Schauspieler des DNT zu Besuch
Schauspieler Bastian Heidenreich im "Haus Hoffnung". Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

"Haus Hoffnung" Besuch im Obdachlosenheim in Weimar

24. Juni 2022, 14:02 Uhr

"Haus Hoffnung" heißt das Obdachlosenheim in Weimar. Es liegt am Rand der Stadt und seine Bewohner werden in vielerlei Hinsicht an den Rand der Gesellschaft gedrängt. 37 Menschen leben hier, manche schon fast 15 Jahre.

Autorenbild Grit Hasselmann
Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

Schauspieler Bastian Heidenreich kam im Januar zum ersten Mal ins Weimarer Obdachlosenheim. Das "Haus Hoffnung" liegt am Rand der Stadt und in vielerlei Hinsicht auch am Rand der Gesellschaft. Der Schauspieler wollte eigentlich nur eine Spende überreichen, die er und seine Kollegen in den Vorstellungen des "Christmas Carol" gesammelt hatten. Fast 6.000 Euro waren zusammen gekommen.

Als die Gäste aus dem DNT allerdings im "Haus Hoffnung" eintrafen, war der Kaffee fertig und Selbstgebackenes und Blumen standen auf einer schön gedeckten Tafel in der Kontaktstube des Obdachlosenheims. "So ausgesprochen gemütlich hatte ich es mir nicht vorgestellt. Der Umgang unter den Anwesenden war so höflich und familiär, dass es schwer zu sagen war wer dort wohnt und wer zu Gast ist oder dort arbeitet," so der Schauspieler.

Vorurteile und Klischees belasten Bewohner

Ein bisschen "gefremdelt" wurde anfangs schon, die Gäste hatten aber mehr Berührungsängste ins Gespräch zu kommen als die Bewohner.

Besonders nachdenklich machte mich ein Gespräch mit einem jungen Mann, der offen auf meine recht persönlichen Fragen zu seinem Aufenthalt dort antwortete. Aus irgendeinem Grund bin ich immer davon ausgegangen, dass die Obdachlosigkeit eher ältere Menschen betrifft. Es stellte sich heraus, dass junge, aus der Welt gefallene Menschen im "Haus Hoffnung" keine Seltenheit sind.

Bastian Heidenreich, Schauspieler

Krankheiten spielen dabei eine Rolle - körperliche und psychische. Fast die Hälfte der Bewohner ist suchtkrank. Auch Pflegefälle gibt es. Die Meisten leben hier für wenige Jahre. Aber für manche wurde das "Haus Hoffnung" nicht nur zur zeitweisen Heimat, sondern zur bleibenden. Und einige sind hier auch gestorben und wurden von ihren Mitbewohnern und den Sozialarbeitern des Hauses beerdigt und betrauert. An der Wand in der Kontaktstube hängen Bilder von diesen ehemaligen Bewohnern.

Beim Kaffeetrinken mit den Theaterleuten drehten sich auch einige Gespräche um diese Bilder. Und es zeigte sich, dass falsche Vorstellungen und Unwissen über das Leben hier die Bewohner oft traurig machen und sie noch mehr an den Rand der Gesellschaft drängen. Bastian Heidenreich jedenfalls konstatiert, dass er doch einige Vorurteile und Klischees über Bord werfen konnte an diesem Nachmittag.

Sozialarbeiter unterstützten die Bewohner

Und das sieht auch Michael Wenzel, Leiter der Caritasregion Mittelthüringen als fast noch wichtiger als das Geld selbst, auch wenn das natürlich sehr willkommen war: "Der Besuch des DNT-Teams im "Haus Hoffnung" und das ausführliche Gespräch mit den Bewohnern und Mitarbeitenden war ein sehr schönes Zeichen der Zusammengehörigkeit in Zeiten einer auseinander driftenden Gesellschaft." 

Die Caritas ist seit 2003 zuständig für die Sozialbetreuung im Haus. 34 Menschen leben derzeit in Weimar im "Haus Hoffnung", Platz ist für maximal 53. Wer hier landet, ist am unteren Ende hinsichtlich des sozialen Status in der Gesellschaft angekommen. Viele Hilfesysteme haben vorher versagt.

Geleitet wird das Haus von Ina Göthe. In der täglichen Arbeit geht es der Sozialarbeiterin darum, in ganz kleinen Schritten gemeinsam wieder lohnenswerte Ziele für das eigene Leben zu entdecken und daran zu glauben, dass sie umzusetzen sind - trotz aller Rückschläge.

Eine solche Arbeit braucht Zeit und eine Atmosphäre, in der Menschen wieder zu sich kommen können. Eine hohe Erwartungshaltung, das Ausüben von Druck und erst recht möglichst unangenehme Rahmenbedingungen sind fast immer kontraproduktiv, denn daran sind diese Menschen zuvor schon oft gescheitert.

Ein würde- und respektvoller Umgang mit den Menschen hier ist für das ganze Team selbstverständlich. Genauso wichtig ist jedoch das tägliche Werben dafür außerhalb des Hauses, sei es bei Politik, Verwaltung oder Nachbarn.

Soziale Kontakte in der Zweck-WG

Peter F. wohnt jetzt seit fast zehn Jahren hier. Seinen Namen haben wir geändert. Er hat ein Zimmer gemietet in einer Dreiraumwohnung. Küche und Bad werden von allen drei Bewohnern gemeinsam genutzt. Das gibt, wie in jeder anderen WG auch, natürlich auch mal Stress. Denn jeder hat ein anderes Ordnungsbedürfnis. Aber er kann seine Tür jederzeit zumachen.

