Mario Voigt
Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt. Bildrechte: picture alliance/dpa/Martin Schutt

Erwerb von Wohneigentum Brombeer-Regierung kürzt Familienförderung, die CDU 2023 mit AfD und FDP beschlossen hatte

10. April 2025, 11:49 Uhr

Seit 2024 fördert der Freistaat Thüringen Familien beim Erwerb von Wohneigentum mit bis zu 20.000 Euro. Die Fördergelder werden stark nachgefragt, trotzdem hat die CDU-geführte Regierung die Mittel dafür in diesem Jahr spürbar gekürzt. Dabei hatte die CDU 2023 das zugrunde liegende Gesetz so sehr gewollt, dass sie es gegen den Willen der rot-rot-grünen Minderheitsregierung beschlossen hatte - mit den Stimmen der rechtsextremen AfD.

Eigentlich wäre es nur eine Randnotiz im neuen Thüringer Landeshaushalt: Die Brombeer-Regierung hat das Förderprogramm für den Erwerb von Wohneigentum für Familien um vier Millionen Euro gekürzt. Statt zehn Millionen Euro, die die rot-rot-grüne Regierung im Haushalt 2024 für das Förderprogramm eingeplant hatte, werden in diesem Jahr lediglich sechs Millionen Euro bereitgestellt.

Das allein ist nichts Besonderes. Dass nach einem Regierungswechsel Fördermittel neu gewichtet und verteilt werden, ist durchaus üblich. Was die Sache so eklatant macht, ist der Fakt, dass die CDU das Förderinstrument 2023 als Oppositionspartei selbst beschlossen und der damaligen rot-rot-grünen Minderheitsregierung aufgezwungen hatte - mit Hilfe der FDP und der rechtsextremen AfD.

"Ich kann nicht gute, wichtige Entscheidungen für den Freistaat, die Entlastung für Familien und der Wirtschaft davon abhängig machen, dass die Falschen zustimmen könnten", verteidigte CDU-Chef Mario Voigt das Abstimmungsverhalten seiner Partei damals gegen bundesweite Kritik.

Der erprobte Tabubruch

Rückblick: Am 14. September 2023 passierte das Gesetz zur Senkung der Grunderwerbssteuer den Thüringer Landtag. Mit 46 zu 42 Stimmen hatten sich CDU, FDP, AfD und drei fraktionslose Mitglieder gegen die rot-rot-grüne Minderheitsregierung in der namentlichen Abstimmung durchgesetzt. Es war das erste Mal, dass die CDU auf Landesebene mit der AfD gemeinsame Sache machte, um ein Gesetz zu beschließen. 

Bis heute beharrt die CDU auf ihrem Standpunkt: Da es nie eine Absprache mit dem rechtsextremen AfD-Landesverband um Björn Höcke gegeben habe, könne von Zusammenarbeit keine Rede sein. Es ist die gleiche Argumentation, die der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz nutzte, um seine Migrationsabstimmung am 29. Januar 2025 im Bundestag zu rechtfertigen, die deutschlandweit Proteste auslöste.

Die Thüringer CDU um Mario Voigt hat diesen Tabubruch seit der Ministerpräsidentenwahl von Thomas Kemmerich am 5. Februar 2020 mehrere Male erprobt. Oft ging es dabei um Symbolpolitik, wie das umstrittene Genderverbot oder Anträge mit geringer Gestaltungswirkung wie die Änderung des Waldgesetzes, mit dem der Windradausbau blockiert werden sollte.

Rot-Rot-Grün setzte CDU-Familienpolitik um

Doch die Senkung der Grunderwerbssteuer hat bis heute signifikante realpolitische Folgen: bis zu 60 Millionen Euro weniger Steuereinnahmen pro Jahr. Zudem verpflichtet das Gesetz in einem zusätzlichen Paragrafen dazu, Fördermittel für den Ersterwerb von Wohneigentum für Familien bereitzustellen.

2024 kam die rot-rot-grüne Regierung dem nach und stellte zehn Millionen Euro an Fördermitteln in den Haushalt ein. Sie setzte damit die "gute und wichtige" CDU-Familienpolitik um.

Umso befremdlicher erscheint es nun, dass ausgerechnet die CDU-geführte Landesregierung den Rotstift bei der Wohnraumförderung für Familien ansetzt, zumal das Programm bis heute auf große Nachfrage stößt, wie die Thüringer Aufbaubank (TAB) und das Infrastrukturministerium MDR THÜRINGEN bestätigten.

Fördermittel werden 2025 schnell erschöpft sein

Im Jahr 2024 schöpfte die TAB die Fördermittel völlig aus. Insgesamt wurden 699 Eigentumskäufe mit bis zu 20.000 Euro gefördert. Weitere 77 Anträge seien abgelehnt worden. Die Gesamtfördersumme beziffert die TAB mit insgesamt 7.859.648,49 Euro.

Die Differenz zu den vorgesehenen 10 Millionen Euro im Haushalt 2024 erklärt das Thüringer Infrastrukturministerium mit einmaligen Verwaltungskosten in Höhe von knapp einer Million Euro, die für die Implementierung der Fördermaßnahme anfielen. Etwas mehr als eine Million Euro fiel der Globalen Minderausgabe zum Opfer

Zum Aufklappen: Was ist eine Globale Minderausgabe?

Globale Minderausgaben sind Ausgabenkürzung in einem Haushalt, die global, also für den gesamten Haushaltsplan mit allen Ressorts, veranschlagt sind und sich nicht auf eine bestimmte Investition beziehen. Geplante Investitionen werden dadurch verzögert oder vermindert. Gleichzeitig bekommt die Regierung die Möglichkeit, die Ausgabenkürzung innerhalb eines Etats, also den nicht ausgegebenen Geldbetrag, zu erwirtschaften.

