Kritik der Deutschen Umwelthilfe Handel umgeht Plastiktütenverbot mit dickerem Material
Hauptinhalt
30. Januar 2023, 08:52 Uhr
Im Supermarkt bekommt man eigentlich keine Plastiktüten mehr – es sei denn, die sind dicker als 50 Mikrometer. Sind die Tüten aus dickerem Material, sind sie noch erlaubt.
- Das Plastiktütenverbot gilt nicht für sehr dünne oder sehr dicke Tüten. Das nutzt der Handel für sich.
- Der Einzelhandel geht davon aus, dass dickere Plastiktüten ökologisch sinnvoller sind als andere Tüten im Angebot.
- Um die dicken Plastiktüten weniger attraktiv zu machen, könnten sie teuer werden.
Eigentlich ist es ganz einfach: Das Verbot gilt für Plastiktüten mit einer bestimmten Dicke, erklärt Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe: "Und ganz dünne Beutelchen oder eben ganz dicke sind nicht verboten. Das sind zum Beispiel diese kleinen Hemdchen-Obstbeutel, die man kennt, davon gehen noch mehr als 3,5 Milliarden pro Jahr über die Ladentheke. Oder das wird eben als Schlupfloch genutzt, dass man jetzt Tüten anbietet die ein bisschen dicker sind, als das, was jetzt verboten ist."
Die Tüte wird also einfach ein My dicker produziert – für Kundinnen und Kunden im Regelfall kaum merklich. Damit hat der findige Handel das Verbot wirkungsvoll umschifft. Die Plastiktüten liegen wieder wie gewohnt unter dem Kassenband und können beim Anstehen bequem zum Einkauf gepackt werden.
Einzelhandel: Plastiktüten werden gerne mehrfach verwendet
Aus Sicht des Handelsverbandes auch kein Problem. Auf Anfrage heißt es, der Einzelhandel habe den Verkauf von Plastiktüten schon lange freiwillig reduziert: "Ein gänzliches Verbot von Plastiktüten zugunsten anderer Materialen ist aus unserer Sicht aufgrund mangelnder nachhaltiger Alternativen derzeit nicht angebracht."
Es sei aus ökologischen Erwägungen sinnvoller, den gesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechende Mehrwegtüten anzubieten, als ausschließlich Papiertüten, deren ökologischer Fußabdruck wesentlich ungünstiger sei. Das Verhalten der Kunden und Kundinnen zeige zudem, dass die stabilen Plastiktüten gefragt seien und wiederverwendet werden würden. Dadurch würde nicht zuletzt den Nachhaltigkeitsforderungen Rechnung getragen, meint der Handelsverband.
Verbot dickerer Plastiktüten nicht möglich
Auch beim Umweltbundesamt befasst man sich mit Plastiktüten. Am besten keine Benutzen, sagt Gerhard Kotschik. Mit Blick auf das Verbot trifft er folgende Einschätzung: "Der Gesetzgeber hat Plastiktüten kleiner als 50 Mikrometer verboten. Mehr kann er eigentlich auch nicht machen, die europäische Verpackungsrichtline schreibt nämlich vor, dass Verpackungen, die in den restlichen Mitgliedsstaaten erlaubt sind, nicht in einem Mitgliedsstaat verboten werden dürfen."
Für Plastiktüten gäbe es eine Ausnahme in der Verpackungsrichtline. Gerhard Kotschik weißt auf Artikel 4 hin: "der sagt, dass man da zu einer Reduktion kommen soll und auch Verbote erlaubt sind. Eigentlich ist das Maß, das möglich ist, mit dem Verpackungsgesetz ausgeschöpft."
Plastiktüten an der Kasse sollten deutlich teurer sein
Am Gesetz zum Verbot mitgearbeitet hat Michael Thews, SPD-Abgeordneter im Bundestag. Im Umweltausschuss ist er Berichterstatter für Kreislaufwirtschaft und Ressourchenschutz. Plastiktüten sind genau Thews' Thema. Dass der Handel ein Schlupfloch nutzt, stößt Thews sauer auf. "Das halte ich allerdings für sehr ärgerlich. Weil das ja genau der Punkt war, wo wir mit dem Gesetz die Plastiktüten abschaffen wollten und der Handel gesagt hat, diese besonders dicken Wandstärken sind in erster Linie für den Großhandel und besonders große Mengen und so weiter."
Wir stellen also fest, der Handel hat ein Schlupfloch gefunden. Die machen einfach noch ein bisschen dickere Tüten, was noch schlechter für die Umwelt ist, als vorher.
Und wenn das jetzt über die Hintertür wieder eingeführt würde, dann fände er das sehr ärgerlich, sagt Michael Thews ganz ehrlich. Weil das Gesetz aus Sicht der Deutschen Umwelthilfe nicht die gewünschte Wirkung hat, setzt man dort jetzt auf eine andere Karte: Preise pro Tüte hoch. Bundesgeschäftsführerin Metz: "Und jetzt geht es eben darum nachzuschärfen. Wir stellen also fest, der Handel hat ein Schlupfloch gefunden. Die machen einfach noch ein bisschen dickere Tüten, was noch schlechter für die Umwelt ist, als vorher. Und da jetzt mit einer Bepreisung ranzugehen, um dieses Vorgehen auszuhebeln."
50 Cent pro Tüte meint Metz – das wäre ein guter Preis und würde zu weniger Plastiktüten im Handel und in der Umwelt führen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 24. Januar 2023 | 06:00 Uhr