Stadtentwicklung Was tun gegen den Verfall in Weida? Bürger zu neuen Ideen aufgefordert
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25. August 2023, 14:12 Uhr
Die ehemalige Engelsschule verfällt zunehmend, die "Blaue Schürze" am Rathaus ebenso und auf der Osterburg geht es auch nicht recht vorwärts: Das kleine Weida im Landkreis Greiz kämpft wie wohl viele Kommunen mit leeren Kassen, leeren Innenstädten und zunehmend älterer Bevölkerung. Nun sollen die Weidaer Ideen suchen, um die historischen Gebäude wieder mit Leben zu füllen.
"Was soll aus mir werden?" - steht auf einem Schild an der ehemaligen Friedrich-Engels-Schule in Weida im Kreis Greiz auf einem neuen Plakat neben der rechten Eingangstür. Einige Fenster im Erdgeschoss sind verrammelt, die Farbe blättert, teilweise ist das Mauerwerk hinter dem Gerüst zu sehen.
Engelsschule wird dank Notsicherung erhalten
Auf dem Dach hämmern die Handwerker. Das über Jahre geflickschusterte Dach wird umfassend notgesichert. "Die hölzernen Dachkästen waren so marode, dass sie herabzustürzen drohten. Und noch eine gesperrte Straße braucht in Weida wirklich niemand", erklärt Hauptamtsleiterin Bettina Gunkel.
Für knapp 130.000 Euro Fördermittel wird das Dach nun grundhaft gesichert und neu eingedeckt. Weidas Stadtverwaltung will unbedingt ein "zweites kaiserliches Postamt" vermeiden. Das war über Jahre vom Eigentümer vernachlässigt worden, Wasser drang übers kaputte Dach ins Mauerwerk - vergangenes Jahr musste das Gebäude abgerissen werden.
Bei der denkmalgeschützten Engelsschule sei der Fall völlig anders, sagt Margot Mattisseck (CDU), die Erste Beigeordnete und Stellvertreterin des langzeiterkrankten Bürgermeisters: "Die ehemalige Schule hat eine tolle Bausubstanz, es lohnt sich nach Ansicht der Fachleute, das Gebäude zu erhalten."
Ideen für drei Sorgenkinder gesucht
Natürlich müsse viel gemacht, viel investiert werden. "Die Elektrik ist komplett antik, die Heizung - Nachtspeicheröfen! - muss überholt werden. Toiletten gibt es in der alten Schule überhaupt nicht - die waren immer auf dem Hof und wurden bereits abgerissen", zählt Mattisseck auf. 1998 war der Schulbetrieb eingestellt worden, Schüler und Lehrer zogen um in die Max-Greil-Schule.
Zwei Regelschulen waren eine zu viel für die kleiner werdende Stadt. Seit 2002 steht das Haus vollständig leer und wird als Lager genutzt. Unter den Spinnweben warten fröhlich guckende Osterhasen auf ihren nächsten Einsatz. Statt Chorgesang, Goethe-Gedichten und Biologievorträgen schallt das Hämmern der Dachdecker durch das dunkle Haus.
Was also soll aus der Engelsschule werden? Oder aus dem Areal "Blaue Schürze" auf dem Petersberg am Rathaus? Und aus dem Neuen Schloss der Osterburg, die majestätisch über Weida thront? Denn die alte Schule ist nicht das einzige leerstehende Sorgenkind.
Über das Bundesförderprogramm "Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren" bekommt Weida bis 2025 rund 260.000 Euro, um Konzepte zu entwickeln, kleine Projekte anzustoßen und Machbarkeitsstudien zu beauftragen. Die Stadtverwaltung hat die Weidaer aufgerufen, mitzumachen und unter dem Motto "Alte Mauern, neue Nutzungen" Ideen zu liefern.
Uns fehlt die gute Idee, die von den Bürgern getragen wird.
"Ohne die Bürger einzubeziehen, ist das ein tot geborenes Kind. Wenn wir etwas machen, müssen die Weidaer dahinterstehen", sagt die Bürgermeister-Stellvertreterin Mattisseck. Bisher gestaltet sich dieses Einbeziehen jedoch als schwierig. Die Auftaktveranstaltung im Juni war überschaubar besucht, beim Infostand auf dem Marktplatz klagten die Weidaer über aktuelle Sorgen und Nöte angesichts zahlreicher Straßensperrungen. Konkrete Ideen für Schule, Neues Schloss und Petersberg seien bisher nur wenige gekommen, erzählt Hauptamtsleiterin Gunkel: "Ich habe mir da mehr erhofft. Dabei trommeln wir aus Verwaltungssicht schon sehr umfangreich."
