Kahnsdorfer See
Blick über eine Bergbaufolgelandschaft mit deformierten Grundwasserkörper und gefülltem Tagebaurestloch (Kahnsdorfer See bei Leipzig). Bildrechte: Christian Kortüm

Knappes Wasser Kohle-Aus: Sachsen, Brandenburg und Berlin sehen Bund in Pflicht

14. Juni 2024, 14:59 Uhr

Der Osten ist trockener als der Westen. Ein Grund ist hausgemacht: der vom Braunkohletagebau massiv gestörte Wasserhaushalt. Mit dem Ausstieg aus der Kohle wird es noch trockener. Dann fehlt abgepumptes Tagebau-Wasser in den Flüssen, während der Bedarf durch Industrie und Landwirtschaft steigt. Das weckt Begehrlichkeiten am Wasser großer Ströme wie der Elbe. Jetzt wollen Sachsen, Brandenburg und Berlin noch enger bei der Lösung des Problems zusammenarbeiten – und sehen den Bund in der Pflicht.

Sachsen, Brandenburg und Berlin wollen bei der künftigen Wasserversorgung in der Lausitz und von Berlin noch enger zusammenarbeiten. Das vereinbarten die Ministerpräsidenten von Sachsen und Brandenburg, Michael Kretschmer und Dietmar Woidke, sowie Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner bei einem Wasser-Gipfel in der Sächsischen Landesvertretung in Berlin, an der auch die Umweltminister der drei Länder teilnahmen. In einer gemeinsamen Erklärung sehen sie den Bund in der Pflicht zur Mitarbeit.

Sachsen: "Herausforderungen an Wasserhaushalt immens"

In einer am Freitag verabschiedeten gemeinsamen Erklärung heißt es, der Kohlebergbau habe die Lausitz und deren natürlichen Wasserhaushalt in den vergangenen 150 Jahren tiefgreifend beeinflusst. "Durch den gesetzlich fixierten Kohleausstieg bis 2038, den geforderten Strukturwandel und die Folgen des Klimawandels stehen die betroffenen Regionen in Brandenburg und Sachsen vor immensen Herausforderungen, die sich bis zur Metropolregion Berlin-Brandenburg auswirken."

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Audio: Mit dem Braunkohleausstieg wird sich das Problem des Wassermangels in der Lausitz und in der Spree weiter verschärfen. Dazu verhandeln Sachsen, Berlin und Brandenburg. Bildrechte: Christian Kortüm

Um diese zu bewältigen, sei ein gemeinsames, schnelles, zielgerichtetes, abgestimmtes und vor allem nachhaltiges Handeln der Politik, Behörden, Bergbauunternehmen und Gesellschaft zwingend notwendig.

Länder sehen Bund in der Pflicht

Mit Blick auf den Beitrag der Lausitz auf die Energieversorgung Deutschlands heißt es in der Erklärung, auch der Bund stehe in der Pflicht, nötige wasserwirtschaftliche Anpassungen finanziell abzusichern.

Es geht um die Lebensgrundlagen für Mensch und Natur in der gesamten Region.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer

Kretschmer sagte nach dem Treffen, die Hälfte des Wassers der Spree komme derzeit aus den Tagebauen. Die Folgen von Kohleausstieg und Klimawandel seien groß. "Es geht um die Lebensgrundlagen für Mensch und Natur in der gesamten Region." Um erfolgreich voranzukommen, sei ein Maßnahmen-Mix notwendig. Jedes Land alleine wäre durch die Aufgabe überfordert. Es handle sich um eine Generationenaufgabe, die nur mit dem Bund bewältigt werden könne.

