Falsch gemessen Darum müssen manche Weihnachtsmärkte viel mehr an die GEMA zahlen

30. November 2023, 13:25 Uhr

Die Kosten für lizensierte Musik hat sich teilweise um das Hundertfache erhöht – so schimpfen einige Weihnachtsmarktveranstalter. Der Grund sind aber keine gestiegenen Gebühren der GEMA, sondern dass einige Veranstalter bislang kleinere Veranstaltungsflächen angegeben hatten, als die GEMA nun bei Kontrollen ausgemessen hat. Einige der Märkte konnten sich auf einen Kompromiss einigen.

Was wäre ein Spaziergang über den Weihnachtsmarkt ohne den Geruch von Glühwein, Grünkohlpfanne und sich überlappende Weihnachtsmusik? Doch gerade der letzte Punkt sorgt in diesem Jahr für reichlich Ärger und Aufregung bei Städten und Weihnachtsmarktbetreibern.

Grund dafür ist die GEMA – die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte –, die für die Musik scheinbar mehr Geld verlangt, als in den Jahren zuvor. Gesprochen wird dabei immer wieder von einer "Gebührenerhöhung". Doch ganz so ist es nicht – also der Reihe nach.

Das macht die GEMA

Die GEMA ist ein Verein, der die Interessen seiner Mitglieder vertritt. Dazu zählen nach eigenen Angaben über 90.000 Komponistinnen, Textdichter und Verlegerinnen. Das wichtigste Anliegen ist, dass Musikschaffende für das Spielen ihrer Songs Geld erhalten.

Weihnachtsmärkte sollen das Hundertfache an Kosten für Musik zahlen

Wird auf Stadtfesten, anderen öffentlichen Veranstaltungen oder eben auch auf Weihnachtsmärkten urheberrechtlich geschützte Musik von Künstlern gespielt, die bei der GEMA gemeldet sind, muss der Veranstalter Geld für die Nutzung der Musik bezahlen. Die Künstler erhalten davon einen Teil.

In Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen sollen einige Weihnachtsmärkte aber nun enorme Summen für die Weihnachtshits hinlegen:

So hatte beispielsweise der Veranstalter des Weihnachtsmarktes in Magdeburg im September eine Steigerung der GEMA-Kosten von etwa 1.750 Euro vor der Coronapandemie auf mehr als 101.000 Euro kritisiert.

Thüringens Hauptstadt Erfurt musste in den vergangenen Jahren etwa 2.000 Euro für die gesamte Zeit des Weihnachtsmarktes zahlen. Für den bevorstehenden 173. Erfurter Weihnachtsmarkt sind nun 50.000 Euro fällig. Und Leipzig sollte statt 3.800 Euro dann 38.000 Euro zahlen, wie die Stadt dem MDR sagte.

Keine Gebührenerhöhung von Seiten der GEMA

Wie viel die Weihnachtsmärkte bezahlen müssen, ist laut GEMA-Sprecherin Christina Zander durch einen Tarif geregelt. Der Tarif wurde durch die Bundesvereinigung der Musikveranstalter verhandelt und gilt seit 2018. Die GEMA selbst stelle keine Tarife auf, so Zander. Sie sagt dem MDR: "Uns ist wichtig zu betonen, dass es keine Gebührenerhöhung für Weihnachtsmärkte gab."

Eine Kostenerhöhung können wir nicht bestätigen. Uns ist wichtig zu betonen, dass es keine Gebührenerhöhung für Weihnachtsmärkte gab.

Christina Zander Kommunikationsmanagerin bei der GEMA

Doch woher kommt die Erhöhung dann? Auf ihrer Webseite schreibt die GEMA zu den Erhöhungen folgendes: "Nach der Coronapandemie, während der aufgrund behördlicher Schließungen keine Stadtfeste und Weihnachtsmärkte stattfinden konnten, haben wir begonnen, die Flächen über Tools wie "Planimeter" und "Google Maps" zu messen. Wir haben dabei deutliche Diskrepanzen festgestellt." Kurz gesagt: Die Veranstalter haben möglicherweise falsch gemessen oder verkehrte Angaben gemacht.

Wenn die angemeldete Fläche nicht der tatsächlichen Fläche entspricht, wichen dadurch die Gebühren ab, so Zander. Ein weiterer Grund für die Erhöhung sei auch die Größe der Märkte. So seien einige Märkte nach der Pandemie auf die Vor-Corona-Größe zurückgekehrt, so die Sprecherin. Auch wie lange ein Markt stattfindet, mache sich in den Kosten bemerkbar.

So kontrolliert die GEMA Zunächst gilt die GEMA-Vermutung. Diese geht ebenfalls auf den Bundesgerichtshof zurück. Die Regelung besagt, dass die gespielte Musik zum Repertoire der GEMA gehört. Ist dem nicht so, muss dies vom Veranstalter entkräftet werden. Sprich: Es muss nachgewiesen werden, dass er ausschließlich gemafreie Musik genutzt hat. So reichen beispielsweise die Veranstalter bei Live-Musik Setlisten ein – darauf sind die gespielten Stücke exakt vermerkt.

