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Fußball-EM 2024 Die UEFA kassiert – Deutschland bezahlt

23. Juni 2024, 14:44 Uhr

Der Veranstalter UEFA rechnet durch die Fußball-EM 2024 mit einem Gewinn von mehr als einer Milliarde Euro. Doch was bezahlen Austragungsstädte dafür und wie profitieren sie davon? Wir blicken dafür nach Leipzig.

Deutschland ist wegen der Europameisterschaft 2024 im Fußballfieber: Die Welt endlich wieder zu Gast bei Freunden, so wie 2006, dem legendären Sommermärchen. Fußball-EM, das ist für uns Public-Viewing, Fan-Meile und Jubeln. Aber – und das ist keine neue Erkenntnis: Es ist auch jede Menge Kommerz. Der Fußball ist längst zu einer Gelddruckmaschine geworden. Die UEFA, Veranstalter der EM, rechnet alleine für dieses Turnier mit einem Gewinn von mehr als einer Milliarde Euro.

Grund genug, die Frage zu stellen: Was kostet die Ausrichtung einer solchen Fußball-EM? Und wer zahlt das eigentlich? Und hat auch der Ausrichter, also Deutschland, etwas davon?

Blick auf den Fußball-EM-Standort Leipzig

Um so ein Fußball-Turnier auszurichten, muss der Staat viel Geld in die Hand nehmen. Fanmeilen werden errichtet. Es gibt Investitionen in die Infrastruktur, Sicherheitskonzepte müssen erarbeitet und die Polizei bezahlt werden. Dagegen steht – und das betonen Sportfunktionäre und Politiker immer wieder – die zu erwartenden Einnahmen. Leipzigs Oberbürgermeister Burkard Jung sagt zum Beispiel: "Zur Wahrheit gehört auch: Die Rendite, die wir volkswirtschaftlich erzielen, ist um ein Vielfaches höher…. Hier sind Menschen zu Gast, die Umsatz bringen."

Doch ist das so? Die Stadt Leipzig kalkuliert für die EM mit Kosten von circa 15 Millionen Euro. Diese setzen sich zum Beispiel zusammen aus der Gestaltung des Stadionvorplatzes (435.000 Euro), neuen Trinkbrunnen (130.900 Euro) und der Sanierung der Abtnaundorfer Straße (790.000 Euro). Dazu kommt die Veranstaltung von Fan-Festen, die mit rund sieben Millionen Euro zu Buche schlägt. Ein weiterer hoher Posten sind Polizei und Sicherheitsausgaben.

Mit welchen Kosten rechnen andere EM-Standorte in Deutschland?

Andere Städte schätzen die Kosten höher. Dortmund rechnet beispielsweise mit 24 Millionen Euro, Berlin mit rund 55 Millionen. Insgesamt werden die zehn Städte, welche die EM-Spiele in Deutschland ausrichten, circa 260 Millionen Euro ausgeben.

Auch die Stadien müssen vor der EM renoviert werden, um den Vorgaben der UEFA gerecht zu werden. Weitere 165 Millionen Euro kommen da schätzungsweise noch dazu. Weiterhin stellen die Sicherheitsausgaben bei den Fußballspielen einen großen finanziellen Posten dar, denn die vielen Fans erfordern auch einen massiven Einsatz der Polizei. Diese Kosten werden auch von Ländern und dem Bund übernommen: geschätzt 200 Millionen Euro. Insgesamt entstehen so Kosten von mindestens 625 Millionen Euro für die Ausrichtung der Europameisterschaft. Geld, das am Ende die Steuerzahler übernehmen.

Welche positiven Effekte erwartet die Wirtschaft?

Die Stadt Leipzig gibt auf Nachfrage an, einen Konjunkturschub in Höhe von 59,4 Millionen Euro zu erwarten. Touristen und Fans lassen ihr Geld in Restaurants, Bars, Hotels, kaufen Fanartikel. Deutschlandweit werden 650.000 europäische Gäste erwartet, die rund 250 Millionen Umsatz bringen. Die daraus folgenden regionalen Wirtschaftseffekte werden auch kurzfristig nachweisbar sein. Aber haben diese auch einen nachhaltigen Wirtschaftseinfluss, wie Sportfunktionäre, Politiker und Städte betonen? Genau dazu forscht der Makroökonom Professor Oliver Holtemöller. Er verfasst momentan eine Studie zu dem Thema und kommt zum Schluss: "Ein solches Sportgroßereignis kurbelt die Wirtschaft nicht an. Es kann ein kleines Strohfeuer in ein, zwei Wochen entfachen. Das wird dann auch wirklich die Menschen beflügeln. Man nennt das den 'Feelgood Effekt', dass die Stimmung steigt. So etwas kann sich regional branchenbezogen und kurzfristig positiv auswirken. Aber langfristige, substanzielle ökonomische Effekte gehen davon nicht aus."