Diese Generationenaufgabe kann nur gemeinsam und mit Hilfe des Bundes gestemmt werden.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer

Berlin sieht alle Spree-Anrainer in der Pflicht

Das ist auch den anderen Gipfel-Teilnehmern bewusst: Auf Anfrage von MDR AKTUELL heißt es aus dem Berliner Senat, alle Spree-Anrainer seien in der Pflicht, diesen Prozess zu gestalten, auch Berlin. Nach dem Gipfel erklärte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner, in Berlin hätten die Trockenphasen und Hitzerekorde in Deutschland zu einem grundlegenden Umdenken im Umgang mit Wasser geführt. "In Berlin spüren wir dies vor allem an der Spree, deren Pegelstand bislang stark von den Einleitungen aus den Tagebauregionen abhängt." Die Herausforderungen müssten gemeinsam mit Sachsen und Brandenburg, die das Wassermanagement in der Lausitz gestalteten und dem Bund angehen.

Ähnlich formuliert das die brandenburgische Staatskanzlei in Potsdam. Man führe gerade umfassende Untersuchungen aus allen drei Ländern zusammen, um einen Maßnahmen-Mix entwickeln zu können. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke sagte nach dem Treffen, Wasser mache nicht an Ländergrenzen halt. Alle drei Länder müssten jetzt handeln, um nach dem Kohleausstieg nicht auf dem Trockenen zu sitzen. Woidke forderte, die Möglichkeiten zur Wasserspeicherung oder zur Überleitung von Wasser in die Spree auf ihre technische, ökologische und finanzielle Realisierbarkeit zu prüfen und umzusetzen. Diese Aufgabe müsse von der Bundesregierung entschlossen angegangen und finanziert werden.

Warum reden Sachsen, Brandenburg und Berlin über das Wasser? 

Sachsen, Brandenburg und Berlin sorgen sich um die Wasserversorgung der Lausitz, des Spreewaldes und Berlins. Sachsen ist ein sogenannter Oberlieger und damit wesentlich für das Dargebot in den tiefer gelegenen Bundesländern, den sogenannten Unterliegern.  

Warum treffen sich nur die drei Bundesländer und nicht alle 16? 

Durch den Braunkohleabbau hat es tiefgreifende Veränderungen im Grundwasserreservoir von Sachsen und Brandenburg gegeben. Um Kohle abzubauen, wurde Grundwasser aus den Flözen abgepumpt und in Flüsse und Restlöcher geleitet. Seit Jahrzehnten ist unter anderem die Spree voller als sie es natürlicherweise wäre. Die Spree ist wichtig für den Spreewald und für Berlin. Dort dient sie der Trinkwasserversorgung und der Abwasserentsorgung. Ohne dieses "Kohle-Wasser" können keine Restlöcher mehr geflutet werden und das Wassermanagement von Berlin wird gefährdet.  

Warum fehlt der Bund am Tisch? 

Sachsen betrachtet das Wassermanagement für die sogenannten Unterlieger Brandenburg und Berlin als gemeinschaftliche Aufgabe auch des Bundes. Denn Kohle wird in der Lausitz schon seit mehr als 100 Jahren abgebaut. Dabei geht es natürlich auch um die Finanzierung möglicher Vorhaben. Der Bund aber gibt sich bislang defensiv. Auf Anfrage erklärt das Bundesumweltministerium, der Bund habe hier keine Vollzugskompetenzen.

Umweltschützer demonstrieren für kleinere Tagebauseen

Umweltschützer protestierten vor dem Treffen in der Sächsischen Landesvertretung für kleinere Tagebauseen und Kostengerechtigkeit. Ein Sprecher der Grünen Liga sagte, die LEAF müsse ihre Pläne für Brandenburg und Sachsen korrigieren, wenn künftig genug Wasser nach Berlin kommen solle. "Der Kohlekonzern plant 80 Quadratkilometer zusätzliche künstliche Seen, durch deren Verdunstung weniger Wasser in der Spree ankommen wird“, sagte er. Bei der viel diskutierten Idee einer Überleitung von Wasser aus der Elbe würde die LEAG zu den Hauptnutznießern gehören, da sie ihre Tagebaue Welzow-Süd und Nochten dann schneller und sicherer fluten könne.

