Ein Mann im Interview im Hintergrund brennende Kerzen 3 min
Zehn Jahre nach seinem Rücktritt als Ortsbürgermeister von Tröglitz spricht Markus Nierth über seine aktuellen Projekte und was ihn antreibt. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Früherer Ortsbürgermeister 10 Jahre nach rechter Hetze und Gewalt in Tröglitz: So geht es Markus Nierth heute

07. März 2025, 19:05 Uhr

Markus Nierth aus Tröglitz war einer der ersten Ortsbürgermeister, die wegen massiver Anfeindungen und Morddrohungen von Rechtsextremen das Handtuch warfen und zurücktraten. Zehn Jahre ist das her. Im März 2015 machten die Geschehnisse in dem 2.000-Einwohner-Ort im Burgenlandkreis bundesweit Schlagzeilen. So geht es Markus Nierth heute.

Sechs Jahre lang war Markus Nierth ehrenamtlicher Ortsbürgermeister (parteilos) des 2.000-Einwohner-Ortes Tröglitz im Burgenlandkreis. Im März 2015 legte er sein Amt nieder – nach massiven Anfeindungen und Morddrohungen gegen ihn und seine Familie. Bis heute hält Nierth sich aus der Kommunalpolitik fern.

Markus Nierth, erfüllte Arbeit als Trauerredner

Der evangelische Theologe arbeitet seit Jahren als Trauerredner, eine Arbeit, die ihn erfüllt. "Ich darf viel lernen – vom ehemaligen sozialistischen Betriebsdirektor oder vom früheren Volkspolizisten. Und ich kann immer mithelfen, das Leben zu sortieren", so Nierth. Dabei versuche er, das Positive herauszuziehen, aber auch das Leid zu integrieren. Er wolle Familien helfen, sich ehrlich das vergangene Leben anzugucken und trotzdem dem Menschen die Würde lassen, warum er so gelebt und entschieden hat.

Anderen Menschen helfen und sich einbringen – Dinge, die Markus Nierth auch in seiner Zeit als Kommunalpolitiker angetrieben haben. Als Bürgermeister hatte er sich für die Unterbringung von 50 Asylbewerbern in der Ortschaft eingesetzt. Gegen deren Einquartierung hatte es in Tröglitz Anfang 2015 regelmäßig Protest von der NPD gegeben.

Hetze und Morddrohungen gegen Nierth und Familie

Wegen seines Engagements sah sich Nierth fremdenfeindlicher Hetze und persönlichen Angriffen ausgesetzt. Es gab Morddrohungen, seine Familie stand unter Polizeischutz. "Ich habe mich damals meinen Todesängsten stellen müssen", erzählt er heute. Die Drohungen hätten Auswirkungen auf seinen kompletten Alltag gehabt. Wenn er vor die Tür ging, habe er sich an die Anweisungen des LKA halten müssen.  

Im März 2015 zog Markus Nierth die Reißleine und legte sein Amt nieder, als eine der Demonstrationen an seinem Haus vorbeiziehen sollte. Er sah die Sicherheit für seine Familie nicht mehr gewährleistet. Im April schließlich gab es einen Brandanschlag auf das geplante Asylbewerberheim. Beides machte damals bundesweit Schlagzeilen.

Markus Nierth kniet in Beet mit Schneeglöckchen
Den Kopf frei bekommt Markus Nierth unter anderem bei der Arbeit im Garten. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Folgen für Familie bis heute spürbar

Mit seinem Rücktritt machte Nierth öffentlich, welchen Anfeindungen er wegen seines Engagements ausgesetzt war. Die Auswirkungen spürt er bis heute: "Es kostet mich, auch nach zehn Jahren, Kraft, einkaufen zu gehen. Jedes Mal habe ich einen Schutz, sowohl vor dummen Sprüchen als auch vor Anfeindungen." Bis heute drehe er sich im Supermarkt um, wenn ihm jemand zu nahe komme.

Es sind Narben da, die nicht hätten sein müssen.

Markus Nierth über die Folgen für seine Kinder

Die Folgen der damaligen Ereignisse sind demnach auch an seinen fünf Kindern nicht spurlos vorbeigegangen. Sie seien stiller und vor allem misstrauischer geworden, so Nierth. "Sie sind allein gelassen worden, auch von uns – obwohl wir versucht haben, das aufzufangen – weil wir damals mit unseren eigenen Problemen beschäftigt waren", gesteht er ein. Das Erlebte habe Auswirkungen sowohl auf ihren sozialen Umgang wie auch ihre Berufswahl gehabt. "Sie sind Überlebende geworden, aber die Schäden sind da. Es sind Narben da, die nicht hätten sein müssen."

Nierth bleibt gesellschaftlich engagiert

Trotz allem bleibt Nierth weiter gesellschaftlich engagiert – etwa mit seiner Frau im Bündnis "Gegen Vergessen – für Demokratie" – oder, indem er Demos gegen rechts mitorganisiert. Er möchte weiterhin in den Spiegel gucken können, erklärt er seinen Antrieb. Ihm sei wichtig, andere Menschen vor gefährlichen Einflüssen zu beschützen.

Susanna und Markus Nierth
Gemeinsam mit seiner Frau Susanna engagiert sich Markus Nierth unter anderem beim Bündnis "Gegen Vergessen – für Demokratie". (Archivbild) Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Sein Wunsch: Dass sich mehr Menschen ins Gemeinwesen einbringen. "Wenn man die da oben die ganze Zeit machen lässt, dann machen die da oben auch Fehler. Ich kann nicht am Lenkrad meines Lebens sitzen und die Hände weglassen. Die gesellschaftliche Fahrt geht weiter, und auf einmal rege ich mich auf, dass meine Karre auf der Leitplanke liegt", sagt Nierth. Jeder habe – mit seinen Möglichkeiten die er hat – die Verantwortung, sich gesellschaftspolitisch einzubringen. Jeder könne mitgestalten.

Sei so stark, dass du deine Schwäche zeigst.

Marcus Nierth, ehemaliger Bürgermeister von Tröglitz

Nierth war 2015 einer der ersten Ortsbürgermeister, die öffentlich machten, welchen Drohungen sie wegen ihres Engagements ausgesetzt waren. Heute werden immer mehr Kommunalpolitiker angefeindet und bedroht. Das sei leider böses Allgemeingut geworden, so Nierth. Betroffenen rät er zum Gang in die Öffentlichkeit: "Das ist dein eigentlicher Schutz. Suche dir Verbündete. Nimm Verbindung zur Opferberatung auf, wenn du Morddrohungen bekommst und wenn deine Familie betroffen ist. Und: Sei so stark, dass du deine Schwäche zeigst."

Mehr zu den Ereignissen in Tröglitz

MDR (Heiko Kunzmann, Cornelia Winkler, Anne Gehn-Zeller)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 07. März 2025 | 19:00 Uhr

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