Hintergrund Fragen und Antworten zum russischen Gaslieferstopp
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18. November 2022, 14:14 Uhr
Seit wann kommt keine russisches Gas mehr nach Deutschland? Und stimmt es, dass Deutschland die Reparaturen an der Nord-Stream-1-Pipeline blockiert? Wir haben nachgefragt.
- Wann endeten die russischen Gaslieferungen und erwartet Deutschland, dass diese wieder aufgenommen werden?
- Verhindert Deutschland die Reparatur von Nord Stream 1 und bezahlen deutsche Unternehmen sogar weiter für leere Pipelines?
- Uniper will juristische Schritte einleiten. Wie sich Unternehmen gegen Gazprom wehren können.
Bis wann floss Gas und wann endeten die Gaslieferungen?
Laut Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) floss bis zum 2. September - wenngleich in reduzierter Menge - Gas aus Russland direkt nach Deutschland. Dann wurden dem Ministerium zufolge diese Lieferungen einseitig "unter Verweis auf angebliche Wartungen" eingestellt. Nach Informationen des Importeurs Uniper sind die Lieferungen seit Mitte Juni eingeschränkt und wurden in den folgenden Monaten in mehreren Schritten völlig eingestellt. Spätestens seit Ende September sind Gaslieferungen aus Russland nach Deutschland massiv erschwert, nachdem Nord Stream 1 und 2, die beiden großen Gasleitungen zwischen Russland und Deutschland, am 26. September mutmaßlich vorsätzlich zerstört wurden.
Warum wurden die Lieferungen eingestellt?
Gazprom begründete damals nach Angaben des BMWKs den Lieferstopp mit technischen Problemen. Allerdings, so eine Sprecherin zum MDR: "Der von russischer Seite behauptete erneute Wartungsbedarf war für das BMWK und auch beteiligte Firmen technisch nicht nachvollziehbar."
Hält die Bundesregierung die Gazprom-Begründung für den Lieferstopp für plausibel?
Das Bundeswirtschaftsministerium hält andere Gründe für vordergründig: "Die Bundesregierung hält die durch die russische Seite aufgeführten Probleme für einen Weiterbetrieb der Nord Stream 1-Pipeline für einen rein politisch motivierten Vorgang", sagt die Sprecherin. "Russland bzw. Gazprom hätte vor den beiden Lecks also jederzeit liefern können, auch über andere Pipelines, hat das aber nicht getan, es bestehen keine Sanktionen auf russisches Gas."
Zahlt Deutschland für russisches Gas?
"Gaseinkauf und Handel finden ausschließlich über die Unternehmen statt. Der Staat schließt keine Verträge", sagt die Sprecherin des BMWK. Allerdings seien aus den erwähnten Gründen, also dem Lieferstopp, nach Erkenntnissen des Ministeriums nicht gezahlt worden. Es bestünden keine Verpflichtungen.
Erwartet die Bundesregierung, dass Russland die Lieferungen wieder aufnehmen wird?
Nein. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums besteht kein Anlass, davon auszugehen, dass Russland künftige Verpflichtungen einhalten wird. Auch sei die Pipeline Nord Stream 2 nicht zertifiziert.
Versucht Deutschland die Reparatur von Nord Stream 1 zu verhindern?
Das Bundeswirtschaftsministerium verneint. Weder gebe es Bestrebungen aus Deutschland, eine Reparatur zu verhindern. Eine Reparatur sei Sache der Unternehmen. Es gebe auch keine Sanktionen. Zumal die Lecks der Nord Stream Pipelines auf dänischem und schwedischem Hoheitsgebiet lägen.
Bezahlen die deutschen Gasimporteure und Handelskonzerne weiter für russisches Gas?
Die angefragten Unternehmen Uniper, also der größte deutsche Gasimporteur, und VNG, ein Gashandelskonzern mit Sitz in Leipzig, zahlen nach eigenen Angaben derzeit nichts. Bei Nichterbringung einer Leistung müsse auch nicht bezahlt werden, sagte ein VNG-Sprecher dem MDR. VNG beziehe aktuell faktisch kein Gas mehr aus Russland. Dementsprechend erfolgten auch keine Zahlungen. Solange die russischen Vorlieferanten geliefert hätten, habe VNG das Gas gemäß vertraglicher Verpflichtungen abgenommen und für das gelieferte Gas bezahlt - auch in Absprache mit der Bundesregierung.
Gehen die Unternehmen gegen den Lieferstopp vor?
Inzwischen bereitet Uniper juristische Schritte gegen Gazprom vor. Unternehmenssprecher Oppermann sagte dem MDR, dass Gazprom seit Mitte Juni die Lieferungen in mehreren Schritten völlig eingestellt habe. Das halte Uniper für einen Vertragsbruch. Der gesamte Sachverhalt werde nun bald gerichtlich geklärt. "Wir werden in diesem Verfahren konkret unsere Schadensersatzansprüche gegen Gazprom geltend machen."
Welche Möglichkeiten haben die Unternehmen?
"Im Zweifelsfall bezahlt man nicht und eskaliert die Situation entsprechend zum Schiedsgericht", das sagt der Energie-Ökonom Dominik Möst. Allerdings könne sich so ein Streit über Jahre ziehen. Möst hat die Professur für Energiewirtschaft an der TU Dresden inne. Nach seiner Kenntnis zahlt derzeit keines der Unternehmen mit Gazprom-Lieferverträgen. Russland liefere im Gegenzug auch nichts. "Als die Pipelines noch funktionierten, schob Russland die Schuld auf die fehlende Turbine, so dass sie nichts liefern mussten. Ohne fehlende Turbine wäre dies ja ein Vertragsbruch gewesen und entsprechend war es dann Force majeur (höhere Gewalt Anmerkung der Redaktion). Schon da waren nach meiner Kenntnis die Zahlungen ausgesetzt, alles andere wäre auch nicht nachvollziehbar gewesen."
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 18. November 2022 | 06:23 Uhr