Die Rolle Sachsens beim Wasser-Gipfel

Hintergrund des Gipfels ist der Ausstieg aus dem Braunkohle-Abbau 2038. Wird keine Kohle mehr gefördert, versiegt auch das Wasser aus den Tagebauen, die sogenannten Sümpfungswässer, das in den vergangenen Jahren in trockenen Sommermonaten für eine vergleichsweise gut gefüllte Spree gesorgt hat. Mit Folgen für die Bundesländer Sachsen, Brandenburg und Berlin. "Nach dem Ende der Kohleförderung werden die sogenannten Sümpfungswasser aus den Tagebauen fehlen, die heute zwischen 50 und 80 Prozent des Wassers in der Spree ausmachen", sagte Sachsens Umweltminister Wolfram Günther. Das verschärfe das Problem.

Gründe für den gestörten Wasserhaushalt - Kohleabbau: Aktuell Eingriffe ins Grundwasser-Reservoir, Abpumpen aus der Landschaft
- Vereinbarter Kohleausstieg: Versiegen des Tagebauwassers
- Fortschreitender Klimawandel: Hitze, Verdunstung, Starkregen und Hochwasser

Sachsen sitzt als sogenannter Oberlieger am Tisch. Die Flüsse, die eben dann nach Brandenburg, Berlin fließen, kommen aus dem Freistaat oder haben dort ihren wesentlichen Durchfluss. Berlin und Brandenburg sind Unterlieger, müssen mit dem umgehen, was aus Sachsen an Wasser ankommt. "Die Wasserbedarfe werden ja nicht weniger werden", sagte Sachsens Umweltminister Wolfram Günther in einem Interview vor dem Treffen und verweist auf Landwirtschaft, Industrie und Menschen – sowie auf ökologische Herausforderungen der Gewässer, die Sachsen weder organisatorisch noch finanziell allein lösen könne.

Während des Gesprächs mit MDR AKTUELL steht Günther vor der Elbe. Seit einer Analyse des Umweltbundesamtes aus dem vergangenem Jahr war die Elbe wiederholt als Wasserlieferant für die Spree im Gespräch. Gerade führt der Fluss viel Wasser. Häufig ist das nicht so.

"Der Normalzustand ist auch hier, dass hier Wasser systematisch fehlt in den meisten Monaten im Jahr", sagt Günther und fragt: "Können wir uns das überhaupt erlauben?" Er verweist auf einen inzwischen systematischen Wassermangel in den meisten Monaten des Jahres. Hinzu komme ein Verschmutzungsproblem der Elbe. "Ist das dann die Lösung, das für Trinkwasseraufbereitung in die Spree einzuleiten?" Hinzu komme noch der große technische Aufwand, Leitungen über eine so lange Strecke zu führen.

Komplexes Problem

Eine komplexe Problemlage, vor der Osten steht – mit komplexen Ursachen. Die wichtigste von allen: Der Bergbau selbst mit seinen Eingriffen in das Grundwasser-Dargebot: "Man hat dort so viel abgepumpt, man hat einen riesigen Wassertrichter in die Landschaft gebracht", klagt Günther. Bis dort ein sich wieder regulierendes Wassersystem entstehe – das sei eine Jahrhundertaufgabe und kein Thema, das der Freistaat Sachsen allein lösen könne, davon ist Günther überzeugt. Hinzu kommen auch noch Bergbau-Bedarfe: Auch für die Flutung der Restlöcher bedarf es mehr Wasser als über das dann nicht mehr abgepumpte Grundwasser nachläuft.

