Ein Stapel neuer Rohre für Fernwärme an einer Baustelle
Neue Baustelle: Fernwärme-Rohre warten auf ihren Einsatz. Bildrechte: IMAGO / Robert Poorten

Heizungsgesetz 2.0 Kommunale Wärmeplanung birgt Risiken für Verbraucher

23. Oktober 2023, 19:30 Uhr

Eigentlich soll die kommunale Wärmeplanung den klimafreundlichen Heizungsumbau in Deutschland voranbringen, vor allem auch durch den Ausbau der Fernwärme. Da aber heißt es abwarten, denn die Zukunft der Wärmenetze ist von Ort zu Ort noch sehr unterschiedlich absehbar – mit diversen Risiken für Wärmenetz-Anbieter und ihre Kunden.

MDR AKTUELL Mitarbeiter Kristian Schulze
Bildrechte: MDR/punctum.Fotografie/Alexander Schmidt

Am 1. Januar 2024 tritt auch das Wärmeplanungsgesetz in Kraft, als Ergänzung und gleichzeitig mit dem Gebäude-Energie-Gesetz, besser bekannt als "Heizungsgesetz". Beide sollen den klimafreundlichen Heizungsumbau in Deutschland ab dem neuen Jahr voranbringen.

Den Kommunen bringt das Wärmeplanungsgesetz einiges an Arbeit und Kosten, sind es doch ihre eigenen Unternehmen, die die Erzeugung von Wärme umstellen müssen. Zudem sollen sie planen, wann, ob, wie und wo genau sich Verbraucher auch an Wärmenetze anschließen könnten.

Das erklärte Ziel der Bundesregierung ist es, den CO-2-Ausstoß des Gebäudesektors in Deutschland zu senken. Und als "Erfüllungsoption" sieht das Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz von Robert Habeck (Grüne) dabei ganz besonders Wärmenetze – als "Anschluss an die Zukunft".

Dabei geht es allerdings nicht immer nur um Fernwärme. Auch kleinere sogenannte Nahwärme-Netze kann es hier geben, die dann zum Beispiel auch überschüssig entstehende Abwärme von Industrieanlagen nutzen.

Deutschlandweit lag der Anteil der Fernwärme an der Beheizung von Gebäuden zuletzt bei etwa 14 Prozent – mit Schwerpunkten in den dichter besiedelten städtischen Gebieten und in Ostdeutschland – etwa auch in Sachsen oder im Süden von Sachsen-Anhalt. In den vergangenen 20 Jahren hat sich ihr Anteil allerdings kaum erhöht: 2003 lag er bei 12,4 Prozent.

Jetzt jedoch soll Bewegung in den Fernwärme-Markt kommen oder vielmehr in ihre "Märkte", denn die sind lokal, kommunal, bestenfalls regional zu finden und haben fast überall auch nur einen Anbieter als Monopolisten.

Einige Kommunen in Deutschland sind da schon weiter, vor allem in Baden-Württemberg, wo das Klimaschutzgesetz der Landesregierung aus Grünen und CDU kommunale Wärmepläne bis Ende dieses Jahres vorschreibt.

Mit dem neuen, bundesweiten Wärmeplanungsgesetz sollen nun alle Kommunen auf diesen Weg gebracht werden. Dafür wird ein klares Prozedere vorgeschrieben; und auch Fördermittel sind dafür vorgesehen.

Für viele private Verbraucher ergibt sich daraus nun aber, dass sie ihre Entscheidung über eine neue Heizung noch vertagen sollten. Zwar muss laut Heizungsgesetz ab 2024 jede neue Anlage zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien laufen. Für Bestands- und Neubauten außerhalb neuer Baugebiete gibt es jedoch Übergangsfristen, bis die Wärmeplanung von der Kommune vorliegen muss – in den größeren Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern bis zum 30. Juni 2026 und in den kleineren bis Ende Juni 2028.

Haben Kommunen schon Wärmenetze und einen offiziellen Plan, können frühere Fristen greifen. Andernfalls kann aufmerksam abgewartet werden, bis ein Wärmeplan offiziell ist, auch wenn schon klar ist, dass es etwa Fernwärme nicht geben wird. Ist ein möglicher Anschluss verbindlich zugesagt, aber noch nicht realisiert, kann nach dem Ausfall einer Heizungsanlage weiter auch eine herkömmliche genutzt werden, ohne die 65-Prozent-Regel zu erfüllen. Dann jedoch muss sich der Eigentümer verpflichten, innerhalb von zehn Jahren und spätestens bis Ende 2034 an ein Wärmenetz angeschlossen zu sein.

