Tröglitz drei Jahre nach Brandanschlag Markus Nierth: "Es könnte wieder passieren"
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31. März 2018, 09:25 Uhr
Wie kein anderer Ort in Sachsen-Anhalt stand Tröglitz 2015 im Fokus der Medien. Für Aufsehen sorgten Demonstrationen gegen Flüchtlinge sowie ein Brandanschlag auf das geplante Asylbewerberheim. Ein Besuch drei Jahre später.
Der Friedensplatz in Tröglitz: Hier machen Rentner ihre Besorgungen, kommen ins Gespräch über das Wetter und das Osterfest. Die Ereignisse von 2015 – Demonstrationen gegen Flüchtlinge, der Brandanschlag auf das geplante Asylbewerberheim – spielen bei den Unterhaltungen keine Rolle.
Darüber reden? Das wollen die meisten nicht. Genau wie damals. Auch damals schwiegen die meisten Einwohner, regten sich über die vielen Reporter auf und auch über die wenigen Menschen, die sich für Flüchtlinge engagierten. Die meisten wollten ihre Ruhe. Einige demonstrierten auch auf dem Friedensplatz mit, bei den Kundgebungen, die ein NPD-Mitglied jede Woche organisierte.
Vergessen und verdrängt?
Heute haben die Tröglitzer ihre Ruhe. Es wohnen zwar drei Flüchtlingsfamilien in Mietwohnungen im Ort, sie spielen im Ortsbild aber keine Rolle.
Auch vor der geplanten Asylbewerberunterkunft, deren Dachstuhl immer noch nur notdürftig mit Dachpappe abgedeckt ist, gehen die Menschen vorbei, ohne dem Haus auch nur einen Blick zuzuwerfen. Es scheint fast so, als sei Gras über die Sache gewachsen und die Einwohner hätten die Ereignisse vergessen oder verdrängt.
Das finden Markus und Susanna Nierth verwerflich. Damals und heute setzen sich der ehemalige Bürgermeister und seine Frau für Flüchtlinge ein. Doch es hat sich viel verändert, auch für die eigene Familie, erzählen sie. Nichts sei mehr so wie vorher. Die Familie, auch die Kinder seien bedroht worden. Das Heimatgefühl sei verloren gegangen.
Nichts ist, wie es war
Auf der anderen Seite tut es Markus Nierth auch leid um die Menschen, die sich selbst betrügen, sagt er. "Nichts ist, wie es vorher war, es ist Unrecht passiert", sagt er. Wenn man die Ereignisse nicht aufarbeite und einen Mantel des Schweigens darüber lege, könne man nicht daraus lernen. "Dann könnten sie sich wiederholen."
Diese Meinung vertritt auch der Pfarrer der Gemeinde, Matthias Keilholz. Er bietet noch immer Friedensgebete an, einmal im Monat, um über die Geschehnisse zu sprechen und sie zu verarbeiten. Es nehmen aber nur wenige Tröglitzer an den Gebeten teil. Und auch Matthias Keilholz denkt, dass es möglich ist, dass wieder geschehen könnte, was damals geschah. Der Grund: Bei den Demonstrationen gegen die Flüchtlinge hätten nicht die Ängste und Sorgen der Menschen im Vordergrund gestanden. "Mir schlug damals der blanke Hass entgegen."
Quelle: MDR/as
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 31. März 2018 | 12:01 Uhr