Zwei große Kraftwerkstürme bei Sonnenuntergang, viele Schleierwolken, viel wolkiger Ausstoß aus Türmen, tief-rote Stimmung, untergehende Sonne direkt sichtbar. Weitere kleine Schornsteine und kastenförmiger Kraftwerksbau.
In Brüssel ist monatelang verhandelt worden, um eine Einigung zur Verbesserung des europäischen Emissionshandels zu erzielen. Bildrechte: imago/Sven Simon

EU-Emissionshandel Klimaschutz: Warum der Handel mit CO2-Zertifikaten verbessert werden muss

22. Januar 2023, 05:00 Uhr

In der EU ist der Handel mit Emissions-Zertifikaten das zentrale Instrument für den Klimaschutz. Doch bislang lief vieles falsch. Nun soll sich einiges ändern, der Beschluss bald fallen. Fest steht: Die Neuerungen werden alle Menschen zu spüren bekommen. Die Frage ist: Wie sehr hilft das dem Erreichen der Klimaschutzziele?

Klimakrise, Geld und Emissionen – das alles hängt recht eng zusammen. Bis 2030 will die Europäische Union den CO2-Ausstoß im Vergleich zu 1990 um mindestens 55 Prozent senken. Das Programm dazu heißt "Fit für 55" – doch bislang sind davon in 30 Jahren nur gut 30 Prozent geschafft worden. Um das Ziel in der verbliebenen Zeit noch erreichen zu können, ist der europäische Emissionshandel (ETS) einer der entscheidenden Hebel. Doch bislang hat dieser eher geklemmt.

Wie lief der Emissionshandel bisher

Am europäischen Emissionshandel sind sämtliche EU-Staaten sowie Norwegen, Island und Liechtenstein beteiligt. Die Funktionsweise: Um die Treibhausemissionen zu reduzieren, hat die EU im Jahr 2005 den Handel für energieintensive Unternehmen eingeführt und dazu eine Anzahl von Zertifikaten festgelegt. Jedes davon steht für eine Tonne CO2, die ausgestoßen werden darf. Anfangs sind sehr viele Zertifikate kostenlos ausgegeben worden. Für jede tatsächlich ausgestoßene Tonne CO2 müssen die Firmen ein Zertifikat abgeben. Wenn sie das nicht können, müssen sie welche dazu kaufen – zum Beispiel von anderen Unternehmen, die es bereits geschafft hatten, ihren Ausstoß zu reduzieren.

Nach und nach sollte die Zahl der Zertifikate reduziert werden, so dass der Preis weiter steigt und die einzelnen Zertifikate so wertvoller werden. Der Anreiz für die Firmen grüner zu produzieren, sollte so stetig gesteigert werden. Doch: "Man hat im Wesentlichen viel zu zaghaft agiert", sagt Professor Frank Best von der Hochschule Konstanz für Technik, Wirtschaft und Gestaltung. "Es wurden viel zu viele Zertifikate in Summe ausgegeben, und dazu wurden dann auch noch zu viele Zertifikate kostenlos an die Unternehmen ausgegeben." Mit der kostenlosen Zuteilung sollten Nachteile für Firmen in der EU im weltweiten Wettbewerb abgemildert werden. Frank Best moniert außerdem, dass der Preis über einen langen Zeitraum gefallen sei – sogar auf fünf Euro pro Tonne.

Erhöhte Gewinne, statt Umstellung auf grünere Produktion

Der BWL-Experte sagt, dass er die Vorsicht der Politik verstehe, schließlich gehe es um die gesamte europäische Wirtschaft mit 100 Millionen Arbeitsplätzen. "Da gehe man nicht mit 150 Euro Untergrenze in den Markt rein. Auf der anderen Seite haben wir eben über Jahre gesehen, dass der Emissionshandel de facto wirkungslos war."

Doch nicht nur das: Ein niederländischer Datenjournalist hatte sich 2017 die 100 größten Verschmutzer in der EU angesehen. Das erstaunliche Ergebnis von Luuk Sengers Berechnung: 40 Unternehmen erhielten mehr Zertifikate geschenkt, als sie benötigten. Rund 820 Millionen zu viel. Geht man vom damaligen CO2-Preis aus, entspricht das einem Gewinn von 41 Milliarden Euro.

Wir haben eben über Jahre gesehen, dass der Emissionshandel de facto wirkungslos war.

