Nach der Europawahl Sachsen: Leipziger Politikwissenschaftler hält Drei-Parteien-Landtag für denkbar
Hauptinhalt
10. Juni 2024, 11:53 Uhr
Sitzen im künftigen Sächsischen Landtag nur noch drei Parteien? Nach der Europawahl hält das der Leipziger Politikwissenschaftler Hendrik Träger für denkbar. Bleibt die politische Stimmung im Freistaat über den Sommer so, könnten am 1. September nur AfD, CDU und BSW den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde ins Landesparlament schaffen.
Nach der Stimmabgabe der Sachsen für das Europaparlament rechnet der Leipziger Politikwissenschaftler Hendrik Träger mit einer spannenden Landtagswahl am 1. September. Der Professor sagte am Montagmorgen bei MDR SACHSEN, die Wahlergebnisse zum EU-Parlament würden mindestens einen Trend für die Landtagswahlen vorgeben. Für SPD, Linke und Grüne könne es dementsprechend sehr knapp werden, wieder in den Landtag einziehen zu können.
Da diese drei Parteien, die bisher zu den sogenannten etablierten Parteien gezählt werden, an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern könnten, könne man auch ein Parlament mit drei Fraktionen nicht ausschließen. Das bedeutet, die Landespolitik könnte von der AfD, der CDU und dem BSW bestimmt werden. "Dann hätte die CDU die Wahl, ob sie mit der neuen Partei von Sahra Wagenknecht oder mit der AfD zusammenarbeitet", so Träger.
Kretschmer kann auf Amtsinhaber-Bonus bei Landtagswahlen hoffen
Der Wissenschaftler meint, nun müssten die Parteien der politischen Mitte im Wahlkampf überlegen, inwieweit sie im jeweils Anderen den Hauptkonkurrenten sehen und sich aufeinander einschießen. BSW und AfD brauchten in diesem Fall nicht viel machen und könnten trotzdem ein gutes Ergebnis einfahren, erläutert Träger.
Die CDU könne laut Einschätzung des Wissenschaftlers mit einem Amtsinhaber-Bonus des Ministerpräsidenten rechnen. Deshalb werde wohl der Landtagswahlkampf der Christdemokraten stark auf Michael Kretschmer ausgerichtet sein. Das könne dazu führen, dass die CDU Stimmen von SPD und Grünen abziehe und diese beiden bisherigen Koalitionspartner damit noch näher an die kritische Fünf-Prozent-Hürde bringe.
Für Träger war der bundesweite Ausgang der Europawahl erwartbar. Man könne bei dieser Wahl immer wieder sehen, dass Regierungsparteien in unterschiedlichem Maße an Stimmen verlieren. Im Wesentlichen würden Europawahlen auch dazu genutzt, die Regierungen abzustrafen. "Das ist kein neues Phänomen", erklärt der Wissenschaftler.
Träger: CDU profitiert nicht vom Frust auf Bundes-Ampel
Zum guten AfD-Ergebnis in Ostdeutschland sagte Träger, es gehe inzwischen nicht mehr um die Frage, ob die AfD bei den Wahlen auf Platz 1 oder 2 komme, sondern wie groß ihr Abstand zu den anderen Parteien sei. Je "ländlicher" die Region werde, desto besser falle das Ergebnis für die AfD aus. Dort würden sogar bis zur Hälfte der Menschen die Partei wählen. "Das ist in dieser Dimension vielleicht nicht erwartbar gewesen", sagte Träger.
Die CDU ist auch selber daran schuld, dass sie in Sachsen in den Umfragen nicht bei 40 Prozent liegt, sondern nur bei 30 Prozent.
Lange Zeit war die sächsische CDU die dominierende Kraft in den ländlichen Regionen des Freistaates, erinnerte der Politikwissenschaftler. Auch dort könne sie momentan nicht reüssieren - also große Erfolge für sich verbuchen. "Die CDU muss sich fragen, was sie bis zur Landtagswahl noch ändern kann. Die Union kann offensichtlich nicht vom Frust auf die Ampel (die Bundesregierung, Anm. d. Red.) profitieren - zumindest in Sachsen nicht."
Träger zufolge hat das Abschneiden der CDU vor allem mit eigenen Fehlern zu tun und nicht mit einem Abstrafen der Wähler für eine schlechte Politik der Ampel im Bund. Es sei zu simpel, die Bundesregierung für das eigene Wahlergebnis verantwortlich zu machen. "Die CDU ist auch selber daran schuld, dass sie in Sachsen in den Umfragen nicht bei 40 Prozent liegt, sondern nur bei 30 Prozent", so Träger. Schließlich sei sie seit mehr als 30 Jahren stärkste Kraft im Freistaat gewesen und stelle seither den Ministerpräsidenten.
MDR (lam)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Guten Morgen Sachsen | 10. Juni 2024 | 08:50 Uhr