Fassade
Auch die Fassade vom "Haus Hoffnung" soll etwas Hoffnung geben. Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

Beim Einzug ist das Zimmer frisch gestrichen, ein Tisch, ein Bett, ein Schrank und ein Stuhl stehen darin. Inzwischen hat er sich ein Bücherregal besorgt, einen gemütlichen Sessel zum Lesen auch. Bilder, Grünpflanzen und ein bisschen Deko machen das Zimmer gemütlich. "Wenn ich größere Teile geschenkt bekomme, helfen die Hausmeister dabei, sie herzubringen. Das ist toll", sagt er.

Die Hausmeister, von denen die Rede ist, sind Angestellte der Stadt. Sie reparieren, renovieren und werden auch gern mal in Gespräche verwickelt. Ihre Arbeit hier wird geschätzt von den Mietern des Hauses. Das merken sie auch, wenn größere Arbeiten anfallen: "Da kommen schon auch mal Bewohner zu uns und fragen, ob sie helfen können." Und so sitzen sie manchmal sogar nach Feierabend noch ein paar Minuten in der Kontaktstube für eine Kaffee und ein Schwätzchen.

Peter F. ist allerdings lieber für sich und schaut selten in der Kontaktstube vorbei, die als Treffpunkt allen Bewohnern offen steht. Er kommt aus Thüringen, will aber nicht sagen, woher genau. Er ist ganz schön rumgekommen in der Welt, für seinen Arbeitgeber war er oft im Ausland. Als er sich dann selbständig gemacht hat, gab es Probleme, Details erzählt er nicht. "Alle großen Dinge haben ihren Ursprung im Kleinen." Peter F. lächelt, als er das sagt.

Im Grunde kann jeder in diese Lage kommen. Wenn man es merkt, ist es meist schon zu spät.

Peter F., Bewohner im "Haus Hoffnung"

Als er nämlich nach Problemen mit seinem Vermieter hier unterkam, hätte er nie gedacht, dass er so lange hier wohnen würde. 11,70 Euro kostet ihn die Miete im Haus pro Quadratmeter. Er ist froh, dass er mit staatlicher Unterstützung finanziell klarkommt. Denn von seinen Kindern will er auf keinen Fall Hilfe annehmen. Da ist er nicht der Einzige. Fast alle, die hier leben, haben Familie, aber die wenigsten regelmäßigen Kontakt.

Wertschätzung für jeden einzelnen Menschen

Ina Göthe weiß, dass das die Bewohner oft sehr belastet. Es ist schwer zu ertragen, wenn sich andere Menschen von einem abwenden. Egal, aus welchen Gründen.

"Für die meisten unserer Bewohnerinnen und Bewohner ist das Gefühl, mit ihrer Art anerkannt und wertgeschätzt zu werden, eine kaum mehr gemachte Erfahrung." Deshalb ist es nicht nur ihre Aufgabe, im Haus für Ordnung zu sorgen und auf die Einhaltung der Regeln zu achten. Schlichtungsgespräche, Unterstützung im Umgang mit Behörden und die Vernetzung mit allen möglichen Partnern gehören auch dazu. "Das Wichtigste ist aber, wertschätzend mit jedem Einzelnen umzugehen und ihm das Gefühl zu geben, hier im Haus willkommen zu sein", sagt sie.

Leiterin Ina Göthe
Ina Göthe achtet besonders auf Wertschätzung. Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

Peter F. findet, dass ihr und dem ganzen Team das hervorragend gelingt. Natürlich gibt es immer wieder Probleme. Mal ist der Nachbar zu laut oder der Mitbewohner hat die Küche nicht aufgeräumt. Und auch der Ton ist manchmal ziemlich rau im Haus. Trotzdem sind alle hier froh, dass es das "Haus Hoffnung" gibt.

Michael Wenzel meint dazu: "Wahrscheinlich werden wir in Gesellschaften wie den unsrigen auf Unterkünfte für Wohnungslose nicht ganz verzichten können. Aber die Erfahrung zeigt uns, dass wir mit präventiven Angeboten bei drohendem Wohnungsverlust viel erreichen können." Deswegen ist die Caritas seit nunmehr elf Jahren mit der Mobilen Wohnungshilfe in Weimar unterwegs. Wenn sie rechtzeitig von Fällen drohenden Wohnungsverlustes erfahren, gelingt es meistens in Zusammenarbeit mit Vermietern, Sozialamt, Jobcenter und anderen Beteiligten, den Weg ins Wohnungslosenheim zu verhindern.

Finanzielle Mittel fehlen

Die Stadt Weimar wünscht sich, dass mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stehen würden, um diese Präventionsangebote und auch das Obdachlosenheim selbst besser ausstatten zu können.

Die Spende des DNT soll jetzt für die Gestaltung einer kleinen Sitzecke neben dem Haus verwendet werden. Schauspieler Bastian Heidenreich jedenfalls hat der Nachmittag im "Haus Hoffnung" gut gefallen. Und er hat die Bewohner zum "Gegenbesuch" ins Deutsche Nationaltheater eingeladen. Vielleicht in ein Stück von Václav Havel, von dem auch das Zitat an der Fassade des Hauses stammt: "Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal, wie es ausgeht."

Quelle: MDR THÜRINGEN/

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