Entscheidende Rolle der Kommunen

Zuerst sollen aber jetzt die Kommunen und bis auf wenige Ausnahmen kommunale Versorger klären, welche Fern- und andere Wärmenetze sie bis wann ausbauen können, um verbindliche Zusagen zu machen. Dabei können je nach Vorhaben immense Kosten anfallen – und damit auch ein Bedarf an Fördergeld, den das neue Wärmeplanungsgesetz noch gar nicht abbildet.

So kann etwa ein Meter Anschluss von einer Fernwärme-Leitung zum Haus um die 500 Euro kosten. Und schon das Umlegen einer Fernwärme-Leitung führte beispielsweise in Jena zu wochenlangen Bauarbeiten.

Die wichtigste Frage und längerfristig ein Risiko für Anbieter und Abnehmer: Keiner weiß heute genau, was ein solches Wärmenetz später kostet und welchen Teil der Investitions- und Betriebskosten die Kunden tragen müssen. Diese kommen – einmal angeschlossen – oft nur schwer wieder heraus und müssen dann zahlen, was verlangt wird. Üblich sind hier lange laufende Verträge, und bei einem Ausstieg bräuchte es eine alternative Heizung.

Dazu kommt ein weiteres Risiko für Verbraucher: Dass Kommunen ihre Wärme-Versorger gegen deren ökonomisches Risiko absichern und möglichen Kunden einen Anschluss- und Benutzungszwang vorschreiben. Das ermöglicht das Wärmeplanungsgesetz vor – durch "Fernwärmesatzungen aufgrund von kommunalrechtlichen Regelungen" und nach § 109 des Heizungsgesetzes, als "geeignetes Mittel zur Förderung des Klima- und Ressourcenschutzes".

Kritik an Anschluss- und Benutzungszwang

Auf Nachfrage von MDR AKTUELL lehnen das der "Haus-&-Grund"-Verband und der "Zentralverband Sanitär Heizung Klima" ab. ZVSHK-Sprecher Frank Ebisch kritisierte Anschluss- und Benutzungszwänge als planwirtschaftlich. Bei Fernwärme-Anbietern fehle es an Wettbewerb und Verbraucherschutz. Ihre Wärme-Erzeugung, Netzbetrieb, Vertrieb und Verkauf lägen zumeist in einer Hand; und die – anders als bei Gas und Strom – hier vollkommen fehlende Liberalisierung führe zu intransparenter Preisbildung.

Laut Ebisch könnte es auch passieren, dass, wer jetzt eine Wärmepumpe einbaue, später in einen Anschluss- und Benutzungszwang für Fernwärme gerate, vor allem wenn über kommunale Pläne länger Unsicherheit bestehe. Ebisch forderte, allein auf freiwillige Anschlüsse zu setzen, die ja auch mit staatlicher Förderung preislich konkurrenzfähig werden könnten.

Alexander Wiech von "Haus & Grund" denkt zwar nicht, dass eine neue Wärmepumpe aufgegeben werden müsste. Da gebe es "hohe juristische Hürden". Gegen Anschlusszwang ist aber auch Wiech: "Wir sind der Meinung, ein Fernwärmenetz muss durch Leistung und Preis überzeugen und darf nicht auf Zwang basieren. Deshalb gehört das aus diesem Gesetz gestrichen".

Die Versuchung ist sicherlich groß

Dabei ist unbestritten, dass hier wirtschaftliche Risiken für Versorger und kommunale Eigentümer groß sind. Vor welchen Herausforderungen auch kleinere ostdeutsche Städte stehen, zeigt etwa Hohenmölsen in Sachsen-Anhalt, wo die bisherige Fernwärme aus Kohle ersetzt werden muss.

Fernwärme Hohenmölsen 13 min
Bildrechte: MDR / Isabel Gruhle

Geht dabei etwas schief, kann das auch das Ende einer lokalen Fernwärme-Versorgung bringen. Und im Fall kleinerer Ortschaften in Thüringen hätte ein Rechtsanspruch auf Fernwärme den Leuten vielleicht geholfen, der ja meist einhergeht mit einem satzungsmäßigen Anschluss- und Benutzungszwang.

