Kupferabbau in Rumänien Siebenbürgen: Dörfer versinken im Giftschlamm
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17. Januar 2020, 06:00 Uhr
Rumäniens Karparten sind reich an Kupfer. Doch durch den Abbau des Metalls gelangt tonnenweise Giftschlamm in einen künstlichen See, der ganze Dörfer unter sich begräbt. Wasserproben des MDR zeigen: Der See ist höchstgradig kontaminiert.
Orange-braunes Wasser fließt langsam aber stetig voran in einen künstlichen See - es macht keinen Halt und begräbt alles unter sich. Die Kirche des Dorfes Geamana, 500 Kilometer von der Hauptstadt Bukarest entfernt, ist schon lange in dem künstlichen Gewässer versunken. Nur noch wenige Bauern leben am Rande des Dorfes und bauen hier Gemüse an. Spätestens in zwei Jahren müssen sie fortziehen. Denn dann wird das Wasser auch ihre Häuser erreicht haben.
Seit Jahren steigt der Wasserspiegel des künstlichen Gewässers, weil kontaminierte Schlämme der nahegelegenen Kupfermine Roisa Poieni hineingeleitet werden. Der rumänische Staatschef Nicolae Ceausescu hatte 1978 beschlossen, das Tal als riesige Abwasserhalde zu nutzen. Noch immer ist die Mine in staatlicher Hand. Sie enthält mit mehr als 1,2 Milliarden Tonnen Kupfererz das größte Kupfervorkommen Rumäniens. Ihr Gesamtwert wird auf 13-14 Milliarden Euro geschätzt. Mircea Goia leitet den Tagebau für das staatliche Unternehmen Cupru Min: "Es ist völlig klar und da müssen wir realistisch sein, dass es keine industrielle Tätigkeit ohne Folgen für die Umwelt geben kann. Besonders beim Bergbau wird die Umwelt belastet."
Auswirkungen unklar
Das Metall Kupfer wird für Elektromobilität verstärkt nachgefragt. Für seine Gewinnung wird das abgebaute Kupfererz fein gemahlen und die Kupfermineralien in einer Art Schaumbad mit Hilfe von Luft und Zusatzstoffen vom Rest getrennt. Die Reste werden dann ins Tal "abgeleitet". Welche Auswirkungen der Kupferschlamm auf die Gesundheit hat, darüber gibt es nur Vermutungen. Die darin enthaltenen Chemikalien lassen das Wasser in den unterschiedlichsten Farben schimmern. Mal schlammig grau, dann wieder rostbraun. Und an anderen Stellen glänzt der See azurblau wie die Südsee. Eine bizarre und trügerische Idylle.
Laut Minenbetreiber: keine Gefahr für die Gesundheit
Alles sei sauber, versichert man hingegen beim Minenbetreiber Cupru Min. Amarei David Sorinel ist der Umweltmanager des Unternehmens. Regelmäßig würden Mitarbeiter von Cupru Min Wasserproben entnehmen und analysieren. Anderslautende Informationen seien falsch, es gebe keinen Giftschlamm in der Region. "Wir sorgen dafür, dass das Wasser, welches aus dem Staudamm durch Rohre eingeleitet wird, den Qualitätsnormen entspricht, welche die rumänische Umweltbehörde aufgestellt hat."
Wasserproben des MDR zeigen: Das Wasser ist kontaminiert
Wir entnehmen vor Ort eine Wasserprobe und lassen sie in Deutschland labortechnisch überprüfen. Es werden relevante Gehalte an giftigen Schwermetallen gefunden: Kuper, Cadmium, Zink. Der Schlamm ist nach deutschen Standards als sehr hoch belastet einzustufen und überschreitet die deutschen Grenzwerte um ein Vielfaches. Das Labor teilt mit, dass diese Schwermetalle gefährlich für die Gesundheit der Menschen sind, die am See leben. Denn die nehmen diese Stoffe über den Magen-Darm-Trakt auf, wenn sie das Gemüse und das Getreide essen, welches sie dort anbauen.
Kritik oder Protest kommt von wenigen in der Region. Denn die Menschen vor Ort sind auf Cupru Min angewiesen. 550 Euro beträgt der durchschnittliche Verdienst in der Bergbauregion in den westlichen Karpaten. Arbeitslosigkeit oder Abwanderung wäre die Alternative zur Arbeit im Tagebau.
Entschädigungen waren zu wenig
Bewohner von Geamana glauben, dass der Giftsee inzwischen auch das Grundwasser verunreinigt hat. Doch der Grubenbetreiber meint, dass die Bewohner bereits vom kommunistischen Staat entschädigt worden seien. Auch Cornel Holhorea hatte dort gelebt. Sein Haus liegt inzwischen im See. Es war ein großes Anwesen mit Garten. Vom rumänischen Staat hat er in den 1980er-Jahren 40.000 Lei dafür erhalten - damals umgerechnet ungefähr 2.600 Dollar. "Sie haben uns über's Ohr gehauen. Sie haben uns nur Kleingeld für den Quadratmeter des Grundstücks gezahlt. Das war gar nichts."
Kirche aus Vinta konnte gerettet werden
Geamana ist nicht das einzige Dorf, das in seiner Existenz bedroht ist. Im benachbarten Vinta konnte jedoch die Kirche, anders als in Geamana, gerettet werden. Buchstäblich im letzten Moment konnte das Gebäude demontiert werden und soll an einer anderen Stelle aufgebaut werden. Inzwischen hat der See den einstigen Standort der Kirche verschluckt.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL FERNSEHEN | 18. Januar 2020 | 18:00 Uhr