Nach der Landtagswahl Die FDP kämpft in Sachsen ums Überleben
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04. September 2024, 06:00 Uhr
Weniger als 1 Prozent der Wähler in Sachsen haben bei der Landtagswahl für die FDP gestimmt. Damit fährt sie das schlechteste Ergebnis ihrer Parteigeschichte ein. In der neuen Legislaturperiode fehlen der Partei nun auch wichtige Gelder aus der Parteienfinanzierung. Landeschefin Anita Maaß hält trotzdem an ihrem Posten fest.
- Sachsens FDP-Chefin Anita Maaß sieht bundespolitische Themen als den Hauptgrund für das Wahldesaster ihrer Partei.
- Auch taktische Stimmen ehemaliger FDP-Wähler für die CDU könnten der FDP geschadet haben.
- FDP-Politiker wie Holger Zastrow haben die Partei in den vergangenen Jahren verlassen.
Es ist das schlechteste Landtagswahlergebnis, das die FDP in der Geschichte der Bundesrepublik erzielt hat: Mit 0,9 Prozent in Sachsen liegen die Liberalen zwischen der Partei "Tierschutz hier!" und den Satirikern von "Die Partei". Spitzenkandidat Robert Malorny reagierte am Wahlabend noch mit Zweckoptimismus: "Es haben sehr viele Leute mit angepackt. Wir waren landesweit präsent. Wir hatten, so denke ich, eine sehr, sehr gute Kampagne."
FDP-Landesvorsitzende Maaß "entsetzt" über Ergebnis
Drei Tage nach der Wahl klingt die FDP-Landesvorsitzende Anita Maaß im Gespräch mit MDR SACHSEN deutlich ernüchterter als ihr Spitzenkandidat: "Ich war entsetzt, wie das Ergebnis letztlich aussah. Das ist für uns niederschmetternd." Den Hauptgrund für das desaströse Ergebnis ihrer Partei sieht sie in bundespolitischen Themen: Vor allem der Krieg gegen die Ukraine und das Thema Migration hätten den Wahlkampf dominiert.
Die FDP betonte im Wahlkampf dagegen klassisch landespolitische Themen, besonders die Bildung – und setzte dabei auf freche Slogans. Zum Beispiel: "Berlin kann Techno, Sachsen auch Technologie". Oder: "Streichen wir Bildungslücken vom Stundenplan". Bei den Wählern kam das offenbar nicht an. Besonders drastisch wirkt das Abschneiden im Vergleich zur letzten Bundestagswahl: Damals bekam die FDP sachsenweit noch 11 Prozent.
Taktisches CDU-Wählen könnte FDP geschadet haben
Am Tag nach der Wahl war FDP-Chef Christian Lindner mit Robert Malorny und Thüringens FDP-Vorsitzendem Thomas Kemmerich vor die Presse getreten. Lindner hatte mit der "Wettbewerbssituation zu anderen Parteien" einen weiteren Erklärungsversuch für die schlechten Ergebnisse in Sachsen und Thüringen parat. Gemeint war: Manch ein FDP-Anhänger dürfte wohl taktisch CDU gewählt haben, damit die AfD nicht stärkste Kraft wird.
In Sachsen ist das schwer zu überprüfen. Die FDP erhielt nämlich so wenige Stimmen, dass sie das Umfrageinstitut Infratest Dimap bei der Wählerwanderung schlicht nicht mehr ausweist. In Thüringen wanderten am Wahlsonntag tatsächlich rund 16.000 Wähler von der FDP zur CDU – ein knappes Drittel der FDP-Wähler von 2019. Anita Maaß sieht darin auch für Sachsen einen Faktor: "Bei einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU und AfD ist es für uns als FDP ganz schwer, durchzudringen."
Für die FDP ist das schlechte Abschneiden in Sachsen auch ein finanzielles Problem. Denn erst ab einem Landtagswahlergebnis von 1 Prozent erhalten Parteien jährlich Geld aus der staatlichen Parteienfinanzierung. In der letzten Wahlperiode bekamen Sachsens Liberale so jedes Jahr gut 48.000 Euro. Dieses Geld fehlt nun, räumt Maaß ein: "Wir sind schon jetzt alle Ehrenamtler. Und wir haben nächstes Jahr einen Bundestagswahlkampf zu stemmen. Da müssen wir sehen, wie wir mit weniger Mitteln schlagkräftig bleiben."
Politologe: Die FDP kämpft immer um ihr Überleben
Die nächste Ost-Wahl steht für die FDP in Brandenburg an. Umfragen sehen sie dort bei 2 bis 3 Prozent. Versinkt die FDP in den neuen Bundesländern in der Bedeutungslosigkeit? Nicht unbedingt, sagt Hans Vorländer, Senior-Professor für Politikwissenschaft an der TU Dresden, im Gespräch mit MDR SACHSEN: "Es gab immer wieder Phasen in der Vergangenheit, wo die FDP in den Ländern gescheitert ist, dann im Bund erfolgreich war. Die FDP als kleine Partei kämpft immer um ihr Überleben."
Doch so ernst wie jetzt war der Überlebenskampf in der Geschichte der sächsischen FDP noch nie. Bekannte Politiker wie Holger Zastrow haben die sächsischen Liberalen in den letzten Jahren verlassen, teils im Streit. Doch das neue, junge Personal gibt Landeschefin Maaß auch Grund zur Hoffnung: "Wir haben einen unwahrscheinlichen Teamgeist entfaltet." Einen Rücktritt lehnt Maaß ab. Ob sie sich als Vorsitzende halten kann, zeigt sich spätestens im November: Dann kommt die FDP zum nächsten Landesparteitag zusammen.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Radioreport | 03. September 2024 | 13:00 Uhr