Investoren ignorieren Weida
Doch auch bei einer nicht repräsentativen Umfrage von MDR THÜRINGEN an einem sonnigen Tag auf dem Weidaer Marktplatz gibt es kaum konkrete Vorschläge von Passanten. Viele haben noch nicht mal etwas von dem Vorhaben gehört, die Gebäude aus dem Dornröschenschlaf zu wecken. Und die Unternehmer winken ab - sie haben mit ihrem Tagesgeschäft genug zu tun und keine Zeit, sich noch Gedanken über leerstehende Gebäude zu machen.
"Uns fehlt die gute Idee, die von den Bürgern getragen wird", seufzt Mattisseck. Man würde auch Investoren ins Boot holen, denn die kleine Stadt könne keine großen finanziellen Sprünge machen. Allein für das von außen bereits schmuck sanierte Neue Schloss sind nach älteren Schätzungen mindestens fünf Millionen Euro nötig, um auch das Innere herzurichten. Schule und Petersberg dürften weniger kosten.
Doch das Interesse finanzstarker Investoren an Weida mit seinen knapp 7.000 Einwohnern hält sich trotz des idyllischen Umfelds in Grenzen. "Wären uns die Türen in den vergangenen Jahren eingerannt worden, würden wir nicht hier sitzen und den Zustand beklagen und Ideen suchen", sagt Margot Mattisseck. Und Bettina Gunkel ergänzt: "Es gab kaum Interessenten und das Schlimme ist, dass die drei Objekte durch den Leerstand dazu beitragen, dass die Innenstadt verödet." Ihre Rechnung geht so: Würden Schloss, Schule und Blaue Schürze durch Touristen, Büros oder Wohnungen wiederbelebt, würde das auch den Geschäften in der Stadt gut tun.
Es gab kaum Interessenten und das Schlimme ist, dass die drei Objekte durch den Leerstand dazu beitragen, dass die Innenstadt verödet.
Auf einer Immobilienmesse will die Verwaltung um Investoren werben und außerdem Anzeigen schalten - das Geld dafür kommt aus dem Bundesprogramm. Zum Tag des offenen Denkmals am 10. September soll es einen Stadtspaziergang zu den drei Gebäuden geben. Auch die Schulen sollen mit ins Boot geholt werden und es soll einen Unternehmerstammtisch geben, erklären die beiden Frauen.
Schicke Wohnungen, Ärztehaus oder Co-Working-Space? Eine Jugendherberge? Das Deutsche Jugendherbergswerk ist laut Gunkel nicht bereit, Geld in eine Sanierung zu investieren - da müsste die Stadt oder ein Investor in Vorleistung gehen. Oder gar ein Drei-Sterne-Hotel? Doch der Idee "Schlosshotel auf der Osterburg" hat die Landesentwicklungsgesellschaft bereits eine Absage erteilt. Das würde sich laut einer Studie nicht rechnen, erzählt Gunkel.
Finanzierung muss geklärt sein
Und bei aller Offenheit für Ideen: Rechnen muss sich ein Projekt und auch die nächsten Jahre tragen. "Wenn wir keine Lösung finden, dass wir die Gebäude über Jahre finanziell absichern - dann ist es eben keine Lösung. Lieber lassen wir die Häuser noch einige Jahre leer stehen und schauen, ob sich nicht in fünf oder zehn Jahren etwas ergibt. Gesichert sind die Häuser, die Bausubstanz bleibt ja erhalten", erklärt Hauptamtsleiterin Gunkel.
Dazu kommt die mangelnde Unterstützung aus der Bevölkerung. "Wenn aus der Bevölkerung Ideen wie ein Co-Working-Space so gar nicht mitgedacht und initiiert werden, dann erwarte ich mir da auch keine Nachfrage."
"Wir sollten das Unmögliche denken", sagt Mattisseck. Im Hintergrund hämmern die Handwerker auf dem Dach der Engelsschule. Es dürfte ein weiter Weg werden, die alten Mauern Weidas neu zu nutzen.
MDR (co)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 26. August 2023 | 18:00 Uhr
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