Krankenkassenmitarbeiter 3 min
Wasim Al Watfah ist 2024 für seine ehrenamtliche Tätigkeit ausgezeichnet worden. Mehr dazu im Video Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Naumburg Wenn Integration gelingt: Vom Geflüchteten zum ehrenamtlichen Sprachmittler

09. März 2025, 05:00 Uhr

Wasim Al Watfah flüchtete vor zehn Jahren vor dem Krieg in Syrien. Die deutsche Sprache brachte er sich damals selbst bei – und hilft als ehrenamtlicher Dolmetscher heute selbst Menschen, die neu nach Sachsen-Anhalt kommen.

Wenn Wasim Al Watfah in der Naumburger Filiale einer Krankenkasse ein Kundengespräch führt, fühlt er sich in seinem Element. Dass er diese Tätigkeit heute ausüben kann, hätte der heute 34-Jährige vor zehn Jahren wohl kaum für möglich gehalten. Damals floh der gebürtige Syrer mit seinen Brüdern vor dem Krieg.

Nach seiner Ankunft in Deutschland lebte er zunächst in einer Flüchtlingsunterkunft in Sachsen. Dem damals 24-Jährigen war schnell bewusst: Wer in diesem Land leben möchte, muss die Sprache schnell erlernen. Die Wartezeiten für einen Sprachkurs erschienen ihm zu lang, sodass er eigenständig begann, mithilfe von Online-Videos Deutsch zu lernen. "Ich habe damals in einem Zelt gewohnt mit 26 anderen Geflüchteten und selber angefangen, Deutsch zu lernen", erzählt der junge Mann rückblickend.

Ein Mann sitzt draußen auf einer Bank und schaut auf ein Handy.
Wasim Al Watfah hätte damals lange auf einen Sprachkurs warten müssen – und brachte sich die Sprache deswegen selbst bei. Bildrechte: MDR/ Janett Scheibe

"Wer will, der kann" – Al Watfahs erster deutscher Satz

Er sei jeden Tag um 06:00 Uhr früh aufgestanden, habe Sport gemacht, geduscht und dann gelernt. "Ich wollte mich integrieren, ich wollte auch arbeiten. 'Wer will, der kann – das ist auch der erste Satz, den ich in Deutschland gelernt habe'", so Al Watfah.

Nach einem halben Jahr beherrschte Wasim Al Watfah die neue Sprache so gut, dass er sein erstes Vorstellungsgespräch vollständig auf Deutsch bestritt. In seinen ersten Monaten in Deutschland war der Syrer in verschiedenen gastronomischen Bereichen tätig. Aufgrund seiner ausgezeichneten Deutschkenntnisse wurde er in dieser Zeit bereits häufiger für Übersetzungsaufgaben angefragt. "Ich war schon immer sehr hilfsbereit und wollte Menschen helfen", erklärt er.

Ziel: Anderen Migranten bei der Integration helfen

Da er aus eigener Erfahrung wusste, wie schwierig es ist, sich in einem fremden Land zurechtzufinden, beschloss er, seine Tätigkeit als Sprachmittler zu intensivieren. Bei der Caritas in Dresden wurde er regelmäßig als Übersetzer vermittelt, insbesondere bei Behördenterminen. In Wasim reifte der Wunsch, eine Karriere als Dolmetscher zu verfolgen, und er wagte den Schritt, eine staatliche Prüfung zum Dolmetscher abzulegen, die er jedoch nicht bestand: "Ich habe die Prüfung ein bisschen unterschätzt und schnell, schnell gemacht."

Manchmal ist es eben nötig, einen Schritt zurückzutreten, um anschließend zwei Schritte vorwärts zu machen. So entschied sich Wasim Al Watfah, seine Tätigkeit als ehrenamtlicher Sprachmittler fortzusetzen und sich gleichzeitig auf seine Ausbildung zum Kaufmann im Gesundheitswesen zu konzentrieren. Diese hat er mittlerweile erfolgreich abgeschlossen und ist seit zwei Jahren fest bei der Barmer in Naumburg angestellt.

Für seine Kollegen in der Filiale ist der junge Syrer nicht nur aufgrund seiner fachlichen Expertise eine Bereicherung, sondern auch wegen seiner sympathischen Art. Al Watfah habe von Anfang an gut ins Team gepasst, erinnert sich Cordelia Keil, die die Niederlassung in Naumburg leitet. Neben seinem Fachwissen liege das auch an seiner empathischen und einfühlsamen Art, so Keil.

Ein Mann und eine Frau stehen an einem Tisch und unterhalten sich.
Cordelia Keil schätzt die Unterstützung von Wasim Al Watfah. Bildrechte: MDR/ Janett Scheibe

Ehrenamtliche Dolmetscher sind in verschiedenen Situationen im Einsatz

Sein ehrenamtliches Engagement als Sprachmittler hat sich seit seiner Tätigkeit im Gesundheitsbereich nicht verringert – im Gegenteil. Seit 2023 ist er festes Mitglied im Projekt "Sprachmittlung in Sachsen-Anhalt" (Sisa), das zum Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt (Lamsa) gehört. Die ehrenamtlichen Sprachmittler würden umfangreich in verschiedenen Gesprächssituationen unterstützen, erklärt Sisa-Projektkoordinator Benedict Erb. "Wir helfen Menschen, deren Deutschkenntnisse noch nicht ausreichend sind, um sozial teilzuhaben. Das gilt zum Beispiel für Behördengespräche, für Beratungsstellen für Elterngespräche in Kitas und Schulen – überall dort, wo Bedarf ist."

Ein Mann telefoniert und sitzt an einem Tisch vor einem Laptop.
Benedict Erb koordiniert das Sprachmittlungs-Projekt von Halle. Bildrechte: MDR/ Janett Scheibe

Sisa kann dank der Unterstützung von etwa 400 ehrenamtlichen Sprachmittlern mittlerweile im gesamten Bundesland aktiv sein. Wasim Al Watfah wurde Ende 2024 für sein ehrenamtliches Engagement als Sprachmittler ausgezeichnet. Doch ihm liegt weniger an der Anerkennung; vielmehr möchte er etwas an das Land zurückgeben, in dem er seit zehn Jahren eine neue Heimat gefunden hat, in dem er sich wohlfühlt und sich beruflich auch weiterentwickeln kann.

MDR (Janett Scheibe, Kalina Bunk)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 06. März 2025 | 19:00 Uhr

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