Wählerreise durch Nordsachsen Wir brauchen mehr Angebote für Kinder, weniger Bürokratie und mehr Leben auf dem Land
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31. August 2024, 10:00 Uhr
Bald ist Landtagswahl. MDR SACHSEN war deshalb in Nordsachsen unterwegs, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen: Was läuft gut und was schlecht? Welche Wünsche gibt es für die Region und was erhoffen sich die Menschen von der Landespolitik? Die Themen reichen dabei von Bürokratieabbau, über politische Zusammenarbeit, bis hin zur Jugendkultur auf dem Land. Doch nur wenige wollen ihre Meinung offen sagen.
An einem Freitagmorgen beginnt die Wählerreise in der Buslinie 196. Wir fahren vom nördlichen Ende des Landkreises Nordsachsen in Bad Düben gen Süden bis zum Leipziger Hauptbahnhof - eine wichtige ÖPNV-Verbindung in der Region. Rund 20 Leute steigen auf der Strecke ein und aus.
Über Landespolitik reden will kaum jemand. Nur die Bad Dübenerin Frau Waldorf ist bereit, etwas vor der Kamera zu sagen. Sie fährt im Bus 196 zusammen mit ihrer Tochter nach Leipzig und erzählt, dass sie seit fast 40 Jahren in der Kurstadt lebt und hier als Altenpflegerin arbeitet. Viel störe sie an ihrer Heimat nicht, nur das Angebot für ihre Kinder könnte besser sein.
"Der Große ist fast 18 und meine Tochter 14 und für die gibt es einfach wenige Möglichkeiten, wo die mal hingehen können. Die können sich eigentlich nur draußen treffen", sagt sie. Große Erwartungen an die Landtagswahlen habe sie nicht. "Ändern können wir es eh nicht, auch nicht mit unseren Wahlen. Am Ende kommt es sowieso anders."
Dann fällt ihr doch noch ein für sie brennendes Thema ein. In ihrem Beruf als Altenpflegerin bemerke sie: Vielen ältere Menschen fehle Geld. "Ich hatte Patienten, die gesagt haben, dass ihnen nicht mal drei Euro am Tag bleiben, weil sie gepflegt werden müssen. Das ist einfach traurig." Hier wünsche sie sich, dass mehr getan wird von der Politik.
Weniger Bürokratie für Einzelhändler
Nach der Fahrt in der Linie 196 geht es in Nordsachsens größte Stadt: Delitzsch. Die Kreisstadt hat knapp 25.000 Einwohner und gerade auf der Eilenburger sowie der Breite Straße, die sich vom Hauptbahnhof bis in den Stadtkern ziehen, liegen viele Geschäfte. Unter anderem auch das von Conny Rasenberger. Die 57-Jährige ist Schneidermeisterin und hat ein Brautmodengeschäft. Ihre Erwartungen an die Wahlen schraube sie schon gar nicht mehr so hoch, Wünsche an die Politik habe sie aber viele.
"Die Partei ist nicht entscheidend. Es muss einfach mal in Kleinunternehmen geschaut werden und nicht immer nur die Großen unterstützt werden." Sie sei vom Herzen Schneidermeisterin, sei aber immer mehr mit Bürokratie und nicht ihrer eigentlichen Arbeit beschäftigt: "Das könnte alles digitaler sein. Man sieht es an den Ordnern: Die werden jedes Jahr dicker an Papier, obwohl wir das doch eigentlich einsparen wollen."
Die Partei ist nicht entscheidend. Es muss einfach mal in Kleinunternehmen geschaut werden und nicht immer nur die Großen unterstützt werden.
"Hoffentlich wird nicht wieder alles rot"
"Wir sind im Dezember letzten Jahres hier in Delitzsch gelandet, nach einem Leben, in dem wir viel unterwegs waren", erzählen Elke und Volker Damm, die gerade am Stadtgraben entlang spazieren. Sie haben die Hoffnung, hier in Delitzsch gut zur Ruhe kommen zu können. 1989 gingen sie in den Westen und sind jetzt nach Delitzsch gezogen, damit sie näher bei ihrem Sohn und ihrem Enkel in Leipzig leben.
"Wir wünschen uns, dass es nicht alles nochmal rot wird - so wie es mal 1989 war." Genaue Wünsche haben sie aber noch nicht, dafür seien sie noch nicht lang genug hier. Die Stadt sei aber sehr schön und die Menschen hier so freundlich.
