Flexible Arbeitszeiten Faktencheck: Schadet Arbeiten über acht Stunden der Gesundheit?
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27. März 2025, 12:19 Uhr
In Deutschland wird gerade intensiv über flexiblere Arbeitszeiten diskutiert. Union und SPD wollen die maximale tägliche Arbeitszeit auf 12 Stunden erhöhen. Während die Arbeitgeberseite die Idee begrüßt, gibt es viel Gegenwind von Gewerkschaften. Sie warnen vor Gesundheitsrisiken. Doch was sagt die Wissenschaft zum Thema? Ein Faktencheck.
- Studien zufolge schaden lange Arbeitszeiten der Gesundheit und erhöhen das Risiko für Krankheiten und Arbeitsunfälle.
- Laut Resilienzforscher Lieb reagiert jedoch nicht jeder gleich auf lange Arbeitszeiten.
- Trotzdem ist die Studienlage eindeutig: Mehr als acht Stunden Arbeit pro Tag bergen gesundheitliche Risiken.
Lange Arbeitszeiten wirken sich negativ auf die Gesundheit aus – das sagt auch Nils Backhaus von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz. In einer öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales sprach er von umfangreichen Studien, die das belegen.
Längeres Arbeiten erhöht Risiko für Krankheiten und Arbeitsunfälle
Arbeitszeiten von mehr als acht Stunden am Tag könnten demnach viele verschiedene Beschwerden auslösen. "Das sind kurzfristig so etwas wie Kopfschmerzen oder ein mangelndes Wohlbefinden." Langfristig können sich aber auch chronische Krankheiten entwickeln: "Das heißt, zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen, stressbedingte Erkrankungen des Muskelskelett-Systems, aber auch Diabetes als Beispiel für Stoffwechselerkrankungen."
Auch das Risiko für Arbeitsunfälle steigt mit zunehmender Arbeitszeit, erklärt Backhaus. Das bestätigt Dirk Windemuth, Leiter des Instituts für Arbeit und Gesundheit bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. "Dazu gibt es eine ganze Reihe von Studien, die einheitlich sagen, wer länger als acht oder sogar neun Stunden täglich arbeitet, hat ein höheres Risiko bei der Arbeit oder der anschließenden Fahrt nach Hause."
Windemuth zufolge nimmt das Risiko exponentiell mit der Dauer der Arbeitszeit zu. Wer zwölf Stunden arbeitet, hat demnach ein doppelt so hohes Risiko, einen Arbeitsunfall zu begehen, wie jemand, der acht Stunden arbeitet. Das sei breiter wissenschaftlicher Konsens, erklärt er.
Resilienzforscher: Arbeitszeit wirkt nicht auf alle gleich
Es gibt aber auch andere Meinungen. Eine davon vertritt der wissenschaftliche Leiter des Leibniz-Instituts für Resilienzforschung, Klaus Lieb. Er bezeichnet pauschale Aussagen zur Auswirkung der Arbeitszeit auf die Gesundheit als problematisch. "Wir kennen ja Leute, die sind schon bei vier Stunden pro Tag sehr belastet. Denken wir zum Beispiel an Menschen mit psychischen Erkrankungen. Andere wie ich können täglich zwölf Stunden arbeiten und sind trotzdem stabil. Da ist es wichtig, sehr individuell zu schauen."
Studienlage dennoch eindeutig
Das macht zum Beispiel der Arbeitspsychologe Friedhelm Nachreiner, der seit 50 Jahren in dem Gebiet forscht. Er betont, dass auch Faktoren wie zum Beispiel die Arbeitsbelastung eine Rolle spielen, wenn es um mögliche gesundheitliche Folgen geht. Die Studienlage hält er dennoch für eindeutig. "Im Schnitt können sie davon ausgehen, dass Arbeitszeiten über acht Stunden sowohl ein Gesundheitsrisiko, ein Sicherheitsrisiko für Arbeitsunfälle und durch die Einschränkung der frei verfügbaren Zeiten ein soziales Risiko darstellen."
Nachreiner zufolge ist die Erholung der entscheidende Faktor. Wenn die Arbeitszeit steigt, steht weniger Zeit zur Verfügung, um wieder Kraft zu tanken. Wer ohne ausreichende Erholung in den nächsten Arbeitstag startet, ist demnach früher erschöpft. Das kann nicht gut gehen, sagt Nachreiner.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 27. März 2025 | 06:12 Uhr