Unabhängig davon konnten die Thüringer Familien weitere Anträge stellen, die sich bei der Thüringer Aufbaubank inzwischen türmen: 378 Anträge liegen dort auf Halde und warten auf die Freigabe der Mittel, die nach dem Haushaltsbeschluss von letzter Woche bald erfolgen dürfte.

Familien, die planen, 2025 ein Haus, ein Baugrundstück oder eine Wohnung zu kaufen, aber noch keinen Antrag gestellt haben, sollten jetzt schnell sein. Denn die sechs Millionen Euro Fördermittel dürften 2025 schon Mitte des Jahres aufgebraucht sein. Sie werden - nimmt man 2024 als Maßstab - für nur rund 530 Anträge reichen.

Förderprogramm entstand während der Verhandlungen mit Rot-Rot-Grün

Das alles könnte der CDU nun etwas unangenehm sein. Nicht nur, weil Rot-Rot-Grün die von der CDU beschlossene Familienförderung mit einem kleineren Haushalt auskömmlicher finanzierte als die heutige CDU-geführte Regierung.

Es könnte ihr auch deshalb unangenehm sein, weil sie das Förderprogramm womöglich von Rot-Rot-Grün stillschweigend übernahm. Nach MDR-Informationen hatte die Minderheitsregierung um Bodo Ramelow das Programm als Kompromisslösung in den Verhandlungen mit der CDU vorgeschlagen, um die Grunderwerbssteuersenkung zu verhindern. Der CDU gefiel das Förderprogramm so gut, dass sie den Kompromiss ablehnte, das Programm aber zusätzlich in ihren Antrag einbaute.  

Dem widerspricht die CDU vehement. Erst am Donnerstagmorgen äußerte sich der CDU-Fraktionsvorsitzende Andreas Bühl schließlich auf eine MDR-Anfrage: Das Förderprogramm sei auf Initiative der CDU mit der nicht öffentlichen Vorlage 7/4975 in die Beschlussvorlage gekommen. Zu diesem Zeitpunkt liefen die Verhandlungen mit Rot-Rot-Grün im Haushaltsausschuss schon.

Fakt ist: Öffentlich tauchte das Förderprogramm erst ein dreiviertel Jahr nach dem ersten Gesetzesentwurf der CDU mit der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses vom 8. September unter Paragraf 2 auf. Der am Ende im Landtag beschlossene Antrag basiert auf dieser Beschlussempfehlung.

CDU hält sechs Millionen für auskömmlich und kann Kürzung nicht erkennen

In der Stellungnahme widerspricht Andreas Bühl auch der Darstellung dieses Artikels, dass die Brombeerregierung eine Kürzung vorgenommen habe: "Der Entwurf des Haushaltes wurde von der Rot-Rot-Grünen Vorgängerregierung aufgestellt. Darin wurde das Förderprogramm von zehn Millionen auf vier Millionen gekürzt. Die Fraktionen der neuen Regierungskoalition haben mit ihren Änderungen den Ansatz wieder um 50% auf nun sechs Millionen erhöht. Es ist demnach nicht korrekt, dass die neue Koalition hier gekürzt hätte", so Bühl.

Bühl gibt die Genese des Haushalts hier korrekt und richtig wieder, seine Schlussfolgerung ist aber falsch. Denn am Ende zählt für die Thüringer kein rot-rot-grüner Entwurf, sondern der Haushalt den die Regierung beschlossen hat. 2025 stehen dem Fördertopf vier Millionen Euro weniger zur Verfügung, was de facto einer Kürzung entspricht, die die CDU-geführte Regierung nun auch zu verantworten hat.

Überdies hält die CDU die sechs Millionen Euro für eine auskömmliche Finanzierung. "Da bereits mehr als drei Monate des Jahres verstrichen sind, wurde diese zeitliche Verzögerung bei der Bedarfsprognose entsprechend berücksichtigt", so Bühl. Außerdem seien 2024 durch die Globale Minderausgabe faktisch nur 8,77 Millionen Euro vom Förderprogramm abgeflossen, argumentiert Bühl weiter. Demnach stünde dem Programm monatlich ungefähr der gleiche Betrag zur Verfügung wie im Vorjahr.

Was Bühl nicht mit einpreist, sind die 378 Anträge, die Thüringer Familien in den vergangengen Monaten bereits gestellt haben.

So funktioniert das Förderprogramm - Die Förderung ist für Ehepaare, in einer Hausgemeinschaft lebende Paare oder Lebenspartner sowie Alleinerziehende gedacht.
- Voraussetzung ist aber, dass im Haushalt mindestens ein Kind unter 18 Jahren mit Kindergeldanspruch gemeldet ist.
- Der Zuschuss beträgt fünf Prozent des im notariellen Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreises der Wohnimmobilie oder des Baugrundstücks.
- Die Grenze liegt bei 400.000 Euro für den Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum und bei 100.000 Euro für den Erwerb von Grundstücken.

Anmerkung der Redaktion: Erst nach der Veröffentlichung des Artikels am 10. April um 5 Uhr hat die CDU-Fraktion eine MDR-Anfrage zum Thema beantwortet. Daher hat der Autor die letzten zwei Abschnitte des Artikel aktualisiert (Stand 10:45 Uhr).

Mehr zur Familienförderung von Wohneigentum

MDR (ask/jn)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 10. April 2025 | 07:00 Uhr

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