Kohleausstieg Wassermangel: Diese Alternativen zur Flutung von Tagebauen gibt es
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28. April 2024, 05:00 Uhr
Der Kohleausstieg ist beschlossen. Spätestens 2038 ist Schluss. Zurück bleiben graue Löcher. In der Regel wird daraus ein See – doch dafür braucht es viel Wasser. Ein knappes Gut. Gibt es Alternativen? Drei Szenarien.
Andreas Berkner steht am Braunkohletagebau Espenhain. Also am ehemaligen. Kohle wird hier längst nicht mehr gefördert. Stattdessen ist das ausgekohlte Loch mit Wasser gefüllt – besser bekannt als Markkleeberger See. Berkner hat den See als Chef des Westsächsischen Planungsverbandes mit vorbereitet. Hier hat alles geklappt. Das Wasser stabilisiert die Böschungen. Das Gelände ist standsicher.
Doch jetzt auf der Zielgerade des Kohleabbaus stellt sich die Frage: Funktioniert das immer? Kohle raus, Wasser rein? Denn Wasser wird nach dem Kohleausstieg knapper sein als zuvor, erklärt Andreas Berkner. "Um die Kohle freizulegen, muss man das Grundwasser absenken, sonst buddelt man gewissermaßen im Schlamm", sagt er MDR Aktuell.
Und genau dieses abgepumpte Wasser wurde bislang für die Flutung genutzt. Der aktive Tagebau hat praktisch dafür gesorgt, das schon ausgekohlte Loch nebenan zu füllen. Doch: Wenn die Pumpen nach dem Kohleausstieg abgeschaltet sind, gibt es dieses Plus an Wasser nicht mehr. Aber gibt es überhaupt Alternativen zum See? Irgendwie schon, sagt Berkner: "Wie immer im Leben."
Szenario 1: Das Loch verfüllen.
Im Mitteldeutschen Braunkohlerevier südlich von Leipzig wird derzeit noch in zwei Tagebauen Kohle gefördert. Allein der Tagebau Vereinigtes Schleenhain hat laut Westsächsischem Planungsverband ein Massendefizit von 800 Millionen Kubikmetern. "Das ist eine unvorstellbare Größer. Etwa das Vierfache der Bleilochtalsperre. Der größten Talsperre in Deutschland", sagt Andreas Berkner.
Man müsste also im wahrsten Sinne des Wortes Berge versetzen, um den Tagebau zu füllen.
Szenario 2: Das Grundwasser weiter abpumpen.
Die Böschungen wären laut Chefplaner Berkner dann weitgehend standsicher. Außerdem wäre das abgepumpte Wasser, was bislang Flüsse wie Weiße Elster und Pleiße im Leipziger Südraum oder die Spree in der Lausitz speist, weiter vorhanden. Prognosen sagen, dass die Spree ohne das abgepumpte Wasser aus den Lausitzer Tagebauen an vielen Tagen trockenfällt – schlecht für Berlin.
Wäre die Pumpen laufen zu lassen also eine Lösung? Nicht wirklich, erklärt Andreas Berkner. "Das würde bedeuten, dass man die Grundwasserabsenkung auf ewige Zeit beibehält mit allen ökologischen Folgen. Das heißt, damit konserviert man die Grundwasserabsenkung. Und das kostet Geld. Das sind sogenannte Ewigkeitslasten. Hier sprechen wir von Beträgen im siebenstelligen Bereich pro Jahr."
Das wäre das Gegenteil von dem, was man eigentlich will: eine nachsorgefreie Landschaft.
Bleibt Szenario 3: Das Loch sich selbst überlassen
Nachdem die Pumpen abgestellt sind, kommt das Grundwasser zurück. Allerdings zu langsam, um die Böschungen mit dem Druck des Wassers zu stabilisieren. Um gefährliche Rutschungen zu verhindern, müssen die Kohlelöcher etwa zwei Meter pro Jahr gefüllt werden. Ergo: Wenn kein zusätzliches Wasser in das Loch kommt, müsste man aus Sicherheitsgründen einen Zaun drumherum bauen.
Das Land wäre quasi aufgegeben. Damit gehen Flächen für die Freizeitnutzung, die Landwirtschaft, Industrie oder Erneuerbare Energien verloren. Und das lässt das Recht nicht zu. Genauer gesagt: das Bundesbergrecht, erklärt Uwe Steinhuber von der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft, kurz LMBV. Er sagt: "Grundsätzlich gesprochen: Der Bergbautreibende hat die Pflicht, nachdem er seinen Kohlebetrieb einstellt, einen Abschlussbetriebsplan zu entwerfen und sich den von den Bergbehörden genehmigen zu lassen. Der geht dann in die Umsetzung."
Tagebaue müssen nachgenutzt werden
Das Land muss also wieder nutzbar gemacht werden. Um die in der DDR ausgehobenen Kohlelöcher kümmert sich die LMBV, ein bundeseigener Sanierungsbetrieb. Dafür verantwortlich, die Landschaft zu "reparieren", wo jetzt noch Kohle gefördert wird, sind die jeweiligen Bergbauunternehmen: etwa die Mibrag südlich von Leipzig oder die LEAG in der Lausitz.
Die Deutsche Umwelthilfe wäre dafür, das Bergrecht zu ändern – und Flächen verwildern zu lassen. Auch wenn Ökologie und Wasserhaushalt darniederliegen, wenn der Kohlebagger fertig ist: Wildnis zuzulassen lohne sich, erklärt UIrich Stöcker von der Deutschen Umwelthilfe: "Diese Mondlandschaft, das hat hier die Entwicklung gezeigt, profitiert von ungeheuren Selbstheilungskräften der Natur. Es gibt Arten, die sind auf Rohböden angewiesen, also auf relativ wenig Vegetation. Zum Beispiel der Brachpieper oder der Steinschmätzer als bedrohte Vogelarten haben mit die höchste Konzentration in der Bergbaufolgelandschaft."
Eine Gesetzesänderung, die Wildnis möglich machen würde, ist derzeit allerdings nicht in Sicht.
Fazit: Da sich Berge schlecht versetzen lassen, das Wasser auf alle Ewigkeit abzupumpen wahnsinnig teuer wäre und das Bergrecht verbietet, Land aufzugeben, bleiben die Alternativen zum See Gedankenspiele.
Und wenn das Wasser für einen See aber schlicht nicht reicht? Man wird abwägen müssen, erklärt Andreas Berkner. "Wir werden nicht in der Lage sein, jedem Wasserbedarf in diesem Gebiet entsprechen zu können." Und das bedeute dann, dass für zehn, zwölf Jahre bestimmte Nutzungsaspekte auch mal nicht bedient werden könnten, um die Löcher erstmal mit Wasser zu füllen.
Verlierer könnte in dieser Zeit zum Beispiel die Industrie sein. Nur Trinkwasser hat immer die höchste Priorität – und die Versorgung damit ist, Stand jetzt, auch nicht in Gefahr.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 28. April 2024 | 06:50 Uhr