Briefkasten
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Legal oder illegal? Wie Briefkastenfirmen arbeiten

10. Juli 2024, 14:40 Uhr

Seit 2016 sind die Panama Papers immer wieder in den Nachrichten. Ein Begriff der in diesem Zusammenhang häufig fällt: Briefkastenfirma. Was aber genau ist das eigentlich? Und ist das immer illegal? Letzteres lässt sich mit einem "Nein" beantworten. Briefkastenfirmen werden aber oft für illegale Zwecke wie Steuerhinterziehung oder Geldwäsche genutzt. Florian Köbler ist Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG) und beantwortet einige Fragen.

Briefkastenfirmen sind an sich erstmal nicht illegal. Warum aber werden sie oft für illegale Zwecke genutzt?

Florian Köbler: Die legale Nutzung von Briefkastenfirmen erfolgt häufig zur Erschließung neuer Märkte. Viele Unternehmen und Vergaberichtlinien verlangen, dass ein nationaler Unternehmenssitz vorhanden ist, um Geschäfte tätigen zu können. Ein prominentes Beispiel hierfür sind die USA. Hier stellt übrigens der Bundesstaat Delaware wegen seiner unternehmensfreundlichen Gesetze und einer guten Gerichtsbarkeit sehr häufig den ersten Anlaufpunkt dar.

Bei der illegalen Nutzung von Briefkastenfirmen geht es darum, sich unrechtmäßige Vorteile zu verschaffen. Dies geschieht meist in drei Bereichen:

Florian Köbler
Florian Köbler ist seit Juni 2022 Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG). Parallel bekleidet er seit September 2018 das Amt des Präsidenten der Union of Finance Personnel in Europe (UFE). Bildrechte: Boris Trenkel

  1. Steuerhinterziehung: Hierbei werden Vermögenswerte vor den heimischen Finanzbehörden verborgen, um Steuern zu vermeiden, oder Gewinne illegal verschoben, um von niedrigeren Steuersätzen zu profitieren.
  2. Geldwäsche: Briefkastenfirmen können genutzt werden, um Gelder aus illegalen Aktivitäten wie Drogen- und Menschenhandel, Schutzgelderpressung oder Korruption zu waschen. Dies geschieht oft durch komplexe Transaktionen, um die Herkunft des Geldes zu verschleiern.
  3. Verschleierung von Eigentum: Hierbei wird der tatsächliche Eigentümer verborgen. Ein Beispiel dafür ist die Nutzung von einem riesigen Geflecht an Briefkastenfirmen durch russische Oligarchen, um ihr Vermögen zu schützen und ihre Identität zu verbergen.

Ab wann wird die Nutzung illegal?

Sobald eine Briefkastenfirma keine wirtschaftliche Tätigkeit beinhaltet, sondern nur als Mittel der Steuerhinterziehung, Geldwäsche oder Verschleierung von Vermögen dient, ist sie illegal. Dies stellt eine Straftat dar.

Ja, Steuerhinterziehung ist eine Straftat. Für mich ist klar: Die ehrlichen Steuerzahler dieses Landes dürfen nicht länger die Dummen sein, während sich eine privilegierte Minderheit aus der Verantwortung stiehlt. Das muss aufhören!

Wie funktioniert dieses System? Gibt es einen üblichen Ablauf?

Einer der Klassiker ist, dass über Scheinrechnungen Beratungsleistungen abgerechnet werden, die so nie erbracht wurden. So werden im Inland Betriebsausgaben generiert, der Gewinn gemindert und eben in Länder mit niedrigeren oder keinen Steuern verschoben. Diese Länder profitieren übrigens oftmals ausschließlich von den sogenannten Stempelgebühren, also den Gebühren, die für den Betrieb von solchen Briefkastenfirmen anfallen.

Warum gibt es keine Überprüfung der Geschäftsführer oder Gründer von Firmen, wenn ein Konto für die Briefkastenfirma eröffnet wird?

Es ist nicht so leicht an die wirtschaftlichen Eigentümer der Briefkastenfirmen zu kommen, da wir es in der deutschen Steuerverwaltung nicht mitbekommen, wenn eine Briefkastenfirma in einer Steueroase eröffnet wird. Diese Staaten führen eben in der Regel keinen offenen Datenaustausch mit Deutschland durch. Hier braucht es Recherchearbeit.