Ein solches Sportgroßereignis kurbelt die Wirtschaft nicht an. Es kann ein kleines Strohfeuer in ein, zwei Wochen entfachen.

Oliver Holtemöller, Makroökonom

Auch andere Studien zum Thema kommen zu demselben Ergebnis. Nach der WM 2006 in Deutschland untersuchte das DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) die ökonomischen Effekte der WM. Die Analyse kam zu dem eindeutigen Schluss: "…Der kurzfristige wirtschaftliche Impact, den viele sich erhofft und herbeigeredet hatten, trat nicht ein; …. von der in Deutschland 2006 ausgetragenen Fußball-WM sind erwartungsgemäß keine nennenswerten konjunkturellen Impulse ausgegangen." Und auch für die EM 2024 erwartet das DIW auf Anfrage hin keinen wirtschaftlichen Aufschwung.

Von der in Deutschland 2006 ausgetragenen Fußball-WM sind erwartungsgemäß keine nennenswerten konjunkturellen Impulse ausgegangen.

DIW-Studie

Das hat auch seine Gründe. Denn jeder Bürger hat jedes Jahr ein Budget, dass er für Konsum ausgibt. Geld, was während der EM mehr ausgegeben wird, wird an anderen Stellen wieder eingespart. Natürlich zieht ein Großereignis wie die EM Touristen an. Aber andere Touristen bleiben dem Land fern, weil sie sich von den Fußballfans gestört fühlen. Die Stadt Paris beispielsweise zog während der EM 2016 weniger Touristen an, als in anderen Jahren ohne sportliches Großereignis. Bundesweit gesehen wird es auch durch die Europameisterschaft 2024 in Deutschland keinen wirtschaftlichen Überschuss geben.

Einer macht kräftig Gewinn: die UEFA

Die UEFA erwartet einen Umsatz von 2,4 Milliarden Euro mit der EM und einen Gewinn von ca. 1,1 Milliarden Euro. Beteiligt sich die UEFA an den Kosten? Das war Gegenstand des Films "Fußball.Macht.Geld", eine Produktion von ZDF und Spiegel. Spiegel-Journalist Michael Fröhlingsdorf hat mit Kollegen zu dem Thema recherchiert. Er beschreibt, dass die UEFA beispielsweise die Spielstädte dazu verpflichtet, die kostenintensiven Fan-Feste und Fan-Meilen während der EM zu organisieren. An den Kosten dafür beteiligt sie sich nicht. Einen ganzen Katalog an Forderungen an die Spielstädte hat die UEFA im Gepäck. Wer sich weigert, zu akzeptieren – so wie beispielsweise Bremen – bekommt dann nicht den Zuschlag.

Und auch Steuern auf ihren Milliardengewinn möchte die UEFA lieber nicht zahlen. "Das ist eigentlich Standard, dass sie keine Steuern zahlen", so Fröhlingsdorf. "Weder die UEFA will Steuern zahlen, noch die FIFA, noch das IOC. Wenn die in ein Land kommen, dann ist die Bedingung: 'Wir wollen Steuerfreiheit'. Man muss sich das vorstellen: 2017, als es um die Bewerbung ging, war der Gegenkandidat die Türkei. Die Türkei hat von Anfang an gesagt: 'Wenn ihr zu uns kommt, müsst ihr keine Steuern zahlen. Alles ist steuerfrei.' – Und wenn dann Deutschland natürlich den Zuschlag haben will, muss es entsprechend Steuerfreiheit garantieren." Das Monopol der UEFA erlaubt ihr, solche Forderungen zu stellen. Fröhlingsdorf meint abschließend: "Man hat natürlich schon den Eindruck, dass der König Fußball seine Bedingungen diktieren kann. Das ist schon eine gewisse Form von Erpressung."

Man hat natürlich schon den Eindruck, dass der König Fußball seine Bedingungen diktieren kann. Das ist schon eine gewisse Form von Erpressung.

Michael Fröhlingsdorf, Spiegel-Journalist

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MDR (cbr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 11. Juni 2024 | 20:15 Uhr

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