"Es ist und bleibt ein Kuhkaff"
Wer von Delitzsch zurück nach Bad Düben möchte, der nimmt den Bus 210 - mit dem ist auch Jana unterwegs. Sie kommt gerade von einem Arzttermin und möchte jetzt ihren Sohn in Bad Düben abholen. Sie wohne nur wegen ihrer Kinder hier, erzählt sie. Für sie sei Bad Düben ein "kleines Kuhkaff". Die 34-Jährige wünscht sich von der Politik mehr Beachtung für die ländlichen Regionen: "Die Politik soll nicht nur auf die schauen wo sie jetzt schon hinguckt, sondern auch auf die Kleineren, wie wir hier im Kuhkaff."
In der Region bräuchte es laut Jana vor allem mehr Angebote für Kinder. Aber auch die Preissteigerungen seien ein Problem: "Zum Beispiel im ÖPNV: Inzwischen zahle ich acht Euro für vier Zonen und wir hatten mal bei sechs Euro angefangen. Und auch beim Einkaufen merkt man es an den Preisen. Es hieß damals, mit dem Euro wird alles billiger, aber nein, es wir alles teurer und teurer." Dinge, die eine Landesregierung freilich nicht beeinflussen kann.
Die Politik soll nicht nur auf die schauen, wo sie jetzt schon hinguckt, sondern auch auf die Kleineren, wie wir hier im Kuhkaff.
Begegnungsorte für Jugendkultur
Melanie lebt eigentlich in Gräfenhainichen (Sachsen-Anhalt), sie ist aber in Bad Düben aufgewachsen und heute kurz hier zum Einkaufen und um Schulbücher für ihre Kinder zu besorgen. Sie beklagt vor allem den Mangel an Lehrern und Erziehern. Auch sie wünscht sich mehr Angebote für Kinder und Jugendliche. "Viele Angebote für Jugendliche wurden abgeschafft, gerade Orte, wo die sich treffen können. Auch sind nicht mehr viele Sozialarbeiter tätig und es könnte viel gemacht werden im sozialen Bereich."
Leipzig zieht uns die Fachkräfte weg
Wie der Großteil der Menschen, die wir ansprechen, hat Torsten Sademann viel zu den Themen in der Region zu sagen, möchte dies aber nicht öffentlich machen. Kurz danach der Wandel: "Was für ein Blödsinn! Da kommt dann mal jemand und möchte reden, möchte zuhören, und dann sagt man nichts." Und der 62-Jährige hat viel zu erzählen, er hat seit 36 Jahren einen Handwerksbetrieb in Bad Düben, ist hier aufgewachsen und sagt über sich, dass er die Region liebe.
Ein Problem, das er in der Region feststellt, ist die Anziehungskraft von Leipzig, mit der eine Kleinstadt schwer mithalten könne.
Er habe einen neuen Angestellten eineinhalb Jahre angelernt und dann sei eine große Leipziger Firma gekommen und habe den Angestellten abgeworben: "Die bietet dem 24 Euro die Stunde und 30 Tage Urlaub. Bei den Preisen müsste ich meine Firma schließen. Die Handwerker werden uns weggesaugt, Leipzig zieht alles weg: Wie soll ich da meine Kunden bedienen?“
Die Handwerker werden uns weggesaugt, Leipzig zieht alles weg: Wie soll ich da dann meine Kunden bedienen?
Ein anderes Thema, das den 62-Jährigen beschäftigt, ist der gesellschaftliche Zusammenhalt. Er verlangt, dass die Politik parteiübergreifend besser zusammenarbeiten müsse - auch mit der AfD. "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht den Halt zur Bevölkerung verlieren. In diesem Land kann es nur aufwärts gehen, wenn wir die Menschen mitnehmen. Wir machen keine Politik für das Volk: Es werden Großkonzerne unterstützt und der Mittelstand weiß gar nicht, wie er es schaffen soll bei den ganzen Problemen, die auf uns zukommen."
Was bleibt von der Wählerreise?
Die Menschen, die wir in Nordsachsen ansprechen, haben viel zu sagen: Die meisten fordern mehr Angebote für Jugendliche und eine Politik, die kleine und mittelständische Unternehmen besser unterstützt. Viele haben Angst vor den Entwicklungen der Zukunft.
Viele wollen aber auch nicht reden und tun das zum Beispiel mit Sätzen ab wie "Ihr wollt doch eh nicht hören, was ich denke" oder "Man kennt mich hier, wenn ich was sage, dann bekomme ich nur Ärger."
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