Tag der Provenienzforschung Raubkunst: MdbK Leipzig gibt Einblicke in Forschung
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09. April 2025, 04:00 Uhr
Am 9. April, dem Internationalen Tag der Provenienzforschung, geben Museen Einblicke in die Herkunft ihrer Sammlungsobjekte. In Leipzig bietet Ulrike Saß vom Museum der Bildenden Künste (MdbK) eine Führung an. Sie ist die einzige festangestellte Provenienzforscherin in einem sächsischen Kunstmuseum und untersucht derzeit unter anderem, ob ein Werk von Caspar David Friedrich als NS-Raubkunst in den Museumsbestand gelangt sein könnte.
- Bei der Provenienzforschung geht es um die Frage, wie Museen und Archive die Herkunft ihrer Sammlungen aufdecken.
- Ulrike Saß vom Leipziger Museum der bildenden Künste forscht zu Raubkunst aus der NS- und DDR-Zeit.
- Ihr ist es wichtig, Erinnerungsarbeit zu leisten und die Geschichten von Herkunft und Verlust zu erzählen.
Viele Museen und Sammlungen schauen mittlerweile kritisch auf ihren Bestand, doch immer noch vergehen mitunter Jahrzehnte bis zur Restitution von Raubkunst. Darum wird am 9. April, dem Internationalen Tag der Provenienzforschung, an die immer noch bestehenden "Grauzonen" in den Depots und Archiven aufmerksam gemacht – und auf die Bemühungen, sie zu klären. In Leipzig etwa gibt es eine Führung mit Ulrike Saß vom Museum der bildenden Künste (MdbK).
So erforscht das MdbK Leipzig die Herkunft von Kunst
Das MdbK hat nach eigenen Angaben bislang rund 1.200 Objekte an frühere Eigentümer restituiert. Vor allem in den 1990er- und 2000er-Jahren seien viele Anträge auf Rückerstattung gestellt worden, durch ehemalige Besitzerinnen und Besitzer oder deren Nachkommen. Diese Anträge betreffen Eigentum aus den Jahren bis 1945, aber auch die Zeit danach.
Neben der verfolgungsbedingten Enteignung von jüdischem Besitz im Nationalsozialismus geht es um das Eigentum derer, die nach der Republikflucht aus der DDR, erzwungener Ausreise oder anderweitiger Enteignung im Osten beispielsweise Kunstgegenstände verloren. In größeren Museen gibt es Expertinnen und Experten, die sich meist in befristeten Verträgen oder projektbezogen mit den Sammlungen beschäftigen und sie einem Erstcheck unterziehen.
Ulrike Saß vom MdbK Leipzig hat die einzige feste Personalstelle als Provenienzforscherin in einem sächsischem Kunstmuseum, um "pro-aktiv" der Herkunft von Kunstwerken auf die Spur zu gehen. Ihren Alltag bestimmen dabei nicht die Picassos oder andere teure Gemälde der klassischen Moderne, wie sie betont. Oftmals seien es die kleinen, unscheinbaren Objekte oder Skizzen, mitunter aber auch tatsächlich Werke namhafter Künstler.
Rätsel um Bild von Caspar David Friedrich
So gebe ihr ein Aquarell von Caspar David Friedrich Rätsel auf: "Ich weiß aus dem Inventarbuch, dass wir es bei Curt Naubert erworben haben. Aber ich weiß nicht, wo es Curt Naubert 1936 erworben hat. Und das ist der springende Punkt für mich." Zumal der Preis ihr recht niedrig erscheint.
Curt Naubert war ein Kunsthändler aus Leipzig. Gerne wüsste Ulrike Saß mehr über ihn und die anderen rund zehn Kunsthändler und Galerien, die es damals gegeben hat. Hier gebe es "eine Forschungslücke", so Saß. So wisse sie nicht, wie seine Position zum NS-System gewesen sei oder aus welchen Quellen er seine Kunst bezogen habe. Fest steht: Die Leipziger Sammlung, in der sie heute forscht, hat etliche Stücke von ihm übernommen.
Gute Provenienzforschung dauert und braucht langen Atem.
Dass es diese Lücken gebe, sei typisch und keine Ausnahme, sobald sich Provenienzforschung intensiv mit der Herkunftsgeschichte von Sammlungsobjekten auseindersetze, so Ulrike Saß. "Das können Personen sein, wo wir nicht mal die Biografie kennen. Das können Institutionen sein, deren Geschichte wir nicht kennen. Und so können wir auch nicht die Geschichte des Kunstwerkes rekonstruieren." Gute Provenienzforschung brauche langen Atem.
Geschichte von Herkunft und Verlust erzählen
Aber es gibt eben auch Glücksfälle, wie Saß erzählt: Wenn Kunstwerke an Familien zurückgegeben werden, komme es nicht selten vor, dass die neuen Eigentümer sie den Museen als Leihgabe überließen oder sogar schenkten. "Manchmal möchten Nachfahren einfach nur, dass die Geschichte erzählt wird." Es sei wichtig, die Geschichten, die hinter Herkunft und Verlust liegen, zu erzählen, betont die Provenienzforscherin:
Wenn wir die Geschichten nicht erzählen, erzählt sie niemand. Wir leisten auch Erinnerungsarbeit.
So prüfe Provenienzforschung nicht nur, ob Werke rechtmäßig in Besitz seien, stellt Ulrike Saß fest: "Wir leisten auch Erinnerungsarbeit."
Wie umgehen mit DDR-Raubkunst?
Ein Kapitel steht allerdings noch am Anfang: Der Entzug von Eigentum nach 1945. Berücksichtigt wurden Personen, die in den 1990er-Jahren einen Antrag gestellt haben, doch mittlerweile sind Fristen verstrichen, Ämter für offene Vermögensfragen geschlossen und manche ehemalige Besitzer sehen wenig Chance, hier einen Dialog zu führen – auch, weil der juristische Rahmen derzeit nicht ausreichend ist. Auch für das Leipziger Museum der bildenden Künste stelle sich die Frage, "wie wir mit solchen Entzügen umgehen, wir können nicht einfach etwas aus einem Bestand weggeben."
Saß hofft auf eine Lösung, zumal in manchen Fällen vermutlich doppeltes Unrecht geschehen sei: weil die Objekte den Eigentümerinnen und Eigentümern zweifach entzogen worden seien, "zuerst im Kontext des Nationalsozialismus, später dann zum Beispiel aus Gründen der Republikflucht".
Weitere Informationen zur Führung
Führung zum Tag der Provenienzforschung
"Opportunistischer Kunsthandel"
mit Ulrike Saß und Lina Frubrich
9. April, 17 Uhr
Treffpunkt: Stadtgeschichtlliches Museum Leipzig | Haus Böttchergäßchen
Redaktionelle Bearbeitung: ks,vp
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 09. April 2025 | 08:40 Uhr