Porträt Vom Außenseiter zum Landrat: Sven Gregor ist der erste Landrat der Freien Wähler in Südthüringen
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12. Juli 2024, 12:09 Uhr
Seit der Kommunalwahl stellen die Freien Wähler zwei Landräte in Thüringen: Thomas Ahke im Nordwesten und Sven Gregor im Süden. Wie Gregor im Kreis Hildburghausen vom belächelten Außenseiter zum Wahlsieger wurde.
Schon vor zwei Jahren hat Sven Gregor angekündigt, dass er Landrat werden möchte. Manche haben ihm damals - natürlich nur hinter vorgehaltener Hand - Größenwahn vorgeworfen. Seit geraumer Zeit trägt sein privates Auto das Nummernschild HBN-LR. Auch das ist von vielen belächelt worden. Dem Gespött zum Trotz hat er sein Ziel souverän erreicht. Und nicht nur das.
Sven Gregor lag schon im ersten Wahlgang im Kreis Hildburghausen vorne. In der Stichwahl gegen den Neonazi Tommy Frenck setzte sich der 47-Jährige mit fast 70 Prozent der Stimmen deutlich durch. Dass vor und nach der Stichwahl vor allem in den überregionalen Medien mehr über Frenck geschrieben und gesprochen wurde, ärgert Gregor. Aber groß thematisieren möchte er das nicht mehr. Schließlich gebe es jetzt wichtigere Dinge zu tun.
Im Gemeinderat fing alles an
Sven Gregor ist in Bockstadt bei Eisfeld aufgewachsen. Seine ersten lokalpolitischen Erfahrungen machte er als Gemeinderat, später als Bürgermeister des Dorfes. Seit Juli 2009 sitzt Gregor für die Freien Wähler im Hildburghäuser Kreistag. 2012 der nächste politische Karrieresprung. Sven Gregor wird Bürgermeister der Kleinstadt Eisfeld. Bockstadt wurde als Ortsteil eingemeindet. Als Rathauschef findet er schnell seine Rolle. Es zeigt sich, dass er ein Händchen dafür hat, die Mehrheit der Stadträte hinter sich zu vereinen und Kompromisse zu finden.
Talentierter Mehrheiten-Beschaffer
Gregor bindet auch immer wieder die Einwohner ein und etabliert in der Stadt sogenannte Ideen-Werkstätten. Dort können die Eisfelder beispielsweise darüber diskutieren, was mit dem baufälligen Volkshaus werden soll. Mitten in der Corona-Pandemie organisiert Gregor eine Impfaktion in der Eisfelder Kirche. In anderen Orten des Landkreises müssen die Menschen noch Wochen auf einen Termin warten.
Ich war schon überrascht, als ich bei der Mitarbeiterversammlung plötzlich vor 300 Menschen stand.
Fast zwei Wochen hat der Neue im Landratsamt nun schon hinter sich. Eines hat Gregor schnell festgestellt. Leiter einer Kreisbehörde zu sein, ist doch noch mal eine andere Hausnummer.
"Man muss viel mehr Entscheidung treffen, als das vorher als Bürgermeister war. Jedes Amt braucht irgendwelche Entscheidungen, irgendwelche Unterschriften. Und oftmals war ich schon in Eisfeld genervt von vielen Unterschriftsmappen. Aber ich muss feststellen: Im Landratsamt ist es noch mehr", sagt Gregor. Auch habe er es mit deutlich mehr Mitarbeitern zu tun. "Ich war schon überrascht, als ich bei der Mitarbeiterversammlung plötzlich vor 300 Menschen stand." Gregors erste Eindruck: Die Behörde mache einen besseren Job als gedacht.
Positive Überraschungen
"Da bin ich ehrlich gesagt auch ein Stück weit positiv überrascht. Weil man jetzt auch mal den Blick von innen hat. Sonst hat man den ja immer nur von außen. Was ich halt festgestellt habe, ist, dass, was gut gemacht wird, wird nicht nach außen verkauft. Man hört immer nur davon, was schlecht läuft", so Gregor. Er will deshalb im Landratsamt so schnell wie möglich eine Pressestelle einrichten und die Öffentlichkeitsarbeit stärken. Auch Social-Media-Kanäle sollen künftig bedient werden.
Manchmal hilft schon das Zuhören
Schnellschüsse oder drauf los reden, das ist nicht das Ding eines Sven Gregor. Das spürt man sofort, wenn man ihn auf Terminen beobachtet. Lieber hört er erst einmal zu und schweigt. Darauf angesprochen grinst er spitzbübisch und meint, dass ihm das wohl ein bisschen in den Genen liege. "Ich bin der Meinung, dass es manchmal auch ganz einfach ausreicht, nur zuzuhören. Weil derjenige, der mir gegenüber ist, ganz einfach sein Problem, seinen Frust loswerden will. Und das hilft manchmal schon mal, ohne dass ich überhaupt eine Lösung vorschlagen muss", sagt der frischgebackene Landrat.
Auch bei einem Gespräch mit Landwirten auf dem Gelände der Agrar GmbH in Streufdorf hält es Gregor so. Geschäftsführer Toralf Müller plagen neue Vorschriften. Das Güllebecken an der Biogasanlage muss für den Emissionsschutz ein Dach bekommen. Für Müller ist das nicht finanzierbar. Gregors Antwort fällt diplomatisch aus: "Wir müssen uns das genau anschauen, was man im Rahmen der Gesetze machen kann." Landwirt Müller hat keine Lösung präsentiert bekommen, aber immerhin das Gefühl, verstanden worden zu sein.
Regiomed-Pleite als größte Herausforderung
Die Zukunft des Krankenhauses in Regiomed-Krankenhauses in Hildburghausen und der Medizinischen Versorgungszentren im Landkreis bereitet dem frischgebackenen Landrat aktuell die größten Sorgen. "Momentan ist es sicherlich die größte Aufgabe, die ganzen Folgen aus der Insolvenz erst einmal zu begreifen. Welche Auswirkungen das auch finanziell auf den Kreishaushalt hat", so Gregor.
Auf der anderen Seite müssten Lösungen gefunden werden, wie das Krankenhaus und die Arztpraxen weitergeführt werden können. Hier müssten schnelle Entscheidungen getroffen werden. Die Kreisräte will er in dieser Angelegenheit deutlich besser informieren als sein Vorgänger. Nur so könnten sie auch gute Entscheidungen im Sinne der Bürger treffen.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung dieses Textes hatten wir geschrieben, Sven Gregor sei der erste Landrat der Freien Wähler in Thüringen. Das ist nicht korrekt, da Thomas Ahke aus dem Unstrut-Hainich-Kreis ebenfalls den Freien Wählern angehört. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen und haben ihn korrigiert.
MDR (bee/cfr)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 12. Juli 2024 | 19:00 Uhr
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