Nachwachsender Rohstoff Wohnungsbau: Was für das Bauen mit Holz spricht
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02. April 2024, 10:21 Uhr
Holz lässt sich schnell und unkompliziert verbauen, ist widerstandsfähig und wächst von allein nach. Die Vorteile werden immer öfter auch im Wohnungsneubau genutzt. In Mitteldeutschland hat Leipzig die Nase vorn. Dort gibt es auch Forscher, die immer neue Konzepte für noch mehr Nachhaltigkeit entwickeln.
Bereits mehrere Mehrgeschosser aus Holz in Leipzig
Holz wird zunehmend auch für den Wohnungsbau entdeckt. In Mitteldeutschland hat sich besonders Leipzig zu einem Zentrum für diese Art des Bauens entwickelt. Mit der Oberschule am Barnet-Licht-Platz wurde 2020 erstmals eine Schule in Sachsen in Holzbauweise errichtet. Nach nur einem Jahr Bauzeit war das Gebäude mit Klassenzimmern für fast 700 Schüler fertig. Auch der Sitz des Deutschen Biomasseforschungszentrums in der Messestadt, mit 7.500 Quadratmetern Nutzfläche, enstand in Holzbauweise.
Ein weiteres Beispiel ist das "Waldkerbel-Eck" mit 21 Wohnungen, das von der Leipziger Wohnungsbau-Genossenschaft in Hybrid-Bauweise errichtet wurde – mit Decken aus Beton, die von einem Holzgerüst und Holzwänden getragen werden. Ein Drittel davon sind Sozialwohnungen. Anfang 2022 sind die ersten Mieter eingezogen. "Der Holzbau ist prädestiniert dafür, guten Wohnungsbau zu realisieren. Er ist schnell und bietet hohe Wohnqualität", erklärt Alexander Stahr, seit 2010 Professor für Tragwerkslehre an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig.
Noch im Werden ist ein sechsgeschossiges Haus mit 76 Sozialwohnungen in Holzbauweise in der Leipziger Südvorstadt. Anfang 2026 soll es fertig sein. Einen Kostenvergleich muss Holz als Baustoff nicht scheuen. "Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass das Bauen mit Holz in etwa auf dem gleichen Niveau stattfinden kann, wie das Bauen mit Beton oder mit Ziegel oder mit anderen Materialien", so Stahr.
Der Holzbau ist prädestiniert dafür, guten Wohnungsbau zu realisieren.
Und es kann ganz hoch hinaus gehen: In Hamburg steht das derzeit höchste mehrgeschossige Haus in Holzbauweise in Deutschland, das 65 Meter in die Höhe ragt. Das "Roots", das 19 Geschosse umfasst und 181 Wohnungen Raum bietet.
Schnelle Produktionsweise und umweltfreundlicher Baustoff
Bei der Holzbauweise werden die tragenden Einheiten in der Produktionshalle vorgefertigt. Auf riesigen Werktischen werden ganze Hauswände konfektioniert. Das Holzgebäude entsteht also in Einzelteilen abseits der eigentlichen Baustelle. Da ist viel Vorplanung gefragt und ein längerer zeitlicher Vorlauf nötig. In der Endphase geht es dafür umso schneller, dank Baukastensystem.
"Der Aufbau, die Montage, ist so ein Bisschen wie Lego für Erwachsene. Die Elemente haben eine Nummer. Sie werden nach Plan auf der Baustelle zusammengeschraubt", sagt Zimmerermeister Ralf Lepski. Ganze Schulen könnten in nur einem Monat gebaut werden. "Da redet man über 50, 60 Zimmer", führt er aus. Auch Einfamilienhäuser könnten so im Handumdrehen gebaut werden.
Noch ein Pluspunkt: Der Rohstoff Holz ist umweltfreundlich – denn er wächst von selber nach. "In Sachsen reden wir zur Zeit von einer Stunde, da ist ein Holzhaus nachgewachsen", sagt Lepski. "Wir könnten jeden Tag locker 24 Häuser aus Holz bauen und es würde gar keiner im Wald merken."
Gut zu wissen Holz überzeugt auch im Punkt Brandwiederstand bei Feuer. "Holz bildet eine Kohleschicht, wenn es brennt. Diese schützt den restlichen Holzquerschnitt. So erreicht man auch die 90 Minuten Brandwiderstand, die ein Gebäude haben muss", erklärt Architekt Dirk Stenzel.
Forschung zu sparsamen Bauweisen und Konstruktionen
Im Versuchslabor der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig wird mit Robotern daran getüftelt, wie Holz sparsamer und damit noch effizienter verbaut werden kann. Etwa mit schrägen Fräsungen sollen neue Möglichkeiten für Verbindungen ausgetestet werden.
"Wir versuchen, Konzepte zu entwickeln, die im Bereich des Bauens mit möglichst wenig Material auskommen: Konstruktionen, innovative Wandbauweisen, die mit weniger Holz auskommen, als der konventionelle Holzrahmenbau zum Beispiel", erklärt Felix Schmidt-Kleespies, der der Forschungsgruppe mit dem Namen "Flex" angehört.
Um die Montage von Tafelelementen im handwerklichen Holzbau schneller zu machen, haben sie ein auf "Augmented Reality" basierendes Assistenzsystem entwickelt. Eine Datenbrille orientiert sich über QR-Referenzpunkte, zeigt dem Zimmermann die Produktionspläne an, vereinfacht Messungen und ermöglicht so schnelle und exakte Positionierungen und das mit einer Genauigkeit von zwei Millimetern auf 15 Metern.
Holzbauforschungszentrum für Praxistests im 1:1-Format
In Leipzig-Engelsdorf entsteht unter der Regie von HTWK-Professor Stahr gerade das Holzbauforschungszentrum. Über computergesteuerte Brückenkräne soll dort künftig jede Position an Modellen im 1:1-Format angefahren werden können. Es soll eine Modellfabrik werden, in der unterschiedliche Fertigungsszenarien ausprobiert werden können.
Denkbar seien in der Zukunft auch Holzbauprojekte, die sich im Laufe ihrer Lebenszeit mehrfach verwandeln können. Hier spricht man vom "zirkulären Bauen": Damit würden Gebäude nicht einfach abgerissen, sondern die Einzelteile wiedergenutzt für neue Bauten. "Aus der Fabrikhalle wird ein Loft, aus dem mehrgeschossigen Gebäude, was als Bürohaus genutzt worden ist, werden Wohnungen oder ähnliches", skizziert Stahr vorstellbare Szenarien. Noch ist es eine Idee, aber daran wird getüftelt.
Mit neuen Methoden lassen sich in Zukunft immer mehr Holzhäuser mit immer weniger Holz für bezahlbaren Wohnraum errichten. Schon jetzt erreicht man durch schlankere Wände im Schnitt zehn Prozent mehr Wohn- oder Nutzfläche als in herkömmlichen Objekten.
MDR (cbr)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 26. März 2024 | 20:15 Uhr