Ein Stapel Euromünzen liegt auf einem Chart mit finanziellen Daten
Unter anderem an einem Streit um die Schuldenbremse ist die Ampel-Koalition zerbrochen. Ist die Schuldenbremse derzeit überhaupt sinnvoll? (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO / Wolfilser

Investitionen Wirtschaftsexperten uneinig über Sinn der Schuldenbremse

09. Dezember 2024, 11:09 Uhr

Streit um die Schuldenbremse war ein wichtiger Grund dafür, dass die Ampel-Koalition auseinandergebrochen ist. Sie wird wohl auch die nächste Regierung und den neu gewählten Bundestag beschäftigen. Und sie beschäftigt auch MDR-AKTUELL-Hörerin Cornelia Hornemann aus Mühlhausen. Sie fragt: "Wäre es in der momentanen strukturellen Krise in Deutschland nicht sinnvoller, die Schuldenbremse auszusetzen, für Investitionsförderungen in die Wirtschaft oder in Forschung und Lehre?"

Wenn es um den Sinn der Schuldenbremse geht, gibt es für jede Meinung einen passenden Experten: Vor einem Jahr befragte das ifo-Institut rund 200 Wirtschaftsprofessorinnen und -professoren. 48 Prozent der Befragten wollten die Schuldenbremse wie bisher erhalten, 44 Prozent sie reformieren. Sechs Prozent wollten sie gänzlich abschaffen.

Professor fordert Investitionen in Höhe von einer Billion Euro

Der Düsseldorfer Professor Jens Südekum will sie dringend reformieren, etwa damit der Staat schnell mehr Geld für die Infrastruktur ausgeben kann. "Wir haben dort eine Lücke – wenn man die Bereiche Bahn, Straßenbau, öffentliche Gebäude, digitale Infrastruktur angeht – die beläuft sich mittlerweile nach Schätzungen des Bundesverbands der Deutschen Industrie auf 450 Milliarden Euro." Hinzu komme der Bereich Militär. Und: "Wir haben den Bereich Bildung: Der gilt klassischerweise nicht als Investition, was eigentlich ein bisschen widersinnig ist. Aber auch da liegt vieles im Argen."

Wenn wir jetzt eben diese Investitionen nicht tätigen, dann werden wir in Zukunft noch schwächer wachsen – und dann bekommen wir ein Schuldenproblem.

Jens Südekum Professor für International Economics an der Uni Düsseldorf

Südekum spricht von einer Billion Euro, die Deutschland bis 2030 in die Hand nehmen müsse. Das Argument, dass diese Schulden dann künftige Generationen belasten würden, ist ihm zu kurz gedacht: "Wenn wir jetzt eben diese Investitionen nicht tätigen, dann werden wir in Zukunft noch schwächer wachsen – und dann bekommen wir ein Schuldenproblem."

Thomas Lenk 17 min
Bildrechte: MDR/ Universität Leipzig/Prof. Dr. Thomas Lenk, Foto: Christian Hüller

Argumente für die Schuldenbremse

Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung hält dagegen. Die Schuldenbremse zwinge dazu, genauer hinzuschauen, wofür der Staat Geld ausgibt. "Wir fangen an, wieder nachzudenken, ob wir das Rentensystem reformieren. Wir fangen an, nachzudenken, ob wir alle Subventionen, die wir zahlen, auch noch zahlen sollten. Und das ist ja gerade auch der Sinn der Sache."

Wie kann man es eigentlich sicherstellen, dass das Geld wirklich für Forschung und Entwicklung, für Infrastruktur ausgegeben wird?

Friedrich Heinemann Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

Heinemanns Sorge: Die Regierung macht dank gelockerter Regeln neue Schulden – doch anstatt in die Zukunft zu investieren, könnte sie das Geld in der Gegenwart verplanen. "Zum Beispiel dafür, dass man Beamtengehälter bezahlt, dass man höhere Renten finanziert. Also, das ist der Kern der momentanen Debatte: Wie kann man es eigentlich sicherstellen, dass das Geld wirklich für Forschung und Entwicklung, für Infrastruktur ausgegeben wird? Und das ist überhaupt nicht einfach."

Sozialstaat: Sparen oder investieren?

Rund die Hälfte der deutschen Staatsgelder fallen für Sozialausgaben an. Doch während Heinemann zum Sparen aufruft, sieht Jens Südekum darin erst recht einen Grund, die Schuldenbremse neu zu fassen. "Reformen im Sozialstaat wirken sich typischerweise nicht sofort aus, sondern erst in den Folgejahren. Investieren müssen wir aber sofort. Der Rest der Welt schreitet gerade massiv voran. Deswegen muss man beides parallel machen, also Investitionen, die Kreditfinanzierung – und parallel die Reformen im Sozialstaat."

Zusammengefasst: Es gibt auch unter Ökonomen viele, die die Schuldenbremse reformieren wollen. Zumindest dann, wenn das Geld auch wirklich so verwendet wird, wie MDR-AKTUELL-Hörerin Cornelia Hornemann es anregt.

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 09. Dezember 2024 | 06:00 Uhr

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