Der ehemalige Parteivorsitzende der Partei Die Linke und Mitglied des Bundestages, Gregor Gysi
Das Linken-Urgestein in Zwickau. Bildrechte: IMAGO / HärtelPRESS

Vor der Landtagswahl Linken Wahlkampfabschluss - Gysi in Zwickau

28. August 2024, 10:44 Uhr

Wenige Tage vor der Landtagswahl geht es für die Linke um die Wurst: Im Wahlkampfendspurt in Zwickau betont Spitzenkandidatin Susanne Schaper die Rolle der Linken als Friedenspartei und forderte besser Bildungschancen für Kinder. Linken-Urgestein Gregor Gysi kritisierte die wachsende soziale Ungleichheit und mahnte vor dem Erstarken der AfD.

Am Dienstagvormittag in der historischen Altstadt von Zwickau: Die Linke befindet sich im Wahlkampfendspurt. Auf den letzten Metern hat sich Linken-Urgestein und Bundestagsabgeordneter Gregor Gysi als Redner angekündigt. Bereits eine halbe Stunde vor Beginn haben sich einige Interessierte, überwiegend Rentner, auf den Bierbänken vor der kleinen Bühne niedergelassen. Weitere Schaulustige stehen mit ihren Familien in einiger Entfernung. Der Solo-Künstler "Rollsplitt" sorgt mit Klassikern wie "Heart of Gold" und "Take me Home" für musikalische Unterhaltung.

Schaper: Linke ist noch da und wird nicht aufgeben

Bevor der von den etwa 200 Menschen heiß erwartete Gregor Gysi auf die Bühne kommt, stellt sich die Linken-Spitzenkandidatin Susanne Schaper vor. Sie sei in den letzten Wochen besonders viel in Sachsen unterwegs gewesen, um zu zeigen, "dass die Linke noch da ist und dass wir nicht aufgeben, sondern kämpfen", erklärte sie.

Für die Linke geht es in Sachsen um viel: Früher häufig als "Stimme des Ostens" bezeichnet, haben sich ihre Umfragewerte seit der Abspaltung des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) halbiert. Aktuelle Umfragen sehen sie unterhalb der Fünf-Prozent-Grenze. Der Wiedereinzug in den Landtag ist für die Linke in Sachsen alles andere als sicher.

Soziale Gerechtigkeit und Bildungspolitik im Fokus

Jedes fünfte Kind sei von Armut bedroht, so Schaper. So wie die Liebe ginge auch der Bildungserfolg durch den Magen. Deshalb fordere die Linke ein kostenloses Mittagessen vom Kindergarten bis zum Schulabschluss. Sachsen würde 2030 das älteste Bundesland in der Republik sein. "Wir können uns das nicht leisten, auch nur ein einziges Kind abzuschreiben", so Schaper. Auch deshalb stehe die Linke für die Einführung der Gemeinschaftsschule und das längere gemeinsame Lernen bis zur zehnten Klasse.

Der regierenden CDU in Sachsen unterstellte Schaper in Sachen Bildungspolitik eine Wahrnehmungsstörung: Diese würde sich zwar viel darauf einbilden, dass Sachsen bei der PISA-Studie unter den vorderen Plätzen sei, ignoriere aber, dass der Freistaat eine der höchsten Schulabbrecherquoten habe. "Fast jedes zehnte Kind verlässt die Schule ohne Abschluss. Das muss man sich mal vorstellen", so Schaper.

Kampf gegen Einkommensungleichheit

Ein weiteres Thema war die Einkommensschere zwischen Ost- und Westdeutschland: "Wir stehen dafür, dass Sachsen nicht mehr Niedriglohnland ist, sondern Tariflohnland wird", so Schaper. Viele der Landkreise mit den niedrigsten Einkommen lägen in Sachsen. Jahrelang habe die Regierung die niedrigen Löhne als Standortvorteil beworben. Heute habe das Land mit den Folgen dieser Politik zu kämpfen. Deshalb setze sich die Linke dafür ein, dass öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden, die ihre Mitarbeiter gut bezahlen.