Professor Frank Best

Und die Industrie hatte weitere Vorteile: "Es haben sich Großunternehmen mit billigen Zertifikaten eingedeckt, und einer der Gründe, dass sie das überhaupt machen können, liegt darin, dass diese Zertifikate per se erstmal kein Verfallsdatum haben", sagt Professor Frank Best. Das heißt, die Firmen hatten für viele Millionen Euro eingekauft und gebunkert: 2017 lag von allen handelbaren europäischen Emissionsrechten die Hälfte bei gerade einmal 40 europäischen Großkonzernen.

Was ist mit den Milliarden-Einnahmen geschehen?

"Als erstes Mal hätte man die Menge deutlich reduzieren müssen, um solche Spekulationen zu vermeiden", sagt Frank Best. "Die sind aus Unternehmenssicht in Ordnung, möchte ich mal sagen, aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht. Aber das Unternehmen hat halt den Anreiz bekommen, sich günstig einzudecken." Für die Erreichung der Pariser Klimaziele seien es zu viele und es müssten schneller weniger werden.

Mit den Einnahmen aus dem Emissionshandel sollen zudem klimafreundliche Technologien gefördert werden. Die Umweltorganisation WWF hat sich die Förderung genauer angeschaut: "Da sind wir zum Ergebnis gekommen, dass insgesamt 136 Milliarden Euro im Zeitraum von 2013 bis 2021 nicht in Klimaschutzprojekte geflossen sind", sagt Lisa-Maria Okken von WWF Deutschland. Mit dem Geld wurden zum Beispiel fossile Energieträger gefördert, wie der Ausbau von Gasinfrastruktur.

Was will die EU nun ändern?

In Brüssel ist nun monatelang verhandelt worden, um eine Einigung zur Verbesserung des europäischen Emissionshandels zu erzielen. Ende Dezember ist dies auch gelungen: Nun soll die Zahl der Verschmutzungsrechte, die den Unternehmen zustehen, schneller reduziert werden. Kostenlose Zertifikate für Firmen sollen schrittweise bis 2034 auslaufen.

Dafür will Brüssel noch eine Art Klimaschutz-Zoll einführen – das sogenannte europäische CO2-Grenzausgleichssystem. So soll verhindert werden, dass Waren aus Nicht-EU-Ländern in Europa günstiger verkauft werden können als die aus EU-Produktion. "Politisch ist es eine ganz andere, Hausnummer", sagt Doktor Michael Pahle vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. "Was wir machen ist: Wir benachteiligen Staaten also insbesondere ärmere Staaten oder Staaten, die sich noch entwickeln, die gerade davon profitieren, dass sie auch günstiger Produkte eben in die EU exportieren können. Denen zwingen wir natürlich unsere Klimapolitik auf." Das sei nicht nett, aber gerechtfertigt. Das ist für die Staaten natürlich ein Nachteil, weil sie bis jetzt günstiger produzieren können – in gewisser Weise auch eine Zumutung. Es ist aber natürlich langfristig auch notwendig, dass auch diese Staaten Klimapolitik umsetzen."

Auch Heizen und Verkehr betroffen

Ein dritter wichtiger Punkt: Ab 2027 soll ein zweiter Emissionshandel für das Heizen von Gebäuden und den Straßenverkehr eingeführt werden. Die EU zieht damit nach: In Deutschland gibt es das bereits seit 2021. Jeder Bundesbürger zahlt etwa bereits Aufschläge für Benzin und Heizen mit fossilen Brennstoffen. Die Pakete müssen noch durch das Europaparlament und die Mitgliedstaaten müssen ebenfalls zustimmen.

Dennoch: Die künftig steigenden Preise treffen vor allem einkommensschwache Menschen, obwohl sie verhältnismäßig viel klimafreundlicher leben. "Dafür gibt es [künftig] ein zusätzliches Instrument und die politische und soziale Bedeutung von diesem Mechanismus kann man gar nicht genug unterstreichen. Es ist der sogenannte Klima-Sozialfonds", sagt Doktor Michael Pahle. "Und dieses Geld soll verwendet werden für Investitionen wie grüne Technologien, aber auch insbesondere zur Unterstützung und zur Kompensation von ärmeren und vulnerablen Haushalten."

Der Sozial-Topf ist mit 86,7 Milliarden Euro gedeckelt und schon jetzt gibt es Kritik, dass das nicht ausreichen könnte. Fakt ist, viele Menschen werden die Verknappung von Zertifikaten auch in der Geldbörse spüren, auch wenn der Sozialfonds die Ärmsten schützen soll. Die Frage ist: Welche Effekte wird das auf das Klima haben?

MDR/ mpö

Dieses Thema im Programm: Das Erste | FAKT | 17. Januar 2023 | 22:55 Uhr

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