BGH-Urteil: Gemessen wird die gesamte Fläche der Veranstaltung

Ausschlaggebend für die Berechnung ist somit die gesamte Fläche des Marktes – und nicht nur der Bereich, in dem die Musik zu hören ist. Die Bemessungsgrundlage des Tarifs wurde 2011 vom Bundesgerichtshof entschieden und ist seitdem unverändert. In dem Urteil heißt es: "Die Höhe der Vergütung ist bei Freiluftveranstaltungen nach der Größe der Veranstaltungsfläche – gerechnet vom ersten bis zum letzten Stand und von Häuserwand zu Häuserwand – zu bestimmen." Dabei werden Flächen für Ausstellungsstände oder Tische nicht abgezogen, heißt es.

Würde man die GEMA-Lizenzgebühr auf die Dauer des Marktes, Einnahmen und Besucher umrechnen, so bewege sich die Abgabe für Musik pro Besuch im einstelligen Cent-Bereich, so Zander. Ein Beispiel: Für das Jahr 2022 betrug die Lizenzgebühr beim Dresdner Striezelmarkt bei einer Fläche der Veranstaltung von 10.000 m², 32 Öffnungstagen und zwei Millionen Besucher circa 2,5 Cent pro Besucher. Die Gesamtkosten betrugen rund 50.000 Euro, so die GEMA auf ihrer Webseite.

Magdeburger Weihnachtsmarktchef: Tarif ist nicht für Weihnachtsmärkte geeignet

Die momentane Durchsetzung der Tarifregelung findet der Magdeburger Weihnachtsmarktchef Paul Gerhard Stieger "unfair". Im Interview mit dem MDR erklärt er, die Menschen kämen schließlich nicht auf den Markt um Künstler zu sehen, sondern wegen anderer Dinge.

In den Jahren zuvor hatte Stieger der GEMA immer die Fläche vor der Bühne, auf der Live-Musik gespielt wird, angegeben. Das waren um die 200 bis 300 m². "Das wurde auch immer von der GEMA akzeptiert", sagt er, "und jetzt geht es plötzlich nach dem Tarif."

Stieger sieht in dem Tarif mehrere Problemstellen. Er sagt dem MDR, dass dieser nicht stundenweise gilt, sondern eben für den ganzen Tag. Sprich: Wenn der Chor nach einer Stunde fertig ist, laufe der Tarif trotzdem weiter.

Auch dass die Fläche von Hauswand zu Hauswand gezählt wird, sei schwierig für einen Markt, der sich "traditionell durch die Stadt schlängelt". So ende der Markt in Magdeburg am Breiten Weg. Die nächste Hauswand sei aber erst zwei Straßenbahnschienen und zwei Gehwege weiter entfernt, sagte der Weihnachtsmarktchef. Dadurch könnte im schlechtesten Fall auch Fläche berechnet werden, wo kein Weihnachtsmarkt sei, bemängelt Stieger.

Einige Märkte einigen sich mit der GEMA – Magdeburg protestiert

Mittlerweile haben sich aber einige Städte mit der Verwertungsgesellschaft auf eine geringere Gebühr für das Abspielen von Musik auf dem Weihnachtsmarkt verständigen können – eine Kulanzregelung.

Für die Weihnachtssaison 2023 gilt: "Die im Einzelfall für 2022 gewährte Kulanzregelung gewährt die GEMA auch für die Musiknutzung auf dem Weihnachtsmarkt 2023 – sofern sich die Parameter gleichen", schreibt die GEMA.

So muss beispielsweise Leipzig für die Musik auf dem Weihnachtsmarkt 18.000 Euro weniger bezahlen, statt der geforderten 38.000 Euro. Die Stadt Chemnitz zahlte nach Verhandlungen 17.000 Euro im vergangenen Jahr. Die Gebühren für 2023 seien aber noch nicht abschließend geklärt, so die Stadt gegenüber dem MDR.

In Magdeburg soll am Montag gegen die hohen Kosten protestiert werden. So soll vom Vormittag bis zum späten Nachmittag keine Musik auf dem Weihnachtsmarkt gespielt werden, heißt es von Weihnachtsmarktchef Stieger. Allgemein soll in Magdeburg in diesem Jahr zumindest die Live-Musik ausschließlich gemafrei sein, so Stieger weiter.

Auch Veranstalter anderer Weihnachtsmärkte wie in Erfurt hatten in den vergangenen Tagen Protestaktionen gegen GEMA-Gebühren angekündigt.

MDR (Maximilian Fürstenberg)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT - Das radio wie wir | 28. November 2023 | 07:30 Uhr

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