegen.
Vichorewka zum Beispiel. Die sibirische Kleinstadt zählt etwas mehr als 20.000 Einwohner und liegt an der Baikal-Amur-Magistrale. Die regionale Hauptstadt Irkutsk ist mehr als 600 Kilometer entfernt, bis Moskau sind es fast zehn Mal soweit. Zwar gibt es im Ort ein kleines Krankenhaus, Impfungen oder Spezialuntersuchungen hat die Klinik allerdings nicht im Angebot. Dafür müssen die Menschen lange Wege auf sich nehmen. Züge wie "Fjodor Uglow" – benannt nach einem verdienten sowjetischen Chirurgen – sollen ihnen diesen Aufwand ersparen.
"Fjodor Uglow" ist für das Irkutsker Gebiet zuständig, das alleine doppelt so groß ist wie Deutschland. Seit seiner ersten Fahrt im Jahr 2010 steuert der Medizinzug Monat für Monat auf verschiedenen Routen die entlegensten Orte der Region an. Doch seit diesem März muss er jede Strecke zwei Mal fahren, denn auch der russische Impfstoff "Sputnik V" muss in zwei Dosen verabreicht werden.
Mit "Sputnik V" an Bord
Eigens dafür ist an den "Zug der Gesundheit" ein zusätzlicher Waggon angekoppelt worden – mit drei Impfkabinen sowie Kühlmöglichkeiten für den Impfstoff. Auf seiner ersten Spezialtour steuerte der medizinische Zug 15 Bahnhöfe entlang einer Strecke von über 4.000 Kilometern an.
Die Leute würden gerne zu ihnen kommen, erzählt Jevgenij Borodin, Chefarzt des "Fjodor Uglow", der lokalen Nachrichtenseite t24.su. So viele Fachärzte – neben Internisten arbeiten auch Chirurgen, Neurologen, HNO-Ärzte, Endokrinologen, Urologen und Gynäkologen an Bord – finde man in sibirischen Kleinstädten nur selten an einem Ort. Außerdem seien die Wartezeiten kurz und niemand würde je abgewiesen.
Bemühungen um eine höhere Impfquote
Die jüngste Tour sei jedoch deutlich schwieriger gewesen, als jede andere der 60 Fahrten, die er mit "Fjodor Uglow" in den letzten fünf Jahren gemacht hat, so Borodin weiter. Außer den üblichen Untersuchungen sei auch die Möglichkeit zur Impfung aktiv genutzt worden. So haben sich allein zwischen dem 10. und 29. März 2.000 Menschen eine Spritze verpassen lassen.
Speziell ausgerüstete Impfzüge wie "Fjodor Uglow" zeigen, wie sehr die russischen Behörden darum bemüht sind, die Massenimpfungen im Land voran zu treiben. Denn längst ist die dritte Corona-Welle auch in Russland angekommen. Allein für März dieses Jahres hat die russische Statistikbehörde Rosstat eine Übersterblichkeit von 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr festgestellt. Trotzdem kommt die Impfkampagne nur schleppend voran, obwohl sie bereits Anfang Dezember 2020 gestartet ist und damit früher als im restlichen Europa.
Früher Start, schleppender Verlauf
In der Pandemie zeigt sich die russische Bevölkerung als überaus impfskeptisch. Laut dem unabhängigen Levada-Institut wollten sich Ende Februar nur 30 Prozent der Russinnen und Russen mit "Sputnik V" impfen lassen. Augenscheinlich wird die Impfskepsis auch beim Blick ins russische Internet: Wenn man in der russischen Suchmaschine Yandex "warum" in die Suchleiste eingibt, erscheint als erster Suchvorschlag "warum es sich nicht lohnt, die Impfung zu machen".
Der "Fjodor Uglow" soll dem Misstrauen der Bevölkerung mit einer positiven Geschichte entgegentreten. Doch ob das gelingt, bleibt abzuwarten. Denn die Impfkampagne läuft schleppend. Im gesamten Irkutsker Gebiet mit seinen rund 2,5 Millionen Einwohnern haben zum 20. April rund 140.000 Menschen ihre erste Impfung erhalten – gerade einmal sechs Prozent der Bevölkerung. Russlandweit ist dieser Wert mit 8,5 Prozent nur unwesentlich höher. Zum Vergleich: in Deutschland sind inzwischen über 28 Prozent der Bevölkerung erstgeimpft.
Dieses Thema im Programm: MDR Aktuell FERNSEHEN | 23. April 2021 | 17:45 Uhr