Stapel von Pizzakartons einer Restaurantkette
Kleinere Gaststätten kommen im Wettstreit um Kundinnen und Kunden immer öfter nicht mehr gegen Restaurantketten wie "60 seconds to napoli" an und müssen schließen. Bildrechte: IMAGO/Funke Foto Services

Dehoga Gaststättenverband fordert Erleichterungen für kleine Gasthöfe

09. November 2023, 13:12 Uhr

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband hat angesichts des starken Wachstums von Restaurantketten Erleichterungen für kleinere Betriebe gefordert. Es sei nicht hinnehmbar, dass beispielsweise familiengeführte Lokale aussterben. Mittlerweile entfallen in Deutschland fast die Hälfte aller Restaurantbesuche auf die Systemgastronomie.

Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur
Bildrechte: MDR/Isabel Theis

In einem Leipziger Restaurant verspricht der Wirt Pizza wie in Neapel. Im "60 seconds to napoli" darf der Teig noch drei Tage ruhen. Belegt wird er mit süditalienischen Tomaten, gebacken bei fast 500 Grad.

Doch was viele Gäste an den schlichten Holztischen nicht ahnen: Das Lokal gehört keinem Italiener, sondern ist Teil einer Kette. Die Gustoso-Gruppe bietet die neapolitanische Pizza in zehn deutschen Städten an. Die Gruppe betreibt auch Hamburger- und Frühstücks-Restaurants.

Firmenchef Nico Engel sagt, dass immer mehr Gastronomen dazustießen: "In einem schwierigen Marktumfeld gibt es natürlich viele Einzelkämpfer, die keine Einzelkämpfer bleiben wollen, sondern sich einem Partner anschließen, der ihnen immer noch unternehmerische Freiheiten gibt, aber bei herausfordernden Themen hilft."

Immer mehr Zulauf für Restaurantketten

So wachsen in der Krise Restaurantketten, die auf den ersten Blick gar nicht wie Ketten aussehen. Sie heißen "Otto's Burger", "Ciao Bella" oder "L'Osteria". Zumeist betreiben regionale Wirte die Läden, das Grundkonzept samt Marketing kommt aber aus einer Zentrale.

Und die Ketten wachsen: Entfielen vor sieben Jahren in Deutschland noch 35 Prozent aller Restaurantbesuche auf die sogenannte Systemgastronomie, sind es inzwischen 46 Prozent.

Die Ketten seien viel leichter aus der Corona-Krise gekommen als die kleinen Wirte, sagt der Marktforscher Jochen Pinsker. Außerdem mache es beispielsweise beim Wareneinkauf oder der Personalverwaltung keinen allzu großen Unterschied, ob man einen oder zwei Betriebe habe oder eben zehn oder 20.

"Der Aufwand ist jetzt nicht so riesig unterschiedlich und von daher haben sie natürlich eine höhere Effizienz, je mehr Betriebe sie aus einem Backoffice leiten oder steuern können", so Pinsker.

Kleine Betriebe brauchen Erleichterungen

Doch das Wachstum der Ketten geht zu Lasten der Individualgastronomie. Der familiengeführte Gasthof stirbt und das könne man nicht hinnehmen, findet Sachsens Dehoga-Chef Axel Klein. Er fordert für die Betriebe Erleichterungen.

"Wir müssen in Zukunft viel, viel stärker hinschauen, was wir alles an Regelwerk geschaffen haben", sagt Klein. "Hygieneregeln sind ja wichtig, aber so ein kleines Beispiel: An einem Kühlschrank, der heute eine Erfassung der Temperatur hat, für die Aufzeichnung extra nochmal einen Zettel anzubringen, wo wir jede Stunde markieren, wie viel Grad da drin sind, da stellt sich die Frage, ob dieser Aufwand in den kleineren Betrieben überhaupt notwendig ist." Viele solcher Regeln müssten seiner Ansicht nach auf den Prüfstand.

Außerdem kommt Axel Klein auf die Mehrwertsteuer zu sprechen. Bliebe sie bei vergünstigten sieben Prozent, helfe das vor allem kleinen Gastronomen. Aufhalten ließen sich die Veränderungen in der Gastronomie dadurch aber vermutlich trotzdem nicht.

Trend wird sich fortsetzen

Das sieht auch Michael Lidl so, der mit seiner Firma Treugast große und kleine Wirte berät. Seiner Einschätzung nach werden Restaurantketten weiterhin wachsen, wodurch die kleinen Betriebe Marktanteile verlieren.

"Es ist nun einmal so, dass die jüngere Generation mit einer gewissen kaufmännischen Sorgfalt es kaum noch wagt, eine klassische, traditionelle Gastronomie mit einer Vor-Ort-Produktion, wo frisch gekocht wird, aufzumachen, weil es sich de facto kaum noch rechnet", so Lidl.

Eine Restaurantkette hingegen kann sich rechnen. Die Gustoso-Gruppe mit ihren neapolitanischen Pizzerien gehört zum Finanzinvestor Auctus Capital Partners, der auch in Maschinenbau und Pharmafirmen investiert.

Der Investor erwartet Wachstum, wenn auch nicht um jeden Preis. Es soll effizient zugehen. Trotzdem muss jede Filiale wirken wie eine Pizzeria in Neapel.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 09. November 2023 | 06:50 Uhr

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