ifo-Umfrage Energiekrise: Kleinunternehmer blicken pessimistisch in die Zukunft
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20. Juni 2023, 05:00 Uhr
Jeden Monat veröffentlicht das ifo-Institut ein Stimmungsbild aus der Wirtschaft. Wie schätzen Unternehmer ihre Lage ein? Was erwarten sie für die Zukunft? Die letzten Umfragen klangen verhalten optimistisch. Die Stimmung der Wirtschaft insgesamt hellte sich auf. Es gibt allerdings eine Ausnahme: Bei den Klein- und Soloselbständigen ist die Stimmung nach wie vor im Keller. Schlimmer noch: Sie sackt weiter ab. Woran liegt das?
- Die Energiekrise hat viele Kleinunternehmer hart getroffen.
- Die Politik habe sich nicht genug um die Selbstständigen gekümmert, kritisiert der sächsische Unternehmerverband in einem offenen Brief.
- Dabei ist es gerade für Kleinunternehmen besonders schwer, Krisen zu überbrücken.
Es ist noch früh am Morgen. Beate Hertes öffnet den Personaleingang ihres Kosmetiksalons im Leipziger Süden. Kunden sind noch keine da. Dafür hat sie Zeit zum Reden. Hertes hat in den vergangenen Jahren alle Höhen und Tiefen des Unternehmer-Seins mitgemacht. Während Corona war ihr Salon zwangsweise geschlossen. Danach ging es wieder aufwärts.
Energiekrise hat Kleinunternehmer hart getroffen
Doch das Hochgefühl ist schon wieder verschwunden: "Seit Oktober, seit diese Energiekrise kam, war es für uns sehr schwer. Die Inflation hat uns sehr zu schaffen gemacht. Wir haben wirklich enorme Umsatzrückgänge gehabt. Ich habe mindestens vier Monate keinen Unternehmerlohn bekommen, im Gegenteil: Ich habe aus meinen privaten Altersrücklagen Geld in den Betrieb legen müssen, damit es hier weitergeht."
Vielen Kleinunternehmern geht es ähnlich. Eine Mehrheit beurteilt die aktuelle Lage negativ. Das geht aus Stimmungsbildern des ifo-Instituts hervor. Interessant ist, dass die Kleinunternehmer deutlich pessimistischer in die Zukunft blicken als die Gesamtwirtschaft, die noch immer verhalten zuversichtlich ist.
Den Präsidenten des Unternehmerverbands Sachsen, Dietrich Enk, überrascht der Unterschied nicht. Er beschreibt die Lage der Kleinunternehmer so: "Extrem verängstigt
– ich gebrauche das Wort ganz bewusst so – und unsicher. Die Unsicherheit rührt aus unkalkulierbaren politischen Entscheidungen und Richtungsänderungen, die zu den allgemeinen Problemen der Demografie und dem Thema Fachkräfte und Energie noch obendrauf kommen."
Offener Brief an sächsische Politikerinnen und Politiker
Der Unternehmerverband hat einen offenen Brief an sächsische Politiker geschrieben. Es sind Zeilen voller Frustration. Sie zeigen, dass sich viele Selbständige unverstanden fühlen. Von fehlender politischer Rückendeckung ist die Rede, von mangelnder Wertschätzung. Sachsen gönne sich einen Beauftragten für Großansiedlungen. Einen Mittelstandsbeauftragten vermisse man hingegen sehr. "Wir haben hier ein strukturelles Defizit im Zusammenspiel zwischen Bürokratie, Verwaltung und Unternehmerinnen und Unternehmern und Leuten, die etwas auf die Beine stellen wollen. Die werden ganz vorne abgeholt bei der Entmutigung."
Ein Großteil des sächsischen Wohlstands werde von kleinen und mittleren Unternehmen geschaffen, argumentiert Enk. Doch in der wirtschaftspolitischen Debatte gehe es vorwiegend um Milliarden für Chip-Konzerne. Nach konkreten Lösungen gefragt, bleibt der Verbandspräsident allerdings vage.
ifo-Experte: Kleinunternehmen bekommen Krisen besonders zu spüren
Aus Sicht von Stefan Sauer vom ifo-Institut hat es auch strukturelle Gründe, dass der Frust bei den Kleinselbständigen so tief sitzt. "Die großen Unternehmen haben oftmals noch ganz andere Möglichkeiten, mit Problemen umzugehen als kleinere Unternehmen, um auch mal schlechtere Phasen zu überbrücken. Das hat man unter anderem während der Coronakrise gesehen, als kleinere Unternehmen deutlich stärker beeinträchtigt waren. Zum Beispiel auch beim Fachkräftemangel, den die komplette Wirtschaft zurzeit spürt, haben die großen Unternehmen ganz andere Möglichkeiten, um gutes Personal zu werben."
Beate Hertes hat trotz schwieriger Lage wieder eine Auszubildende. Und die Kosmetikerin aus Leipzig hat gefeiert. Krise hin, Krise her. Ihr Salon hatte Geburtstag. Und mit einer kleinen Party lassen sich vielleicht auch wieder Kunden gewinnen. Es muss ja weitergehen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 20. Juni 2023 | 06:00 Uhr
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