Interessant könnte auch ein Blick auf größere Städte wie Leipzig werden, denen nach eigener Auskunft durch ihren Energiebedarf eine Vorreiterrolle zukommen könnte. Bisher hat Leipzig eine gut 30 Jahre alte Satzung mit Fernwärme-Nutzungszwang für ein Stück der Prager Straße. Ob diese nun ausgeweitet wird, ist offen. Immerhin soll ein wesentlicher Teil des Leipziger Wärmeplans neben dezentralen Wärmepumpen auch die Entwicklung des Fernwärmenetzes sein. Ende des Jahres könnte es mehr Klarheit geben.

Vielleicht führt da der Blick auch ins benachbarte Halle, wo die Hälfte der Stadt mit etwa 80.000 Wohnungen mit Fernwärme versorgt wird und ganze Stadtviertel laut Fernwärme-Satzung unter Benutzungszwang stehen.

Schon den Aufwand für Wärmenetzbetreiber wegen des Umstiegs auf erneuerbare Energie schätzt die Bundesregierung auf pro Jahr 415 Millionen Euro bis 2030. Ab 2031 sollen es jährlich sogar 770 Millionen Euro sein. Von kommunalen Netzausbau-Kosten ist da aber noch gar nicht die Rede.

Künftige Fernwärme-Preise vermutlich höher

Im Gesetzentwurf rechnet die Bundesregierung trotzdem nicht mit zu hohen Verbraucherpreisen. Es sei zwar anzunehmen, dass Wärmenetzbetreiber ihre nicht geförderten Kosten umlegen. Dem stehe aber die Annahme steigender CO-2-Preise gegenüber, und darum sei nicht zu erwarten, dass höhere Preise der Wärmenetzbetreiber höhere Kosten von fossilen Heizungen übersteigen. Oder etwas einfacher ausgedrückt: Teurer wird Heizen so oder so.

Dass dabei von der Möglichkeit von Zwangsanschlüssen kein Gebrauch gemacht würde, hatte der ZVSK schon in seiner ersten Stellungnahme zu dem Gesetz bezweifelt. So habe man in Baden-Württemberg festgestellt, wo das Klimaschutzgesetz schon Wärmepläne vorschreibt, "dass verschiedene Kommunen bzw. die verbundenen Stadtwerke das Instrument des Anschluss- und Benutzungszwangs aus rein wirtschaftlichem Interesse" anwenden.

Preiskontrolle noch eher mangelhaft

Helfen könnten ein sorgsamer Umgang der Kommunen damit und eine Preiskontrolle. Doch die Verbraucherzentrale kritisiert schon länger einen kaum kontrollierbaren "Flickenteppich von Mini-Monopolen" und forderte zusammen mit dem Deutschen Mieterbund jetzt mehr Schutz davor.

Auch das Umweltbundesamt will "Mehr Akzeptanz für den Fernwärme-Ausbau durch Preistransparenz", mit Vorschlägen zur Preiskontrolle, da Kartellämter der Länder diese "nicht immer vollumfänglich wahrnehmen".

Probleme sah 2012 auch schon das Bundeskartellamt; und 2021 empfahl ein Bericht der Verbraucherschutzminister, die Rechtsgrundlage für Anschluss- und Benutzungszwang zu streichen oder Lockerungen zu ermöglichen.

Wird Förderung den Preisdruck lindern können?

Laut dem Gesetzentwurf zur Wärmeplanung könnten dem Bundeshaushalt "durch Förderung von Heizungsanlagen und Anschlüssen an ein Wärmenetz Haushaltsausgaben entstehen". Das hänge "jedoch maßgeblich davon ab, wie das Förderregime künftig ausgestaltet wird". Das ist also vorläufig unklar.

Und vermutlich wird es schwer werden, über die gesamte Wärmewende genug Fördermittel zusammenzubringen. So soll Wirtschaftsminister Habeck kürzlich angedeutet haben, dass offen sei, wo sie herkommen sollten.

Privatleute, die über eine neue Heizung zu entscheiden haben, sollten allerdings ab sofort in ihren Kommunen und bei ihrem Wärmenetz-Betreiber nachfragen, deren weitere Wärmeplanung beobachten, sich beteiligen und sich beraten lassen – von den Verbraucherzentralen, Energieagenturen, von ortskundigen Energieberatern und Handwerkern.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 16. Oktober 2023 | 08:00 Uhr

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