Aber selbst innerhalb Deutschlands gibt es Steueroasen, nämlich bei der Gewerbesteuer. Hier versuchen Kommunen durch niedrige Gewerbesteuersätze Unternehmen anzulocken. In vielen Fällen aber nur klassische Briefkastenfirmen, die nur den Zweck haben, Gewinne in diese Gemeinde zu verlagern und von den niedrigen Gewerbesteuersätzen zu profitieren. Auch hier gilt das zuvor gesagte. Hier würde übrigens ein besserer Datenaustausch zwischen Kommunen und Steuerverwaltung helfen. Wir brauchen endlich das "Once-Only-Prinzip". Das heißt, sobald eine staatliche Stelle Daten hat, können diese von einer anderen Behörde, natürlich nur bei berechtigtem Interesse, verwendet werden.

Was müsste aus Ihrer Sicht getan werden, damit Steuerhinterziehung oder Geldwäsche mittels Briefkastenfirmen verhindert werden kann?

Es gibt bereits viele gute nationale, aber auch internationale Initiativen. Ich denke zum Beispiel an das Steueroasenabwehrgesetz oder die geplante "Unshell"-Richtlinie der EU, die eine mehrstufige Substanzprüfung vorsieht, um substanzschwache Unternehmen zu identifizieren und gezielt gegen die Nutzung von Briefkastenfirmen mit Sanktionen vorzugehen.

Wichtig sind aber vor allem zwei Dinge:

  1. Wir müssen unser Personal effektiver einsetzen. Das heißt, wir müssen von einem perfektionistischen Streben nach einer möglichst hohen Einzelfallgerechtigkeit wegkommen und beispielsweise im Arbeitnehmerbereich mit höheren Pauschalen arbeiten. Motto: Mehr Netto vom Brutto und dafür keine Abgabe einer Steuererklärung. Das freiwerdende Personal kann dann in der Steuerfahndung oder Betriebsprüfung eingesetzt werden.
  2. Wir brauchen dringend Investitionen in eine gute Digitalisierung.

Meine Botschaft hierbei: Das Netz für Steuerhinterzieher zieht sich immer weiter zu. Wir wissen, dass international tätige Beratungsfirmen ganz gezielt Steuergestaltungsmodelle anbieten, welche in Expertengremien erdacht wurden.

Was versteht man unter Steuergestaltung? Wie auch Briefkastenfirmen ist die Steuergestaltung an sich erstmal legal. Konkret geht es darum, die eigene Steuerlast zu verringern, indem die "Möglichkeiten im Steuerrecht", so das Bundesfinanzministerium, genutzt werden. Als Beispiel dafür nennt das Ministerium die betriebliche Altersvorsorge.

Schwierig wird es aber dann, wenn diese Sparmöglichkeiten ausgenutzt werden, um zum Beispiel gar keine Steuern zu zahlen.

Quelle: Bundesfinanzministerium

Mit den Möglichkeiten modernster IT, wie beispielsweise dem Einsatz von Webcrawlern und einer Mustererkennungssoftware, wird es in naher Zukunft gelingen, die neuesten Steuergestaltungsmodelle am Markt schnell zu identifizieren. Und dann wird es ungemütlich für die Steuergestaltungsbranche. Öffentliche Diskussionen und der in Paragraph 42 Abgabenordnung geregelte Gestaltungsmissbrauch sind ein scharfes Schwert.

Kann ich als Verbraucher auf eine Dienstleistung einer Briefkastenfirma reinfallen? Wie wahrscheinlich ist das?

Die Wahrscheinlichkeit, dass Verbraucher auf Briefkastenfirmen hereinfallen, ist nicht unerheblich. Diese Firmen existieren oft nur auf dem Papier und werden häufig für betrügerische Aktivitäten genutzt, wie falsche Gewinnbenachrichtigungen oder den Verkauf von Waren, die nie geliefert werden. Um sich zu schützen, sollten Verbraucher auf unklare Vertragspartner, Warnungen im Internet, fehlende aussagekräftige Informationen und das Kleingedruckte achten. Hilfreich kann auch eine Abfrage über den Fakeshop-Finder der Verbraucherzentrale sein.

Bei Verdacht auf Betrug sollte unverzüglich Anzeige erstattet und der Verbraucherschutz kontaktiert werden.

Kann ich als Privatperson etwas tun, wenn ich das Gefühl habe, eine Briefkastenfirma entdeckt zu haben?

Klar – unsere Steuerfahndung ist für jeden substanziellen Hinweis dankbar. Im Idealfall gerne mit Kontaktdaten, um Sie bei Rückfragen zu erreichen. Natürlich geht es aber auch anonym.

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