Modell Tamara Kretschmer schlüpfte erneut in die begehrte Rolle des legendären Aschenbrödels mit dem Ballkleid. Hier reitet sie das legendäre Filmpferd Catano
Schloss Moritzburg bei Dresden war einer der Drehorte für den Märchenklassiker "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel". Auf dem Bild trägt ein Model das Originalkleid aus dem Film. Bildrechte: picture alliance / imageBROKER | Sylvio Dittrich

Märchenfilme Tschechien: Warum sich Aschenbrödel & Co für Fernsehsender lohnen

19. Dezember 2024, 16:40 Uhr

Der Film "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" ist in Tschechien so beliebt, dass Fernsehsender hohe Summen für eine Sendelizenz für den 24. Dezember zahlen würden. Seit zehn Jahren entscheidet aber nicht mehr das höchste Gebot, welcher Sender den Zuschlag bekommt.

Der tschechische Journalist Robert Schuster
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Weihnachten ist in Tschechien traditionell auch ein Fest der Fernsehmärchen. Sie gehören ebenso zu den Festtagen, wie Plätzchen, ein geschmückter Weihnachtsbaum oder Kartoffelsalat. Da den Fernsehsendern an jenen Tagen hohe Einschaltquoten sicher sind, muss das Weihnachtsprogramm aber auch etwas hermachen. Nach wie vor ist das Märchen "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" der Favorit des Publikums – eine Co-Produktion der einstigen Tschechoslowakischen Filmstudios mit der DEFA aus dem Jahr 1973.

Lizenz für "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" sehr begehrt

In Tschechien ist das Fernsehmärchen mit Libuše Šafránková in der Rolle des Aschenbrödel bei den Zuschauern derart beliebt, dass das tschechische Nationale Filmarchiv (NFA) vor mehr als zehn Jahren zu einer ungewöhnlichen Maßnahme griff: Um zu verhindern, dass sich die Fernsehsender jedes Jahr in einen Überbietungswettbewerb um die Lizenz stürzen, ist seitdem für die Ausstrahlungsrechte in Tschechien nicht das höchste Gebot ausschlaggebend, sondern es wird ausgelost, wer den Zuschlag für die "Drei Haselnüsse" erhält. Ganz konkret entscheidet das Los, wer als erstes aus dem Angebot des NFA auswählen darf. Der Sender, der die Nummer Eins zieht, greift in der Regel umgehend nach dem Märchenklassiker.

In diesem Jahr sorgte das für so etwas wie eine Premiere: Der Märchenklassiker wird nämlich erstmals nicht von einem der drei großen landesweiten TV-Sender ausgestrahlt. Stattdessen erhielt die Fernsehsparte des tschechischen Internetunternehmens Sezanm.cz den Zuschlag. Seznam.cz betreibt unter anderem eine Suchmaschine und ein Nachrichtenportal. Und eben auch einen Fernsehkanal, dessen Anteil am Fernsehmarkt aber derzeit bei gerade einmal zwei Prozent liegt. Dieses Jahr dürfte dieser Wert zumindest Weihnachten kurzzeitig in die Höhe schnellen.

"Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" bis heute stilprägend

Wer in Tschechien Märchenfilme dreht, für den bleiben die "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" das Maß aller Dinge, meint die Filmkritikerin Martina Vacková. Der Film sei auch Jahrzehnte nach seiner ersten Ausstrahlung noch so beliebt, weil er immer noch recht modern wirke. "Die Hauptfigur ist im Grunde eine junge emanzipierte Frau, die sich nicht in die gängigen Muster hineinzwängen lässt. Ebenso wenig in die erwartbare Rolle eines armen, verstoßenen Mädchens, das sich irgendwo in eine Ecke duckt und seinem Schicksal ausgeliefert ist. Im Gegenteil, Aschenbrödel ist eine Frau, die ein Pferd reitet, selbstbewusst ist und eigene Wünsche hat."

Die "Drei Haselnüsse" waren laut Vacková auch aus einem anderen Grund stilprägend. Der Film passe so gut in die Weihnachtszeit, weil er in einer verschneiten Landschaft spielt. Deswegen haben später auch andere Regisseure das Wintermotiv aufgegriffen und damit einen Erfolg gelandet. Filmkritikterin Vacková denkt da an andere beliebte Märchen wie "Engel des Herrn" (tschechisch "Anděl Páně") oder "Die zwölf Monate" (tschechisch "Dvanáct měsíčků").

Tschechische Tradition: Zu jedem Fest ein neues Märchen

Schon in der ehemaligen Tschechoslowakei hatten Märchenfilme einen hohen Stellenwert. So mag es vielleicht überraschen, dass die Idee, speziell für die Weihnachtszeit ein Märchen zu verfilmen, erst etwa dreißig Jahre alt ist, findet Vacková. "Um das Jahr 1994 herum hat das Tschechische Fernsehen damit begonnen, regelmäßig Märchen für die Weihnachtsfeiertage zu produzieren. Viele Regisseure fühlen sich geehrt, wenn sie den Auftrag dafür erhalten."

