Theater in Jena Perspektiven ostdeutscher Frauen auf der Bühne
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30. Januar 2025, 03:00 Uhr
Frauen verschiedenen Alters erzählen frei aus ihrem Alltag, von ihren Sehnsüchten und Hoffnungen: Der 1977 von Maxie Wander zusammengestellte Porträtband "Guten Morgen, du Schöne" avancierte in der DDR zum Kultbuch. Auch die jungen Theaterschaffenden Musa Kohlschmidt und Julius Böhm vom Theaterhaus Jena hat das Buch inspiriert. Sie haben Frauen der Gegenwart zu ähnlichen Themen wie Wander zu DDR-Zeiten befragt – und mit "Guten Morgen, Zukunft" ein Theaterstück daraus entwickelt.
- Für ein Theaterstück haben junge Theaterschaffende Frauen aus Thüringen zu ihrem Alltag und ihren Perspektiven aufs Leben befragt.
- Dabei gibt es erstaunliche Parallelen zu Themen, die Frauen zu DDR-Zeiten bewegten.
- Solche privaten Geschichten kommen den jungen Theaterleuten bei der Beschäftigung mit der DDR zu kurz.
Manche Bücher verlieren nicht an Aktualität: Musa Kohlschmidt, Jahrgang 1997, und Julius Böhm, geboren 1993, bekamen vor einigen Monaten unabhängig voneinander das Buch "Guten Morgen, du Schöne" von Maxie Wander in die Hand gedrückt. Sie lasen es und erhielten als DDR-Nachgeborene neue Perspektiven auf die Vergangenheit.
"Faszinierend für uns waren diese sehr privaten Einblicke", erinnert sich Julius Böhm bei MDR KULTUR. "In dem Buch ploppen einzelne Geschichten auf, die zusammen ein gesellschaftliches Bild ergeben, was mir vorher nicht sehr bekannt war." Seine Kollegin Musa Kohlschmidt ergänzt: "Diese Frauen erzählen so selbstbestimmt von sich, ihren Ängsten und Träumen. Und daraufhin kam uns der Gedanke: Wie ist das denn heute?"
Töchter befragen in Jena die Mütter
Das war der Ausgangspunkt für die Inszenierung "Guten Morgen, Zukunft", die am Donnerstagabend ihre Uraufführung am Theaterhaus Jena erlebt. Die beiden jungen Theaterschaffenden haben im vergangenen Sommer Frauen aus Thüringen zu ihrem Alltag und ihren Perspektiven aufs Leben befragt, Teenager waren genauso dabei, wie über 80-Jährige.
Aus den Antworten der Frauen haben sie drei Figuren entwickelt, die im Stück nun die "Töchter" darstellen. Sie treffen auf die "Mütter", adaptierte Figuren aus "Guten Morgen, du Schöne". Die junge Generation befragt die ältere, wie Kohlschmidt beschreibt: "Die Töchter wollen vor allem wissen, was in ihnen weiterlebt: Was habt ihr uns vererbt, gesellschaftlich und privat. Und wie wollen wir damit umgehen?"
DDR und heute: Unterschiedlicher Blick auf die Zukunft
Es sind viele Fragen, die in diesem Stück gestellt werden. Es geht um weibliche Perspektiven früher und heute, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede: "Bei den Forderungen zur Gleichberechtigung erschrickt man fast, so ähnlich hören sie sich über die Jahre an", konstatiert Musa Kohlschmidt. Für Julius Böhm zieht sich die innere Zerrissenheit durch – das Gefühl, angesichts von Arbeit und Familie niemandem richtig gerecht zu werden.
Bei den Forderungen zur Gleichberechtigung erschrickt man fast, so ähnlich hören sie sich über die Jahre an.
Bei anderen Themen dagegen konnten die beiden große Unterschiede in den Ansichten früher und heute ausmachen. Etwa beim Blick in die Zukunft. Während die Frauen zu DDR-Zeiten die Zukunft noch für sich beanspruchten und positiv nach vorn schauten, sah das bei den Interviewpartnerinnen der Gegenwart ganz anders aus, erzählt Kohlschmidt: "Sie waren oft sehr zurückhaltend, was ihre Zukunft angeht. Da kamen so Antworten wie: 'Was soll ich denn da sagen, es ist so eine schreckliche Welt'."
Frauen des Ostens brauchen mehr Aufmerksamkeit
Insgesamt, sagen Kohlschmidt und Böhm, brauche es noch viel mehr Aufmerksamkeit für die Frauen des Ostens. Das System DDR sei in den vergangenen Jahren ausgiebig analysiert worden, die privaten Geschichten seien vor diesem Hintergrund aber viel zu wenig erzählt worden. Und die Erfolge der DDR-Frauenbewegung seien geradezu weggewischt worden.
Die beiden jungen Theaterschaffenden wollen für Sichtbarkeit sorgen – und sehen bei dem Thema noch viel Gesprächsbedarf. Das habe allein die Aufmerksamkeit für das im vergangenen Jahr erschienene Buch "Drei ostdeutsche Frauen betrinken sich und gründen den idealen Staat" gezeigt. "Wir möchten zum Gespräch anregen, gerade weil es auch unterschiedliche Wahrnehmungen zur DDR-Geschichte gibt", sagt Böhm. Wie passend, dass es bei jeder Aufführung selbstgebackenen Kuchen geben wird, in der Hoffnung auf eine lockere und offene Atmosphäre.
Informationen zum Stück
"Guten Morgen, Zukunft" am Theaterhaus Jena
Schillergässchen 1 / 07745 Jena
Konzept, Text und Regie: Musa Kohlschmidt
Konzept und Bühne: Julius Böhm
Kostüm: Lea Knippenberg
Es spielen: Mona Louisa Hempel, Thato Kämmerer, Luana Velis
Premiere: 30.01.2025 (ausverkauft)
Weitere Vorstellungen (Auswahl): 01., 06., 07.02.2025
Tickets: 18 Euro, ermäßigt 9 Euro
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 30. Januar 2025 | 07:10 Uhr