Inflationsausgleich Fachleute warnen: Einmalzahlungen dürfen keine Normalität werden
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25. April 2023, 16:42 Uhr
Durch die Tarifeinigung im Öffentlichen Dienst ist die Inflationsausgleichsprämie wieder in den Fokus gerückt. Neben einem Lohnplus bekommen die Beschäftigten vom Arbeitgeber 3.000 Euro, steuerfrei und ohne Sozialabgaben. Das soll die inflationsbedingten Nöte der Menschen etwas lindern, argumentiert die Ampelregierung. Aber so eine Einmalzahlung ist nicht immer ein gutes Geschäft.
- Wirtschaftsexperten warnen davor, dass Einmalzahlungen zur Normalität werden. Durch steigende Preise hätten Arbeitnehmer dauerhaft höhere Kosten.
- Den Inflationsausgleich bezeichnet der Tarifexperte Reinhard Bispinck daher als "süßes Gift".
- Der Wirtschaftsexperte Hagen Lesch weißt darauf hin, dass Einmalzahlungen auch dazu gedacht sind, die Lohn-Preis-Spirale zu unterbrechen.
Eines ist klar: 3.000 Euro aufs Konto überwiesen zu bekommen, ist besser als leer auszugehen. Das sagt auch der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, und betont, eine Einmalzahlung sei natürlich gut. Wer freue sich nicht über 3.000 Euro? Aber das, was die Inflationsausgleichsprämie dem Namen nach tun soll, das schafft sie laut Fratzscher nur sehr bedingt.
Der Wirtschaftsexperte betont mit Blick auf die Einmalzahlung, man habe diese im nächsten Jahr nicht mehr. Das bedeute, wenn die Inflation hoch sei und die Preise gestiegen seien, habe man dauerhaft höhere Kosten. Aber man habe nur einmal eine Unterstützung. Die Einmalzahlung verpuffe.
Fratzscher sieht genau das als problematisch für Arbeitnehmer an, da die Einmalzahlungen zuletzt häufiger Bestandteil von Tarifabschlüssen gewesen seien. Das sei in den Verhandlungen eine Sorge, dass die Arbeitgeber sagen könnten, sie zahlten keine höheren Löhne, wie die Arbeitgeber das gerne hätten. Dafür gebe man ihnen im Austausch eine Einmalzahlung von 3.000 Euro. "Und das ist eben kein Austausch", resümiert Fratzscher und spricht von einem in der Regel schlechteren Geschäft für die Arbeitnehmer.
Der Inflationsausgleich als "süßes Gift"
Reinhard Bispinck, Tarifexperte der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, nennt deswegen die Prämie ein "süßes Gift". Kurzfristig sei sie hochattraktiv, aber sie gehe eben nicht dauerhaft in die Tariftabelle ein und sei nicht mehr die Grundlage für weitere Tarifanhebungen in der Zukunft.
Was das bedeutet, macht Bispinck anhand einer Modellrechnung deutlich. Der Tarifexperte sagt, man nehme Beschäftigte, die im ersten Jahr eine Inflationsausgleichszahlung bekämen. Im Gegensatz dazu würden andere Beschäftigte bereits eine Tariferhöhung erhalten. Dann seien diejenigen, die bereits im ersten Jahr eine dauerhafte Tariferhöhung statt einer Inflationsausgleichsprämie erhalten hätten, auf Dauer langfristig immer deutlich bessergestellt.
Die Prämie als strategisches Instrument
Tatsächlich ist die Prämie auch dafür gedacht, eben diesen Effekt abzumildern. Sie ist ein Kompromiss, für den Kanzler Olaf Scholz im Rahmen seiner Konzertierten Aktion bei Arbeitgebern und Gewerkschaften geworben hat. Hagen Lesch, Tarifexperte des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, bezeichnet die Prämie als ein strategisches Instrument, das die Bundesregierung bereitstelle, um die Kompromissfindung in Tarifverhandlungen zu vereinfachen und um gegen den Preisdruck zu wirken. Sie diene der Vermeidung dauerhaft hoher Lohnsteigerungen, die die Inflation antrieben und in der Lohn-Preis-Spirale mündeten.
Die Hoffnung sei, dass mit der einmaligen Prämie der Druck bei den Unternehmen kleiner sei, die dann insgesamt weniger hohen Lohnkosten auf die Preise umzulegen, so Lesch.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 25. April 2023 | 06:00 Uhr