Beim öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen (Česká televize – ČT) ist Programm-Chef Milan Fridrich maßgeblich an der Produktion der Fernsehmärchen beteiligt. Auch wenn sich die Geschichten oder auch die Herangehensweisen der Filmemacher unterscheiden mögen, sagt Fridrich im MDR-Interview, gebe es ein paar "Zutaten", die bei einem erfolgreichen Film nicht fehlen dürfen. Der Wettstreit zwischen Gut und Böse etwa, oder die traditionellen Figuren wie König, Prinzessin und Prinz. Aber auch Humor müsse dabei sein, der ist laut Fridrich ganz besonders wichtig.

Dialoge aus Märchenfilmen haben Kult-Potential

Gerade bei den Märchen aus jüngerer Zeit sind einige Dialoge zwischen den Hauptfiguren oder einzelne Redewendungen derart beliebt wurden, dass sie in den Sozialen Medien viral gingen und auch in den gewöhnlichen Sprachgebrauch Einzug hielten. Gut zu beobachten sei das beim Weihnachtsmärchen des Regisseurs Jiří Strach "Engel des Herren", welches zu den erfolgreichsten Filmen der jüngeren tschechischen Filmgeschichte überhaupt gehört, meint Fridirch. Ebenso sei es typisch, dass auch das vermeintlich Böse nicht absolut böse sei, sondern stellenweise auch positive, sogar drollige Momente habe, wie eben in Jiří Strachs Geschichten.

Milan Fridrich erwähnt noch einen letzten wichtigen Baustein für ein erfolgreiches Weinachtsmärchen: "Ganz wichtig ist, dass es auch integrativ wirkt. Dass dort zum Beispiel Figuren aller Generationen vorkommen und das Ganze damit abrunden," so der Fernseh-Manager im Gespräch mit dem MDR.

Märchenfilme zwar teuer, bringen aber Quote

Nicht zuletzt betreibt das öffentlich-rechtliche Fernsehen die Produktion von Märchenfilmen auch mit einigem Aufwand. Programm-Chef Fridrich beziffert die Kosten eines Films in tschechischen Kronen auf einen zweistelligen Millionenbetrag. Das seien aber lohnende Investitionen, da solche Geschichten großes Potenzial hätten. Sie könnten nämlich zumindest in den nachfolgenden zehn Jahren zu praktisch jeder Jahres- und Sendezeit wiederholt werden, was die hohen Produktionskosten relativiere.

Bei der Herstellung der Märchen spielt auch die Zusammenarbeit mit ausländischen Sendern eine immer größere Rolle. Mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen der Slowakei sei diese besonders eng. Die slowakischen Kollegen sind aber bei weitem nicht die einzigen, wie Fridrich von Česká televize hinzufügt: "Die meisten unserer Märchen entstehen in Co-Produktion, beteiligt ist unter anderem auch der deutsche Kinderkanal KiKa, was bei den Kosten hilft." Sowohl Außendrehs als auch viele Schauspieler seien nötig.

Und wie lange vor dem nächsten Fest werden die Weihnachtsmärchen geplant? Laut Fridrich geschieht das immer anderthalb Jahre im Voraus. Mit anderen Worten: Schon jetzt steht fest, welches Märchen bei Česká televize nächstes Jahr auf dem Programm steht. Das Geheimnis soll aber erst im Herbst 2025 gelüftet werden. Schließlich soll sich das Publikum voll auf die diesjährige Premiere des Weihnachtsmärchens "Die drei Prinzessinnen" (tschechisch "Tři princezny") konzentrieren.

Aschenbrödel im Fernsehen – Sendetermine 2024/25

  • 22. Dezember, 14.15 Uhr: NDR
  • 24. Dezember, 13.40 Uhr: ARD
  • 24. Dezember, 14.55 Uhr: BR
  • 24. Dezember, 16.45 Uhr: NDR
  • 24. Dezember, 20.15 Uhr: WDR
  • 25. Dezember, 9.50 Uhr: ARD
  • 25. Dezember, 16.35 Uhr: rbb
  • 25.Dezember, 18.50 Uhr: One
  • 26. Dezember, 17.25 Uhr: MDR
  • 29. Dezember, 12 Uhr: KiKA
  • 30. Dezember, 11.50 Uhr: hr
  • 31. Dezember, 3.50 Uhr: hr
  • 1. Januar, 14.20 Uhr: SWR
  • 6. Januar, 11.15 Uhr: BR

MDR (usc/baz)

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 21. Dezember 2024 | 07:22 Uhr

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