Überleiter aus anderen Flüssen im Gespräch

Ohne einen Überleiter, also ohne einen Zufluss aus Oder, Neiße oder Elbe werden weder die noch zu flutenden Tagebaukrater in der Lausitz noch die Spree ausreichend mit Wasser versorgt werden können, sagt Dietrich Borchardt, Hydrologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. "Dazu sind verschiedene Studien angestellt worden, die zu dem Schluss gekommen sind, dass es ohne eine Zufuhr von außen nicht vorstellbar ist." Die große Frage sei: "Woher und in welchen Mengen?"

Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge: Vorschlag nicht nachhaltig

Mit einem Überleiter wiederum werden andere Regionen in die Pflicht genommen, müssten sich auf Veränderungen einstellen. Der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge beispielsweise. Denn dieser wäre von einer der möglichen Trassenführungen eines Überleiter-Systems betroffen: Ein Überleiter würde in Prossen bei Bad Schandau starten, etwa 200 Kilometer südlich von Berlin und noch oberhalb von Dresden. Das Elbsandsteingebirge müsste untertunnelt werden. Eine entsprechende Lösung wurde vom Umweltbundesamt in der Publikation "Prognostische Wasserbilanzierung für den Kohleausstieg in der Lausitz" 2023 skizziert.

Prossen
Die Elbe bei Prossen. Hier könnte der Überleiter starten, der unter dem Elbsandsteingebirge hindurchführt. Bildrechte: MDR

Das Landratsamt kritisiert diesen Vorschlag als nicht nachhaltig. Im Einzugsbereich der Elbe nähmen die Trockenperioden zu, sagt Landrat Michael Geisler. Zudem seien keine Alternativen geprüft worden, meint er sinngemäß, "sodass bei dem angedachten Vorgehen eine Verlagerung der Problematik nicht ausgeschlossen werden kann". Auf die Frage, ob er Auswirkungen auf den Landkreis befürchtet, verweist Geisler darauf, dass jeder Eingriff in Natur und Landschaft Auswirkungen habe. Schränkt aber zugleich ein, dass es weder konkrete Planungen noch weiterführende Untersuchungen gebe und er sich daher nicht abschließend äußern könne.

Sachsen: Mehr als eine Lösung nötig

Eben jene Untersuchungen werden jetzt in Angriff genommen: "Berlin, Brandenburg und Sachsen haben ihre Datenanalysen forciert, um die nötige wissenschaftliche Grundlage für weitere Überlegungen zu erlangen", sagt Sprecher Schreiber aus der sächsischen Staatskanzlei. Erst auf Grundlage dieser Analyse könnten Lösungsvarianten entwickelt werden. "Ohne dem vorzugreifen zeichnet sich aber jetzt schon ab, dass die komplexe Herausforderung nur mit einem Maßnahmen-Mix zu lösen sein wird." Sowohl Schreiber als auch Umweltminister Günther meinen, die Vorschläge des Umweltbundesamtes müssten genau und ergebnisoffen geprüft werden.

Günther spricht sich für eine viel breitere Betrachtung des Problems aus: "Wir brauchen flächenhaften Wasserrückhalt, gesteuert und ungesteuert", mit der gesamten Landschaft im Blick und eben auch all ihren Oberflächengewässern. Für Starkregen- und Hochwasserphasen wünscht er sich einen systematischen Wasserrückhalt in der Fläche, eine "Art Schwammverhalten der Landschaft mit ganz vielen auch kleineren und größeren Formen. Wir brauchen auch die Möglichkeit von Grundwasserneubildung, denn auch das ist gestört. Und gleichzeitig brauchen wir gesteuerte Projekte."

Damit meint er Speicher, die Wasser gezielt abgeben und eben auch zurückhalten können. Um das Wasserproblem von Sachsen, Brandenburg und Berlin in den Griff zu bekommen, gebe es nicht nur eine Lösung, sondern ein ganzes Paket, was in der gesamten Landschaft ausgebreitet werden müsse.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 14. Juni 2024 | 21:45 Uhr

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Nahaufnahme der Abbruchkante an der Brücke. 3 min
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