Wir stehen dafür, dass Sachsen nicht mehr Niedriglohnland ist, sondern Tariflohnland wird.

Susanne Schaper Spitzenkandidatin Die Linke

Die Linke als Friedenspartei

Zum Schluss wolle sie noch damit aufräumen, dass die Linke keine konsequente Friedenspartei mehr sei. "Da sind die anderen noch mit den Trommeln um den Tannenbaum gelaufen, da war die Linke schon Friedenspartei." Die Linke habe gegen das 100-Milliarden-Aufrüstungspaket gestimmt. Man habe dazu beigetragen, dass Rheinmetall in Großenhain keine Munitionsfabrik baue. Zuletzt sei man im Gegensatz zum BSW dagegen, dass militärische Forschungen an sächsischen Hochschulen stattfinden sollten: "Unsere klugen Wissenschaftler sollen an Dingen arbeiten, die das Leben der Menschen einfacher […] machen und sich nicht noch effizientere […] Methoden des Tötens ausdenken."

Gregor Gysi: "Aufrüstung ist der falsche Weg"

Am Anfang seiner gut einstündigen Rede hielt sich Gregor Gysi nicht mit landespolitischen Themen auf, sondern kam direkt auf die Außenpolitik zu sprechen. "Wir sind weltweit in einer sehr problematischen Lage", so Gysi. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine sei durch nichts zu rechtfertigen. Doch dürfe man aus Gysis Sicht nicht vergessen, dass zuvor der Westen bereits im Kosovo- und im Irakkrieg das Völkerrecht gebrochen habe.

Seiner Ansicht nach könne weder die Ukraine noch Russland den Krieg gewinnen. Deshalb müsse man sich für einen sofortigen Waffenstillstand einsetzen: "Alles andere macht keinen Sinn, sondern führt nur zu jahrzehntelangem Krieg", so der Linken-Politiker. Mit der Linken setze er sich aus der Opposition dafür ein, den Zeitgeist zu ändern: "Aufrüstung ist der falsche Weg."

Sticheleien gegen Wagenknecht, Warnung vor Höcke

Die soziale Spaltung in Deutschland vertiefe sich, so Gysi. Er betonte: "81 Prozent des Vermögenszuwachses 2021 in Deutschland gingen an das reichste Prozent der Bevölkerung und die übrigen 99 Prozent mussten sich die restlichen 19 Prozent teilen. Viele haben davon gar nichts abbekommen."

In Richtung Sahra Wagenknecht stichelte Gysi: "Ich bin ja auch eitel, aber ich bin noch nie auf die Idee gekommen, eine Partei nach mir zu benennen." Wagenknecht mache Flüchtlingspolitik wie die AfD, Wirtschaftspolitik wie Ludwig Erhard (CDU) und Sozialpolitik wie die Linke. Er bezweifle, dass sie mit dieser Strategie auf Dauer Erfolg haben könne.

Gysi: "Mal unter uns: Wir würden Ihnen doch fehlen, oder?"

Gysi warnte vor dem Erstarken der AfD und nahm Bezug auf eine Aussage Björn Höckes: "Der Nazi Höcke hat erklärt, die Soziale Frage sei nicht die Verteilung des Geldes zwischen Oben und Unten, sondern zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen. Das ist Nazi-Deutsch pur. Dagegen stehen wir auf den Straßen und in den Parlamenten." Höcke würde "der Mumm" fehlen, Steuergerechtigkeit nach oben zu fordern, damit die ihren Anteil leisten in unserer Gesellschaft." Zum Ende seiner Rede warb Gysi gewohnt selbstironisch unter den Anwesenden dafür, die Linke zu wählen: "Mal unter uns: Wir würden Ihnen doch fehlen, oder?"

MDR

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 27. August 2024 | 19:00 Uhr

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